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Die Schweiz und die Konstruktion des Multilateralismus, Bd. 1. Diplomatische Dokumente der Schweiz zur Geschichte des Internationalismus 1863–1914, vol. 13, doc. 34
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E23#1000/715#15* | |
Dossier title | Internationale Konferenz für Arbeiterschutz in Bern 08.-17.05.1905: Korrespondenz des Industriedepartements mit dem Präsidenten der Internationalen Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz, Nationalrat Scherrer in St. Gallen (1903–1905) |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E1004.1#1000/9#9636* | |
Dossier title | Beschlussprotokoll(-e) 05.05.-09.05.1905 (1905–1905) |
dodis.ch/59556BUNDESRATProtokoll der Sitzung vom 5. Mai 19051
Internat. Konferenz für Arbeiterschutz2
Industriedepartement. Antrag vom 5. dies.3
In seinem Berichte an den Bundesrat vom 16. Dezember 19044 hat das Industriedepartement erörtert, aus welchen Gründen dem Drängen von gewisser Seite, den Papst5 zu einer Vertretung bei der internationalen Konferenz für Arbeiterschutz einzuladen, seitens der Schweiz nicht Folge gegeben werden könne.
Der Bundesrat hat diesen Standpunkt zu dem seinigen gemacht,6 und die Sache schien damit erledigt zu sein. Es zeigt sich aber, dass die betreffenden Kreise sich mit der so geschaffenen Situation nicht abgefunden haben. Die Möglichkeit ist nicht ausgeschlossen, dass nicht an der am 8. Mai beginnenden Konferenz selbst seitens der einen oder andern Delegation der Antrag eingebracht wird, es sei nachträglich an den Papst die Einladung zur Beteiligung zu richten.
Um für diese Eventualität gerüstet zu sein, beantragt das Industriedepartement, der Bundesrat wolle beschliessen:
1. Für den Fall, dass an der internationalen Konferenz der Antrag auf nachträgliche Einladung des Papstes gestellt wird, soll das erste Mitglied der schweizerischen Delegation7 im Auftrage des Bundesrates folgende Erklärung abgeben: «Die Frage, ob der Heilige Stuhl zur Konferenz für Arbeiterschutz einzuladen sei, wurde vom Bundesrate reiflich erwogen, aber in verneinendem Sinne entschieden. Der Bundesrat ging von der Erwägung aus, dass an solchen Verhandlungen naturgemäss nur Staatsregierungen teilzunehmen hätten, die in der Lage wären, zu stande kommende Abmachungen auf ihrem Gebiete durch entsprechende Vorschriften zu ordnen und durch die ihnen zur Verfügung stehenden Organe zu vollziehen. Im übrigen hat der Bundesrat dabei nur früheren Vorgängen gemäss gehandelt. Es liegt heute noch für den Bundesrat kein Grund vor, von diesem grundsätzlichen Standpunkt abzugehen».
2. Für den nämlichen Fall wird die schweizerische Delegation beantragt, beim Aufruf der Staaten mit Nein zu stimmen, welches auch der vorgeschlagene Modus der Einladung an den Papst sein möge.
Herr Vizepräsident Forrer beauftragt, an Stelle des Antrages 2 des Industriedepartements, dem 1. Delegierten des Bundesrates den Auftrag zu erteilen, eine Abstimmung über diese Frage nicht zuzulassen, bezw. abzulehnen.
Herr Bundesrat Zemp beantragt für den Fall, dass die übrigen Staaten bei einer Abstimmung sich für eine Einladung an den Papst aussprechen, die Schweiz. Delegation anzuweisen, gegen diese Einladung keine Einwendung zu erheben.
Vom Bundesrat wird der erste Antrag des Industriedepartements mit 3 gegen 1 Stimme beschlossen.
In eventueller Abstimmung wird der Antrag des Herrn Bundesrat Zemp gegenüber dem Antrage 2 des Departements mit 3 gegen 1 Stimme abgelehnt.
Der Vorsteher des Industriedepartements zieht hierauf seinen Antrag zurück und schliesst sich demjenigen des Herrn Vizepräsidenten Forrer an.
Dieser Antrag wird mit 3 gegen 1 Stimme beschlossen und somit der erste Delegierte des Bundesrates8 beauftragt, eine Abstimmung über die Frage nicht zuzulassen, bezw. abzulehnen.
Herr Vizepräsident Forrer und Herr Bundesrat Deucher werden ermächtigt, eine Motivierung dieses Vorgehens zu vereinbaren, die der Konferenz mitzuteilen wäre.
Herr Bundesrat Zemp gibt zu Protokoll, dass er dem Beschlusse 1 & 2 nicht beigestimmt habe.
- 1
- CH-BAR#E1004.1#1000/9#9636*. Dieses BR-Prot. Nr. 2168 der 43. Sitzung des Bundesrats vom 5. Mai 1905 wurde von der Bundeskanzlei verfasst.↩
- 2
- Die internationale Konferenz für Arbeiterschutz fand vom 8. bis zum 17. Mai 1905 in Bern statt, vgl. dazu auch dodis.ch/59555.↩
- 3
- Antrag des Industriedepartements an den Bundesrat vom 5. Mai 1905, CH-BAR#E23#1000/715#14*.↩
- 4
- Bericht des Industriedepartements an den Bundesrat vom 16. Dezember 1904, CH-BAR#E23#1000/715#14*.↩
- 5
- Papst Pius X.↩
- 6
- Vgl. das BR-Prot. Nr. 5984 vom 30. Dezember 1904, CH-BAR#E1004.1#1000/9#9593*.↩
- 7
- Dabei handelte es sich höchstwahrscheinlich um den Vorsteher des Handels-, Industrie- und Landwirtschaftsdepartements, Bundesrat Adolf Deucher. Zur Ernennung der schweizerischen Delegationsmitglieder vgl. das BR-Prot. Nr. 1942 vom 19. April 1905, CH-BAR#E1004.1#1000/9#9632*.↩
Relations to other documents
http://dodis.ch/59556 | see also | http://dodis.ch/59555 |