Classement thématique série 1848–1945:
6. POLITIQUE ET ACTIVITÉS HUMANITAIRES
6.2. POLITIQUE FACE AUX RÉFUGIÉS ET AUX JUIFS
6.2.1. GÉNÉRALITÉS
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 14, Dok. 326
volume linkBern 1997
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E4001C#1000/783#3477* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 4001(C)1000/783 253 | |
Dossiertitel | Flüchtlingsproblem: Berichte von Walter Thurnheer, Minister in London (1943–1943) | |
Aktenzeichen Archiv | 0702 |
dodis.ch/47512 Le Ministre de Suisse à Londres, W. Thurnheer, au Chef du Département de Justice et Police, Ed. von Steiger1
Ich beehre mich, Ihnen in der Beilage die Abschrift einer amerikanischen Note vom 26. Februar 19432 an die Britische Regierung zu übermitteln. Gestützt auf diese Note, von der ich streng vertraulich durch Sir Emerson Kenntnis erhielt, ersuchte mich dieser um eine Besprechung. Er wollte wissen, wie die Schweizerische Regierung sich voraussichtlich zum Inhalt dieser Note stellen werde. Auf Grund einer raschen Einsicht in die Note gab ich Sir Emerson von meinem persönlichen Eindruck Kenntnis. Ich bemerkte selbstverständlich, dass meine Ausführungen in keiner Weise für meine Regierung verbindlich sein können. Ich übermittle Ihnen in der Beilage ein Memorandum, das Ihnen Auskunft gibt über die Besprechung, die am 9. März 19433 zwischen Sir Emerson, Herrn Dr. Kullmann und mir auf der Gesandtschaft stattfand. Meine Stellungnahme war zum Teil basiert auf Berichten, die mir Herr Dr. Rothmund zukommen liess4 und ich hoffe, dass ich mich in dieser nicht zu weit von Ihren eigenen Auffassungen entfernt habe. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir seinerzeit Ihre Ansicht kundgeben wollten.
Ich bin in dieser Flüchtlingsfrage auch schon von anderer Seite begrüsst worden, so sprach am 3. März ein Mitglied des Parlaments, Miss E. F. Rathbone, bei mir vor, die sich diesem Problem ganz besonders intensiv annimmt. Um Ihnen zu zeigen, in welcher Richtung Miss Rathbone und eine ganze Gruppe von Parlamentariern und anderer Personen operieren, übermittle ich Ihnen eine Dokumentation5, die mir Miss Rathbone seinerzeit überlassen [hat]. Ich habe auch ihr gegenüber betont, dass die Schweiz bezüglich der Flüchtlinge ihr Möglichstes tue und eine sehr hülfreiche Stellung einnehme, soweit dies ihre eigenen Landesinteressen erlauben. Von grosser Bedeutung in unserer Aktion wäre selbstverständlich eine Garantie, dass diejenigen Flüchtlinge, die wir bis anhin aufgenommen, spätestens am Ende des Krieges von Grossbritannien und den Vereinigten Staaten übernommen würden. Auch sei es von Wichtigkeit, dass wir heute schon die Zusicherung bekämen für die Übernahme derjenigen Flüchtlinge, die wir aus der Schweiz mit Zustimmung der Achsenmächte nach Spanien, Portugal oder ändern neutralen Staaten abtransportieren könnten. Je mehr man uns in dieser Hinsicht entgegenkomme, und Deutschland und Italien mit der Durchreise der Flüchtlinge durch ihre Territorien einverstanden wären, umso eher könnten wir weiterhin Verfolgten ein Durchgangsasyl gewähren. Auf die Frage, wie wir uns zu Kindern stellen, bemerkte ich, dass wir wohl noch eine gewisse Zahl von Kindern unbegleitet von Erwachsenen Aufnahme gewähren können, ich wisse allerdings nicht, wie es derzeit mit der Nahrungsfrage stehe, vielleicht dass diese und andere Erwägung unsere Regierung, die immer ein offenes Herz für Kinder gezeigt habe, eventuell eine grössere Zurückhaltung auferlegen.
Für morgen ist mir der Besuch des Amerikaners Sulzberger angesagt, der sich in philantropischer Weise der Flüchtlingsfrage intensiv angenommen hat und der auch einer Organisation grossen Stils in Amerika vorsteht, die schon wesentliche Geldmittel nach der Schweiz befördert hat. Ich werde Ihnen seinerzeit über dessen Besuch berichten.
Endlich möchte ich Ihnen melden, dass ich von Dr. Kulimann erfahren habe, Sir Emerson werde demnächst ein grösseres Memorandum zuhanden der Britischen Regierung ausarbeiten, worin er das ganze Flüchtlingsproblem eingehend behandeln wird. Ich habe Dr. Kullmann erneut unsere Lage klar gelegt und ihn ersucht, auch besonders zu betonen, dass für uns die Aufnahme der Flüchtlinge mit politischen Schwierigkeiten verbunden ist, namentlich wenn deren Zahl zu gross werden sollte oder wenn wir zu sehr auf finanzielle und andere Hilfe von Seiten der Alliierten angewiesen würden; in beiden Fällen könnten die Achsenmächte, wenn wir zu weit gingen, eine solche Stellungnahme zu politischen Zwecken gegen uns verwenden.
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Haltungen gegenüber Verfolgungen