Beschluss, die gesperrten Guthaben der sowjetischen Staatsbank frei zu geben und hinsichtlich der bei schweizerischen Banken deponierten anderen Guthaben noch zuzuwarten.
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Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 16, doc. 34
volume linkZürich/Locarno/Genève 1997
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Archivio | Archivio federale svizzero, Berna |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 6100(A)-21/1000/1921 1822 |
Titolo dossier | Liquidation der schweizerischen Forderungen auf Russland |
Riferimento archivio | F.34.3 |
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E1004.1#1000/9#14096* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 1004.1(-)1000/9 462 | |
Titolo dossier | Beschlussprotokoll(-e) 08.10.-09.10.1945 (1945–1945) |
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 7110(-)1976/16 53 |
dodis.ch/57
BUNDESRAT
Protokoll der Sitzung vom 9. Oktober 19451
2529. SPERRE DER SOWJETISCHEN GUTHABEN IN DER SCHWEIZ
Protokoll der Sitzung vom 9. Oktober 19451
Volkswirtschaftsdepartement. Mitbericht vom 5. Oktober 1945.
Das Politische Departement berichtet folgendes:
«Am 21. September abhin2 befreite der Bundesrat das Guthaben der Staatsbank der UdSSR bei der Schweizerischen Nationalbank von der Sperre gemäss Bundesratsbeschluss vom 25. Juni 19413. Sobald die sowjetische Staatsbank von dieser Freigabe Kenntnis erhielt, telegraphierte sie an diejenigen Privatbanken in der Schweiz, bei welchen sie ebenfalls Guthaben besitzt, und zwar an den Schweizerischen Bankverein, die Schweizerische Bankgesellschaft und die Schweizerische Kreditanstalt, und ersuchte um Angabe des heutigen Standes ihres Kontos sowie um Mitteilung, ob über den Saldo frei verfügt werden könne. Da die erwähnten Banken im Hinblick auf allfällige künftige Beziehungen mit der sowjetischen Staatsbank den grössten Wert auf sofortige Beantwortung legten, wurden sie von der Schweizerischen Verrechnungsstelle ermächtigt, unter Angabe der genauen Zahlen nach Moskau zu antworten, dass der angegebene Saldo gemäss Bundesratsbeschluss vom 25. Juni 1941 gesperrt sei; sie hätten aber die Anfrage der Russischen Staatsbank den schweizerischen Behörden zur Stellungnahme unterbreitet. Aus diesem Sachverhalt ergibt sich für die Bundesbehörden die an sich nicht unerwünschte Notwendigkeit, sich mit der Frage der eventuellen Aufhebung der am 25. Juni 1941 verfügten Sperre der sowjetischen Guthaben in der Schweiz zu befassen.
Obgleich Guthaben einer ausländischen Notenbank bei Privatbanken nicht ohne weiteres jenen assimilierbar sind, die eine ausländische Notenbank bei der schweizerischen Notenbank unterhält, gelten doch auch für den ersten Fall mehr oder weniger die bereits anlässlich der Freigabe der zweiten gemachten Überlegungen. Das Problem der allfälligen Aufhebung des Bundesratsbeschlusses vom 25. Juni 1941 hat ein doppeltes Gesicht: ein wirtschaftliches und ein politisches, wobei im Hinblick auf die Wünschbarkeit der Normalisierung der Beziehungen zwischen der Schweiz und der Sowjetunion das Schwergewicht der Entscheidungen bei den politischen Überlegungen liegt.
In tatsächlicher Hinsicht ist festzustellen:
Die Schweiz hat gegenüber der Sowjetunion Forderungen, die vom Schuldner bisher nicht beglichen worden sind. Es sind dies in chronologischer Reihenfolge:
Pro memoria Bestehende Forderungen der Eidgenossenschaft und Privater gegenüber dem früheren zaristischen Russland, die nach der russischen Revolution von 1917 durch das neue Regime weder anerkannt noch je gezahlt worden sind4;
9,6 Mio. Franken Forderungen gegenüber Schuldnern in Gebieten, die der Sowjetunion im Herbst 1940 einverleibt worden sind (baltische Staaten, Bessarabien, Ostpolen) gemäss Enquête per 31. Dezember 19405;
6,1 Mio. Franken Forderungen schweizerischer Maschinenfabriken resultierend aus Verträgen gemäss der wirtschaftlichen Vereinbarungen mit der UdSSR vom 24. Februar 19416 laut neuester Schätzung vom August 1944, Nettozahlen nach erfolgter interner Verrechnung7;
7,25 Mio. Franken Forderungen schweizerischer Importeure aus Verträgen gemäss der vorerwähnten Vereinbarung resultierend aus in Moskau eröffneten und bisher nicht stornierten Akkreditiven8;
8,0 Mio. Franken Forderungen Internierungs- und Repatriierungskosten russischer Militärpersonen etc. per 31. August 19459;
Pro memoria Forderungen der Eidgenossenschaft aus der Plünderung der schweizerischen Gesandtschaften und Konsulate und Privater aus Übergriffen der Roten Armee gegen das Eigentum von Schweizern in heute russisch besetzten Gebieten10.
