Classement thématique série 1848–1945:
III. RELATIONS ÉCONOMIQUES INTERNATIONALES
III.1. ALLEMAGNE
III.1.1. ALLEMAGNE - RELATIONS ÉCONOMIQUES
Imprimé dans
Documents Diplomatiques Suisses, vol. 15, doc. 211
volume linkBern 1992
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
Cote d'archives | CH-BAR#E2001E#1000/1572#92* | |
Titre du dossier | Deutschland: Wirtschaftsverhandlungen und Abkommen mit der Schweiz. u.a. Puhl - Abkommen März 1945 (1943–1945) | |
Référence archives | C.43.111 • Composant complémentaire: Deutschland |
dodis.ch/47815
Der Umstand, dass die Herrschaft über die Gebiete von Hochsavoyen und des Pays de Gex im Verlaufe der jüngsten Ereignisse in die Hand der freifranzösischen Streitkräfte gelangt ist, hat dringende Probleme staatsvertraglicher Natur für unsern Verkehr mit Deutschland aufgeworfen.
Die mit diesem Staate seinerzeit vereinbarte Ordnung der Warenausfuhr nach und durch Frankreich sieht vor, dass die Waren das schweizerische Zollgebiet ausschliesslich über Basel und Genf-Cornavin verlassen dürfen. Dieser Regel kam bisher wegen der Gegenblockade besondere praktische Bedeutung
Heute haben sich die Voraussetzungen geändert, indem die deutsche Kontrolle der schweizerischen Ausfuhr nicht mehr am vorgesehenen Orte stattfinden kann und die eingangs erwähnten Gebiete somit ausserhalb des deutschen Kontrollgürtels zu liegen kommen. In diesen Gebieten sind nun dringende Wünsche auf Bezug gewisser schweizerischer Waren (Tabak, Zeitungen) geäussert worden, was es erforderlich machte, dass man diese Begehren in ihrem Verhältnis zur vertraglichen Regelung auf dem Gegenblockadesektor überprüfte. Die Oberzolldirektion wie die Handelsabteilung sind dazu gelangt, dass diesen Ausfuhrbedürfnissen vorläufig im Rahmen der mit Deutschland vereinbarten Gegenblockadekontingente entsprochen werden solle.
Im Hintergründe erhebt sich nun bereits ein anderes grosses und entscheidendes Problem. Beim Abschluss der Wirtschaftsverhandlungen mit Deutschland vom 29. Juli d.J.2 wurde bekanntlich folgende Klausel vereinbart:
«Falls im Laufe des Vertrages eine der Parteien zu der Überzeugung kommt, dass die beiderseitigen Leistungen und Gegenleistungen nicht mehr in dem beim Abschluss des Vertrages angenommenen Verhältnis stehen, hat die betreffende Vertragspartei das Recht, sofortige Verhandlungen über eine Anpassung der beiderseitigen Leistungen zu beantragen».
Eine der wesentlichen deutschen Leistungen waren die Erleichterungen, die uns bezüglich der Gegenblockade eingeräumt wurden. Für die Schweiz werden die effektiven Voraussetzungen einer wirksamen deutschen Gegenblockade mit dem Tage wegfallen, an dem die alliierten Truppen an unsere Westgrenze anstossende Gebiete fest in ihre Hand bekommen und die Warenausfuhr ohne deutsche Kontrolle für uns wieder möglich ist. Man könnte übrigens noch weiter gehen und sich durchaus berechtigterweise auf den Standpunkt stellen, dass die Voraussetzungen der Gegenblockadeerleichterungen bereits seit dem Momente fortgefallen sind, wo unsere Waren Frankreich nicht mehr passieren konnten. Denn seither haben die deutschen Gegenblockadeerleichterungen für uns keinen praktischen Wert mehr.
Es bleibt abzuwarten, ob und wann unsere internationale Situation neue Verhandlungen mit Deutschland erforderlich macht.
PS. Soeben teilt mir Herr Paternot, Delegierter des Verwaltungsrates der Nestlé and Anglo Swiss Holding Company telephonisch mit, er habe vom französischen Kommissariat für Auswärtige Angelegenheiten in Alger ein dringliches Staatstelegramm erhalten, in dem angefragt wird, ob die Gesellschaft in der Lage sei, sobald als irgend möglich 6000 to (= 600 Eisenbahnwagen!) gezuckerte Kondensmilch nach Frankreich zu liefern, zur Versorgung der befreiten Gebiete, wo die Frischmilchzufuhr völlig unterbunden sei. Das Begehren wird soeben mit beiliegendem Telegramm von Herrn Schlatter bestätigt3. Laut Mitteilung des Herrn Paternot soll auch der französische Finanzattaché in Bern im Bundeshaus vorsprechen (gemeint ist dabei offenbar Herr Vaidie!).
Abgesehen von der Frage der Landesversorgung, die noch separat geprüft werden müsste, stellt sich die Rechtslage wie folgt dar:
Blockade: Wir haben den alliierten Regierungen gegenüber die Verpflichtung übernommen, keine Kondensmilch nach den Achsenstaaten zu liefern. Ausnahmen sind nur zulässig, wenn die Sendungen im Namen und Auftrag des internationalen Komitees des Roten Kreuzes ausgeführt werden. Auch hiefür beanspruchen die alliierten Behörden, dass ihre Zustimmung vorgängig eingeholt werde.
Gegenblockade: Kondensmilch ist geleitscheinpflichtig. Damit glaubte Deutschland die Kontrolle in der Hand zu haben. Da wir keine Verpflichtung bezüglich der Mengen und der Einholung von Geleitscheinen übernommen haben, sind wir nun effektiv frei. Deutschland könnte sich allerdings seinerseits auf den Standpunkt stellen, es sei eine wesentliche Grundlage des Wirtschaftsabkommens dahingefallen. Eine solche Haltung wird es aber jedenfalls nicht einnehmen, da es damit nur die Warenbezüge aus der Schweiz gefährden würde4.
- 1
- E 2001 (E) 2/575. Paraphe: TS. Pilet-Golaz a visé cette notice le 29 août 1944. Cf. aussi E 7110/1973/134/10.↩
- 2
- Cf. PVCF No 1369 du 9 août 1944, E 1004.1 1/448.Cf. aussi E 2001 (E) 2/575, E 7110/1967/32/900Deutschland/13, E 7800/1/17 et RO, 1944, vol. 60, p. 525.↩
- 3
- Télégramme du 26 août 1944 (non reproduit).↩
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