Classement thématique série 1848–1945:
2. RELATIONS BILATÈRALES
2.20. SOLVAQUIE
Imprimé dans
Documents Diplomatiques Suisses, vol. 14, doc. 251
volume linkBern 1997
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E2300#1000/716#836* | |
Ancienne cote | CH-BAR E 2300(-)1000/716 370 | |
Titre du dossier | Prag, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 5 (1940–1943) |
dodis.ch/47437 Le Consul général de Suisse à Bratislava, M. Grässli, au Chef du Département politique, M. Pilet-Golaz1
Mehrfach hatte ich Gelegenheit, Ihnen über die Massnahmen zu berichten, die hierorts gegen die Juden getroffen worden sind2. Es ist das Bestreben derjenigen Kreise, die mit allen Mitteln die Gunst der Schutzmacht Deutschland zu erwerben sich bemühen, die Slowakei innert möglichst kurzer Frist von sämtlichen jüdischen Elementen zu «säubern». Diese Bemühungen haben jedoch, vom deutschen Standpunkt aus gesehen, einen sehr materiellen Hintergrund. Als ich vor etwa zwei Wochen von dieser Angelegenheit aus italienischen diplomatischen Kreisen zum ersten Mal hörte, wollte ich meinen Ohren nicht trauen. Inzwischen wurde mir jedoch alles von höheren Beamten sowohl der slowakischen Nationalbank als auch vom Ministerium des Äussern bestätigt und ich beehre mich, Ihnen hierüber folgendes zu berichten:
Für jeden aus der Slowakei «ausgesiedelten» Juden hat die slowakische Regierung unter dem Titel «Transportentschädigung» eine Summe von 500 RM, d.h. etwas mehr als 6000 Ks, zum offiziellen Kurs umgerechnet, an Deutschland zu bezahlen. Die ganze Aktion wird somit bei einem Bestand von etwa 70000 bereits ausgesiedelten oder noch zu verschickenden Juden die runde Summe von ungefähr 400 Millionen Ks ausmachen. Diesen Betrag hat die Slowakei im Clearingwege zu bezahlen, d. h. es wird von den slowakischen RM-Guthaben in Deutschland, herrührend aus der Lieferung meist lebenswichtiger slowakischer Erzeugnisse, der Gegenwert von 400 Millionen Ks einfach gestrichen.
Diese Regelung wurde zwischen dem deutschen Gesandten und Herrn Ministerpräsident Tuka mündlich vereinbart. Mein Gewährsmann im Aussenministerium, Chef einer wichtigen Abteilung, erhielt davon erst durch eine Note der deutschen Gesandtschaft Kenntnis, welche sich auf diese mündlichen Vereinbarungen bezog und Bezahlung einer ersten Tranche von 260 Millionen Ks anmahnte, in Anbetracht der bereits verschickten oder auf dem Transport befindlichen Anzahl von Juden. Es ist natürlich verständlich, dass in Kreisen slowakischer Patrioten schwere Erbitterung über dieses «Geschäft» herrscht. Früher seien slowakische Juden, wie mir mein Gewährsmann versicherte, in Arbeitslager gesteckt worden und hätten nützliche Arbeit für die Slowakei, wie z.B. Strassenbau geleistet. Heute werden sie auf deutsches Verlangen verschickt, wobei die alten, arbeitsunfähigen Leute in Lagern im General-Gouvernement untergebracht werden, während die arbeitstauglichen Juden meist im Sudetengebiet für deutsche Interessen eingesetzt werden. Hiefür hat die Slowakei nicht nur 500 RM pro Kopf zu bezahlen, sondern sie wird noch gezwungen, zur Abtragung dieser «Schuld», lebenswichtige Produkte zu liefern. Mit grösster Erbitterung stellen die zuständigen Kreise fest, dass man eben nicht gegen den Strom schwimmen kann, sondern gezwungen ist, sich auf diese Weise in das «neue Europa» einzuordnen.
Der slowakische Innenminister und stellvertretende Ministerpräsident, Alexander Mach, begab sich jüngst auf Einladung des deutschen Innenministers Frick auf eine mehrere Tage dauernde Deutschlandreise. Dem Vernehmen nach sollen die deutschen Kreise Herrn Mach, über den die eigenen Kollegen in der Regierung sich in Worten äussern, die ich hier nicht wiederholen möchte, auf das Interesse aufmerksam gemacht haben, das die Slowakei an einem «judenreinen Staat» hat.
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République slovaque (1939-1945)