Die in der Schweiz liegenden, am heutigen Tage noch gesperrten russischen Kontokorrentguthaben bei den drei eingangs erwähnten schweizerischen Privatbanken belaufen sich auf:
[...]11
Andere gesperrte sowjetische Guthaben in der Schweiz gibt es keine mehr. Zu erwähnen ist dabei, dass die Kontokorrentguthaben bei den hier genannten Banken Beträge enthalten, die aus Deckungen schweizerischer Importeure für Akkreditive in Moskau stammen und den teilweisen Gegenwert der in der Aufstellung erwähnten 7,25 Mio. Franken nicht gelöschter Akkreditive darstellen. Die Akkreditivgläubiger beanspruchen zum Teil Vorschüsse der Darlehenskasse der Schweizerischen Eidgenossenschaft, die sich schätzungsweise auf 1 Million Franken belaufen und mit Bundesgarantie versehen sind.
Die wirtschaftlichen Überlegungen für oder gegen die Aufhebung des Bundesratsbeschlusses vom 25. Juni 1941 beziehen sich einerseits auf den Schutz vorhandener schweizerischer materieller Interessen und andererseits auf die grosse Linie der schweizerischen Handelspolitik. Man gibt normalerweise kein Pfand aus der Hand, solange unbeglichene Forderungen bestehen, selbst wenn das Pfand, wie im vorliegenden Falle, offensichtlich nicht ausreicht, um die Ansprüche zu befriedigen. Es ergibt sich daraus, dass zum Schutze der schweizerischen materiellen Interessen nicht nur die grundsätzliche Sperre aufrechterhalten bleiben, sondern auch die Freigabe der Guthaben der sowjetischen Staatsbank in der Schweiz nicht gestattet werden sollte, es sei denn, dass die Begleichung der schweizerischen Forderungen im voraus gesichert ist.
Da aber
1. die bedingungslose Aufhebung der Sperre dem Aussenhandelskommissariat in Moskau bereits in einem Telegramm vom 19. August 1944 in Aussicht gestellt worden ist, und
2. es wünschenswert erscheint, den schweizerischen Warenaustausch mit dem Auslande vor der ihm drohenden einseitigen Orientierung nach dem Westen loszulösen und auf eine breitere Basis zu stellen, um nicht in wirtschaftliche Abhängigkeit gegenüber den westlichen Mächten zu gelangen,
kommt das Volkswirtschaftsdepartement aus handelspolitischen Erwägungen zum Schlusse, dass trotz bestehender schweizerischer Forderungen insbesondere jener der Akkreditivgläubiger, die wiederholt verlangt haben, dass keine Freigabe erfolge, solange die Rückgabe nicht gesichert ist, die Aufhebung der Sperre bedingungs- und vorbehaltlos eintreten sollte in einem Zeitpunkt, in welchem politische Erwägungen diese Massnahme als angezeigt erscheinen lassen. In diesem Falle müsste allenfalls die Eidgenossenschaft für den Entzug des Pfandes, welches 13,3 Mio. Franken gemäss der Aufstellung auf Seite 2 plus die bereits befreiten 6,6 Mio. Franken bei der Schweizerischen Nationalbank, also total rund 20 Mio. Franken, beträgt, den schweizerischen Gläubigern gegenüber einstehen.
Ist nun politisch gesehen der Augenblick gekommen, in welchem das der Sowjetunion längst gegebene Versprechen eingelöst werden sollte?
Die nach einem längeren Unterbruch zunächst auf dem Gebiete der Internierung und Repatriierung in Fluss gekommenen Gespräche zwischen der Schweiz und der UdSSR sind am 10. September abgeschlossen worden12. Die russische Delegation weilt aber immer noch in Bern und hat bereits einige neue Begehren unterbreitet, die nicht gerade geeignet sind, die Atmosphäre zu entspannen. Um den Faden der Gespräche nicht abreissen zu lassen, erscheint es ratsam, das Schwergewicht der Verhandlungen nunmehr auf ein anderes technisches Gebiet zu verlegen, nämlich auf jenes der gegenseitigen wirtschaftlichen Beziehungen, wo zweifellos bei einer gründlichen Flurbereinigung die Aussicht auf Klärung der gegenseitigen Beziehungen in noch stärkerem Masse besteht als auf dem militärischen. Bis zum 30. September hatte die Schweiz vorgeleistet, indem sie die russischen Internierten ohne Gegenleistung repatriierte. Moskau hat jetzt, am 1. Oktober, die Gegenleistung vollzogen durch die Erklärung der Regierung der UdSSR, dass Weisungen an die Rote Armee und die Militärverwaltung in den russisch besetzten Gebieten erteilt worden sind, damit die Schweizer unbehelligt repatriiert werden. Wie diese Repatriierung in Wirklichkeit aussehen wird, entzieht sich allerdings unserer Kenntnis. Seit diesem 1. Oktober muss aber trotzdem die erwartete Gegenleistung als von der Sowjetunion übernommene Verpflichtung betrachtet werden.
