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Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 14, doc. 273
volume linkBern 1997
Dettagli… |▼▶Collocazione
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E2300#1000/716#781* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 2300(-)1000/716 347 | |
Titolo dossier | Paris, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 95 (1942–1942) |
dodis.ch/47459
[...]2
Wie Sie wissen, sind seit dem 27. November3 abends die telephonischen und telegraphischen Verbindungen mit der Schweiz und durch die Schweiz unterbrochen. Ich habe ganz selbstverständlich alles irgendwie Mögliche getan, um gegen diesen völkerrechtswidrigen und unannehmbaren Eingriff anzukämpfen. Nachdem 4 Proteste im Aussenministerium nichts genützt hatten, verlangte ich vorgestern eine Audienz beim Regierungschef selber und überreichte ihm das in Kopie beiliegende Schreiben4. Mündlich legte ich einlässlich die Gründe dar, die, namentlich vom Standpunkt der Aufrechterhaltung des letzten Restes französischer Souveränität für die sofortige Beseitigung dieser Sperre sprechen. Laval gab mir ohne weiteres und ohne Einschränkung vollkommen recht. Noch in meiner Gegenwart erteilte er dem Admiral Platon den Auftrag, sofort bei dem hier kommandierenden deutschen General von Neubronn energisch vorstellig zu werden. Ferner liess er durch Herrn de Brinon in Paris bei Abetz Protest erheben. Er hat auch Krug von Nidda kommen lassen und dieser hat wirklich alles daran gesetzt, um die Massnahme zu beseitigen. Bis jetzt hatten alle diese Schritte keinerlei Erfolg. Heute liess ich durch Doktor Ménétrel auch den Marschall selber auf den Ernst der Situation aufmerksam machen. Ménétrel hat mir nahegelegt, eine Audienz beim Marschall selber nachzusuchen und ihm direkt die Situation darzulegen. Ich glaube, nach meinem Schritt beim Regierungschef, dies, vorderhand wenigstens, nicht tun zu sollen.
Meine Kollegen, die Länder vertreten, welche östlich der Schweiz liegen, sind von der Massnahme natürlich auch betroffen. Sie erhalten aber die an sie gerichteten Chiffretelegramme vom deutschen Generalkonsul (!) zugestellt und können ihrerseits offenbar über Italien telegraphieren. Der Telegrammverkehr mit Schweden und Finnland scheint über Paris zu gehen. Ich kann mich des Eindruckes nicht erwehren, dass diese von den deutschen Militärs angeordnete und allen Protesten zum Trotz bis jetzt aufrecht erhaltene Massnahme ausgesprochen gegen die Schweiz gerichtet ist, von der, wie ich soeben erfahre, die deutschen Kreise in Paris und die Pariserpresse täglich behaupten, sie sei ein Spionagezentrum schlimmster Sorte und es werde nicht mehr geduldet, dass im Zentrum der belagerten Festung Europa ungescheut die Geschäfte seiner Stellen besorgt wurden.
Sollte der jetzige Zustand weiter andauern, so stellt sich meines Erachtens sehr ernsthaft die Frage, ob ich weiter hier verbleiben kann. Ich weiss, dass sich auch mein schwedischer Kollege mit dem gleichen Problem befasst. Die Vertreter Latein-Amerikas haben zum grossen Teil, wie Sie wissen, ja bereits Stellung bezogen. Spanien und Portugal sind nicht betroffen, die Achsenfreunde werden selbstverständlich nichts tun und es bleibt dann nur noch die Türkei, deren Stellungnahme der hiesigen Botschaft unbekannt ist.
Überraschend und eigentlich niederschmetternd ist, mit welcher Passivität die grosse Mehrzahl der Franzosen die Demobilisierung der Armee und die Versenkung der Flotte aufgenommen hat. Wohl ist der Hass gegen die Deutschen ins Grenzenlose gewachsen, allein bei den offiziellen Stellen wird unumwunden zugegeben, dass man sich, namentlich in den kleinbürgerlichen Kreisen, einfach achselzuckend damit abfindet und dass die Hauptsorge nach wie vor nach Nahrung und Kino geht. Eine Minderheit, die wirkliche Elite des Landes, sie ist klein geworden, ist selbstverständlich grenzenlos niedergeschlagen und sinnt auf Abwehr und Rache.
Das Prestige des Marschalls hat seit dem 27. November weiter gewaltig verloren. Man wirft ihm vor, er hätte die Flotte retten können und sollen. Man wirft ihm vor, durch seine ständige Passivität die Deutschen zu immer brutaleren Herausforderungen geradezu zu veranlassen.
Es ist charakteristisch, dass die französischen Marinesoldaten in Toulon, bewacht durch deutsches Militär, auf Camions durch die Strassen geführt wurden und überall Hochrufe auf Darlan ausstiessen. Dessen Ansehen hat denn auch zweifellos stark zugenommen. Diejenigen Kreise, die noch zu Pétain halten, tun dies fast ausschliesslich deshalb, weil sie überzeugt sind, dass er im Grunde mit Darlan einig sei und die Deutschen täusche. Man findet dies «malin» und «épatant». Man glaubt in weiten Kreisen, er habe Darlan, Giraud, Noguès etc. nur zum Schein desavouiert. Es ist natürlich schwer zu sagen, ob und was daran wahr ist. Dass der alte Herr im Grunde seines Herzens nicht «collaborationniste» ist, scheint mir sicher zu sein. Anderseits glaube ich aber doch, dass er als Soldat die Widersetzung gegen seine Befehle äusserst ernst nimmt und unter keinen Umständen entschuldigt.
Unterdessen geschieht hier praktisch nichts. Laval wartet immer noch darauf, von Hitler empfangen zu werden, um mit ihm den Status des neu besetzten Frankreichs zu bestimmen. Pétain seinerseits will in den nächsten Tagen den Marschallvon Rundstedt kommen lassen, den Hitler bekanntlich ausdrücklich zu seiner Verfügung gestellt hat, um sich über eine Reihe unzulässiger Machenschaften der deutschen Armee, worunter auch die Unterbrechung in den Verbindungen mit der Schweiz, zu beklagen. Ich zweifle daran, dass Wesentliches dabei herauskommt. So lange man nicht entschlossen ist, das Letzte zu wagen, das heisst, mit der Abdankung des Staatschefs sehr ernsthaft zu drohen, dürfte kaum Wichtiges geändert werden. Laval sagte mir, er habe durch seine geduldige und unheroische Politik immerhin schon Wesentliches erreicht, nämlich, dass die Deutschen die zahlreichen Elsass-Lothringer, sowie die ehemaligen, aus deutschen Lagern entwichenen Soldaten, unbehelligt lassen. Er verweist auch mit Erfolg daraufhin, dass er, allem Geschrei und allen Drohungen der Pariserpresse zum Trotz, es abgelehnt habe und weiter ablehne, einen Doriot, Déat etc. ins Kabinett aufzunehmen. Er macht im Übrigen den Eindruck eines müden und resignierten Mannes, der aber unter allen Umständen ausharren will. Sobald man ihm irgend etwas Freundliches über Frankreich sagt, hat er die Tränen in den Augen.
- 1
- E 2300 Paris/94.↩
- 2
- Le 27 novembre, la flotte française rassemblée à Toulon et commandée par l’amiral de Laborde, s’est sabordée pour échapper au contrôle de la Wehrmacht qui venait de s’emparer du port. Les jours suivants, l’armée française d’armistice a été désarmée et dissoute par l’occupant.↩
- 3
- Cf. No 262 et annexe.↩
- 4
- Non retrouvé.↩
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Telecommunicazione Governo di Vichy