Classement thématique série 1848–1945:
2. RELATIONS BILATÈRALES
2.4. CROATIE
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 14, Dok. 339
volume linkBern 1997
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2300#1000/716#1288* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2300(-)1000/716 532 | |
Dossiertitel | Zagreb, Konsularberichte, Band 7 (1943–1943) |
dodis.ch/47525
Ich beehre mich, Ihnen einliegend weitere Aufzeichnungen politischen Inhaltes über Kroatien zu vermitteln. Diese gehen heute mit Berufskurier ab, welcher den Bericht gemäss den neuen Instruktionen in einer Sondermappe unterbringen wird.
Der Unterzeichnete war zu den Festlichkeiten des 2. Jahrestages des Unabhängigen Staates Kroatien Morgens zu einer Truppenparade, Mittags zu einem Empfang beim Poglavnik und Abends in die Oper zu einem musikalischen Festakt geladen. Vor einem Jahr hatte er das Gefühl, dass seine Anwesenheit von deutscher Seite nicht besonders gern gesehen worden sei. Von italienischer Seite aus wurde seine Anwesenheit kaum wahrgenommen. Nur der Poglavnik, Minister Vrantschitsch und die Chefbeamten des Wirtschaftsministeriums und des Protokolls zeigten Interesse für ihn. Dieses Jahr ist sein Dabeisein von allen Seiten mit der gleichen Aufmerksamkeit bemerkt worden, wie die Anwesenheit anderer Vertreter. Dies gilt sowohl für die Mitglieder des Kabinetts, als auch für die deutsche und italienische Generalität sowie für die italienischen, deutschen und übrigen diplomatischen Vertreter. Sogar deutsche und italienische Parteiorgane, die früher vom schweizerischen Konsul keinerlei Notiz nahmen, zeigten sich zu Höflichkeiten geneigt. Die Gründe hiefür sind leicht zu finden. Vor allem hat sich das politische und wirtschaftliche Ansehen der Schweiz auch in Kroatien erhöht. Dann ist die Tätigkeit Ihres Vertreters, welcher sich auf das Positive zu konzentrieren sucht, und schliesslich seine Beförderung zum Generalkonsul nicht unbemerkt geblieben.
Die schleichende Kabinettskrisis hat durch die Schmuggelaffäre, über die an anderer Stelle berichtet wird, vor Wochenfrist eine akute Form angenommen. Vorher war insbesondere die Person des Aussenministers umstritten, die offensichtlich dem italienischen Gesandten im Wege steht. Es spielen neben politischen Gründen (Minister Casertano ist mit Minister Lorkowitschens Kniefälligkeiten vor deutschen Ansprüchen nicht zufrieden) auch persönliche Animositäten mit. Unter den Kabinettsmitgliedern wird teilweise stark intrigiert. Namentlich die «junge Gruppe» der Herren Koschak und Lorkowitsch, zu denen auch der Bankgouverneur Dr. Hondl und der Aussenhandelsdirektor Dr. Cabas gehören, machen dem Poglavnik viel Sorgen. Einem Freund gegenüber hat sich dieser in dem Sinne geäussert, dass er bis zum Hals genug habe. Er könne aber nichts ändern, da jede Aktion gegen diese Gruppe alsbald Gegenaktionen von deutscher oder italienischer Seite nachsichziehen würden. Die flüchtigen Besprechungen mit Matschekisten haben zu keinem Resultat geführt. Auch eine solche Lösung würde heute in der politischen Lage kaum viel ändern können. Die Bauern sind, schon unter dem jugoslawischen Regime, besonders aber unter dem Ustaschenregime, derart verwöhnt worden, dass die sowohl als politische Partei wie auch als Volksschicht gesättigt sind und an einer Regierungsbeteiligung kein grosses Interesse mehr haben. Sie sind auch im Besitz der Lebensmittel und eines grossen Teils des heute zirkulierenden Geldvorrates. Aus ihren Kreisen sind viele vorübergehend zu den Partisanen übergelaufen, womit nicht gesagt sein soll, dass sie Bauernschaft auf der Seite dieser Dissidenten steht; sie haben unter ihren Überfällen und unter der von ihnen angerichteten Verwüstungen viel zu leiden. Es ist fraglich, ob bei der machtpolitischen Gebundenheit und bei der in diesen Dingen langsamen Entschlusskraft des Poglavniks mit einer Regierungsumbildung in naher Zukunft zu rechnen ist. Wenn eine solche eintreten sollte, so würde sie wahrscheinlich einem verstärkten deutschen oder italienischen Druck zuzuschreiben sein. Als möglichen Nachfolger des Aussenministers spricht man von Dr. Andres, einem Mitglied des ehemaligen jugoslawischen Kabinettes. Andres geniesst das Vertrauen der Deutschen und ist ein ergebener Schüler von Professor Krischkowitsch.
Die Säuberungsaktionen in Bosnien und in den übrigen von Partisanen und Tschetnici verseuchten Landesteilen sind noch nicht abgeschlossen. Bis jetzt haben sie keinen durchschlagenden Erfolg erzielt. Es ist so gekommen, wie vorausgesagt worden ist. Wohl können die Freischärler aus einzelnen Gebieten vorübergehend vertrieben und durch Verluste geschwächt werden. Sie wandern aber im Lande herum und erhalten immer wieder neuen Zuzug.
Vor zwei Wochen übernahm General Kossack, der deutsche Feldkommandant in Zagreb, das sich früher in kroatischer Hand befindliche Stadtkommando der Hauptstadt. Die Übernahme erfolgte durch einfache Erklärung des deutschen Generals, ohne vorausgehende Verhandlungen mit dem Poglavnik. Die Italiener haben darauf vor einigen Tagen auf gleiche Art die Gendarmerie unter ihre Gewalt genommen. Es verlautet, dass Rommel vor kurzem auf dem Luftwege einen kurzen Zwischenaufenthalt in Zagreb gemacht habe; er soll auch in Saloniki und Belgrad gewesen sein. Die deutsche Generalität soll mit einer alliierten Landung im östlichen Balkan rechnen. Das vor etwa Wochenfrist von Gibraltar ausgelaufene Geschwader befände sich bereits im Ägäischen Meer. Es soll nach einem Durchbruch durch die Dardanellen auf dem Seeweg eine Aktion gegen das Nordufer des Schwarzen Meeres erfolgen, gleichzeitig begleitet von einer Aktion dem westlichen Schwarzmeerufer entlang nach Rumänien und einer dritten Landaktion über Serbien nach Ungarn. Kroatien soll von Italien und Deutschland solang als möglich als Flankenschutz gehalten werden. Als Hauptquartier der deutschen Balkanarmeen sollen Skoplje und namentlich Belgrad im Vordergrund stehen.
Die Feierlichkeiten des zweiten Jahrestages des Unabhängigen Staates Kroatien sind ohne Zwischenfälle verlaufen. Über vier Tage lang waren 500 Geiseln eingezogen. Das Interesse des Publikums an den Feiern war sehr gering; die Strassen waren fast leer.
- 1
- Rapport politique: E 2300 Zagreb/7.↩
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Unabhängiger Staat Kroatien (1941-1945)