Immer den Blick auf die Wünschbarkeit der Normalisierung der gegenseitigen Beziehungen gerichtet, erscheint der Zeitpunkt gekommen zu sein, neu vorzuleisten in der Erwartung, dass auch diese zweite Vorleistung wie die erste von der Sowjetunion honoriert wird. Wenn die Zukunft die Erwartung enttäuscht, so wird es sich auf dem wirtschaftlichen Gebiete nicht um Zehntausende von Menschenleben handeln, sondern um ein finanzielles Opfer von rund 20 Mio. Franken schlimmstenfalls.
Die Aufhebung des Bundesratsbeschlusses vom 25. Juni 1941 als grosszügige Geste ohne vorherige Regelung der schwebenden wirtschaftlichen Fragen zwischen der Schweiz und der UdSSR würde aber in einer anderen Hinsicht Anlass zu Bedenken geben. Es werden gegenwärtig in der Tat mit einigen anderen Ländern Verhandlungen über die Aufhebung der Sperre von Guthaben geführt zwecks Erlangung handelspolitischer Konzessionen von ihnen. Die bedingungslose Aufhebung der Sperre gegen die UdSSR würde ein Präjudiz schaffen und sofort analoge Begehren der übrigen Länder nach sich ziehen, denen aber nicht entsprochen werden kann. Es ist also schlechthin inopportun, im heutigen Zeitpunkt den Bundesratsbeschluss vom 25. Juni 1941 formell aufzuheben.»
Gestützt auf die vorstehenden Erwägungen und im Einvernehmen mit dem Volkswirtschaftsdepartement und dem Finanzdepartement beantragt das Politische Departement und der Rat beschliesst:
1. Die Guthaben der Staatsbank der UdSSR bei den schweizerischen Privatbanken sind ohne Vorbehalt und Bedingungen freizugeben.
2. Der Bundesratsbeschluss vom 25. Juni 1941 bleibt solange in Kraft, bis der Ausgang der Verhandlungen mit andern Ländern, insbesondere Frankreich, dessen Aufhebung erlaubt13.
- 1
- E 1004.1 1/462.↩
- 2
- Siehe E 2001 (E) 2/57.↩
- 3
- Vgl. DDS, Bd. 14, Dok. 65, dodis.ch/47251.↩
- 4
- Zu den schweizerischen Forderungen und Ersatzansprüchen gegenüber der Sowjetunion siehe E 2001 (E) 1969/121/122 –124. Vgl. auch den Brief von A. Huber an M. Troendle vom 5. August 1947, dodis.ch/51.↩
- 5
- Siehe ebd. sowie E 7110/1976/16/53.↩
- 6
- Siehe ebd. sowie DDS, Bd. 14, Dok. 21, dodis.ch/47207.↩
- 7
- Siehe ebd., E 2001 (E) 1/393 sowie E 2001 (E) 2/657.↩
- 8
- Siehe ebd.↩
- 9
- Siehe E 2001 (E) 1/104.↩
- 10
- Siehe E 7110/1976/16/54.Hier befindet sich eine Zusammenstellung aller schweizerischen Forderungen und Ersatzansprüche gegenüber der Sowjetunion vom 29. Januar 1951.↩
- 11
- Für die Tabelle vgl. dodis.ch/57. Pour le tableau, cf. dodis.ch/57. For the table, cf. dodis.ch/57. Per la tabella, cf. dodis.ch/57.↩
- 12
- Vgl. das Schlussprotokoll der Repatriierungskommission vom 10. September 1945, dodis.ch/1772.↩
- 13
- Aufhebung der Sperre der sowjetischen Guthaben in der Schweiz durch den BRB Nr. 1809 vom 12. Juli 1946, dodis.ch/1422.↩
Collegamenti ad altri documenti
http://dodis.ch/57 | completa | http://dodis.ch/51 |
http://dodis.ch/57 | completa | http://dodis.ch/1422 |
http://dodis.ch/57 | è menzionato in | http://dodis.ch/1772 |
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Russia (Politica) Piazza finanziaria svizzera Ripristino delle relazioni diplomatiche con l'URSS (1946)