Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
II.1. ALLEMAGNE - RELATIONS POLITIQUES
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 15, doc. 179
volume linkBern 1992
more… |▼▶Repository
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001D#1000/1553#6053* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(D)1000/1553 285 | |
Dossier title | Alldeutsche Bestrebungen; Nazi-Propaganda gegen die Schweiz (1933–1945) | |
File reference archive | B.46.A.10 |
dodis.ch/47783 Le Chef de la Division de Police du Département de Justice et Police, H. Rothmund, au Chef de la Division des Affaires étrangères du Département politique, P. Bonna1
Wir beehren uns, zurückzukommen auf Ihr Schreiben vom 30. Oktober 19432
über die Beitragspflicht der in Deutschland ansässigen schweizerischen Arbeitskräfte bei der Deutschen Arbeitsfront. Wir ersuchen Sie in erster Linie höflich um Entschuldigung, dass wir erst heute zur Sache Stellung nehmen können, und erlauben uns, folgendes darzulegen:
Aus den uns übermittelten Akten geht hervor, dass die schweizerischen Arbeitskräfte in Deutschland seit 1941 gezwungen werden, Beiträge an die Deutsche Arbeitsfront zu leisten. Die schweizerischen Arbeitskräfte werden nicht Mitglieder der DAF, also auch nicht Zwangsmitglieder, sondern nur für die Beitragsleistung verwaltungsmässig erfasst, gleich wie alle ändern ausländischen Arbeitskräfte in Deutschland. Sie gemessen dafür alle Leistungen der DAF, die der kulturellen, gesellschaftlichen, gesundheitlichen und fachlichen Betreuung gelten; sie sind aber ausgeschlossen vom Genuss der weitern Unterstützungseinrichtungen der DAF, die ihrer Natur nach der Förderung der deutschen Volkswohlfahrt gelten; sie nehmen nicht teil an der Wöchnerinnen- und Krankenbeihilfe, der Kinderlandverschickung usw. - Demgegenüber besteht für die deutschen Arbeitskräfte kein Beitrittszwang zur DAF und auch keine Verpflichtung zur Beitragsleistung. Allerdings kann in der Praxis von einer nahezu ausnahmslosen Zugehörigkeit der deutschen Arbeitskräfte zur DAF gesprochen werden.
Die Schweizerische Gesandtschaft in Berlin hat Ihnen die Frage unterbreitet, ob und in welcher Weise gegen die Verpflichtung der schweizerischen Arbeitskräfte zur Beitragsleistung an die DAF bei der deutschen Regierung Vorstellungen erhoben werden sollen. Mit Ihrem Schreiben vom 30. Oktober 1943 äussern Sie sich sehr einlässlich zur rechtlichen und praktischen Seite des Problems und kommen zum Schluss, dass es nicht zweckmässig wäre, in dieser Angelegenheit bei den deutschen Behörden vorstellig zu werden. Wir haben von Ihren Ausführungen Kenntnis genommen und danken Ihnen verbindlich dafür.
Der schweizerisch-deutsche Niederlassungsvertrag3 bietet keine rechtliche Grundlage, um gegen die deutscherseits ergriffene Massnahme Einwände zu erheben. Art. 6 dieses Vertrages bezieht sich, wie Sie zutreffend ausführen, nicht auf sozialpolitische Anordnungen, sondern bloss auf die Unterstützung hilfsbedürftiger Personen.
Aus den von Ihnen dargelegten Gründen haben wir Bedenken dagegen, unter Berufung auf Art. 1 Abs. 2 des schweizerisch-deutschen Vertrages über die Rechtsverhältnisse, vom 31. Oktober 1910, Vorstellungen zu erheben. Bei einer extensiven Interpretation dieses Artikels könnte er allerdings als rechtliche Grundlage dienen. Wir haben aber aus verschiedenen Gründen wenig Interesse daran, diese Bestimmung allzu extensiv interpretiert zu sehen. Überdies steht fest, dass die deutschen Arbeitskräfte alle Mitglieder der DAF sind, sodass mindestens tatsächlich die Gleichbehandlung der schweizerischen mit den deutschen Arbeitskräften hergestellt ist.
Es scheint auch uns nicht unbedenklich, daraufhin zu tendieren, dass den schweizerischen Arbeitskräften in Deutschland der Beitritt zur DAF freigestellt wird; wir würden dadurch nicht verhindern können, dass deutscherseits ein tatsächlicher Druck auf unsere Landsleute ausgeübt würde im Sinne des Beitrittes, worauf dann der Beitritt bezw. Nichtbeitritt als politische Stellungnahme für oder gegen das heute in Deutschland herrschende Regime ausgelegt werden könnte.
Die uns vorliegenden Akten geben keinen Aufschluss darüber, welche Beiträge unsere Landsleute an die DAF zu entrichten haben und welchen Umfang die Leistungen der DAF in verschiedenen Beziehungen haben. Den schweizerischen Arbeitskräften kommt nur ein Teil der Leistungen der DAF zu; diejenigen Unterstützungseinrichtungen, die ihrer Natur nach der Förderung der deutschen Volkswohlfahrt dienen, bleiben den schweizerischen Arbeitskräften versagt. Es wäre nun interessant zu wissen, ob die von Schweizerbürgern geleisteten Beiträge dem einigermassen entsprechen, was sie von der DAF erhalten, oder mit ändern Worten, ob nicht ein beträchtlicher Teil der von Schweizerbürgern geleisteten Beiträge im Grunde dazu dienen sollte, die Mittel bereitzustellen für die Unterstützungseinrichtungen, die allein der Förderung der deutschen Volkswohlfahrt gelten, die Schweizerbürger also Geld für etwas zu leisten hätten, was allein deutschen Staatsangehörigen zukommen kann.
Aus diesen Überlegungen heraus und unter Berücksichtigung der von Ihnen gemachten Ausführungen glauben wir ebenfalls, es wäre wenig zweckmässig, heute noch bei der deutschen Reichsregierung grundsätzliche Vorstellungen gegen eine Massnahme zu erheben, der unsere Landsleute in Deutschland bereits seit 1941 unterworfen sind. Dagegen dürfte es unter Umständen mit Rücksicht auf die Höhe der Beiträge, die von Schweizerbürgern verlangt werden, angezeigt sein, durch die Gesandtschaft in Berlin Schritte in der Richtung der angemessenen Herabsetzung dieser Beiträge unternehmen zu lassen.
Wir unterlassen es, mangels genügender Unterlagen, uns darüber zu äussern, ob sich aus der beschränkten Mitwirkung der schweizerischen Arbeitskräfte bei der Deutschen Arbeitsfront für unsere Landsleute eine unerwünschte politische Beeinflussung in nationalsozialistischem Sinne ergibt. Wir setzen voraus, dass die Schweizerische Gesandtschaft in Berlin die Angelegenheit in dieser Beziehung verfolgt. Auch von diesem mehr politischen Gesichtspunkt aus dürfte es zweckmässiger sein, nicht die Grundlage dafür zu schaffen, dass Schweizerbürger in vollem Umfange der Deutschen Arbeitsfront beitreten können oder müssen.
Wir nehmen ohne weiteres an, dass nach Beendigung des Krieges die ganze Frage auf Grund der seinerzeitigen neuen Verhältnisse neu geprüft werden wird. Wir wären Ihnen aber verbunden, wenn Sie uns über die Sache weiterhin auf dem laufenden halten wollten.