Classement thématique série 1848–1945:
2. RELATIONS BILATÈRALES
2.4. CROATIE
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 14, doc. 168
volume linkBern 1997
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2400#1000/717#1064* | |
Old classification | CH-BAR E 2400(-)1000/717 467 | |
Dossier title | Zagreb (1939–1945) |
dodis.ch/47354
Das schweizerische Interessengut ist in einem grössern Staat schwer zu überblicken. Die Kenntnisse des schweizerischen Konsulates in Zagreb, soweit sie sich auf amtliche Erfassung stützen konnten, waren unter dem jugoslawischen Regime sehr lückenhaft. Jedenfalls liess die wirtschaftliche Struktur der Kolonie in keiner Weise die Bedeutung des vorhandenen Kapitals erkennen. Bekannt waren in der Hauptsache nur Unternehmen mit ausgesprochen schweizerischem Namen oder solche, die sich im Besitze oder unter der Leitung von Koloniemitgliedern befanden wie Dr. A. Wander A.G., Nestlé Produkte A.G., die Handelsfirma Julio Schmidlin & Co. und die beiden Textilbetriebe Emil Bachmann & Co. und Gewebe S.A.M. AloisMüller, alle in Zagreb. Einzig diese Unternehmen unterhielten zum Konsulat ständige Beziehungen. Sie stellen aber nur einen kleinen Teil des gesamten schweizerischen Kapitalbesitzes in Kroatien dar. Der grosse schweizerische Aktienbesitz verteilt sich namentlich auf Industrien der Holz-, Textil- und Zementbranche, wie zum Beispiel auf die
Nasicer Tanninfabrik und Dampfsäge A.G., Zagreb
CROATIA Holzindustrie A.G., Zagreb
DRACH Holzindustrie A.G., Sisak-Caprag
Tvornice za pamucnu industriju, Zagreb
Vaterländische Baumwollwebereien und Spinnereien, Dugaresa
Aktiengesellschaft MEZ, Zagreb
CROATIA Zementindustrie, Zagreb
FULD A.G., Telephoneinrichtungen, Zagreb
UGROVACA Minen A.G., Zagreb
Thonet Mundus, Stahlmöbel, Varazdin2.
Die schweizerischen Beteiligungen an diesen Unternehmen gehen in einige Milliarden Kuna und können, ihrem realisierbaren Werte nach, auf 50 bis 100 Millionen Schweizerfranken geschätzt werden. Erst die Notlage, in welche dieses Interessengut infolge des politischen Umschwunges geraten ist, offenbarte die Herkunft dieses Geldes aus der Schweiz. Ein richtiger Kontakt mit der schweizerischen amtlichen Vertretung fehlte; das wirkte sich in den meisten Fällen sehr nachteilig aus. Der Abschnitt Rechtsschutz führt einige aber nicht alle Beispiele an. Nicht gesprochen wurde unter anderm von der Grosstextilindustrie in Dugaresa, deren jüdische Direktoren sich einfach vor der Gewalt beugen mussten. Anderes Schweizereigentum hat den Schutz des Konsulates erst nachgesucht, als es schon spät oder zu spät war. Es lohnt sich, die Gründe dieses Verhaltens näher zu untersuchen.
Abgesehen von den im Besitz oder unter der Leitung von Mitgliedern der Kolonie stehenden Firmen arbeitet einzig die Holzhandels A.G. in Zagreb mit Kapital, dessen Eigentümer, Herr Dr. RudolfBosshard in Zürich, auch gleichzeitig ausschliesslicher Besitzer ist. Sonst befindet sich das gesamte Kapital in Händen schweizerischer Banken, Holdinggesellschaften und anderen Anonymen. So gerät die Verwaltung bedeutenden schweizerischen Interessengutes in Hände, welche die Verwaltung, wenn nicht ausschliesslich, so doch in erster Linie vom Gesichtspunkt ihrer Dividendenpolitik ausüben. Einzelne übertragen die Verwaltung ganz einer Treuhandgesellschaft, andere beauftragen Mitglieder des Verwaltungsrates alle Jahre ein oder zweimal mit Buchrevisoren und gelegentlich auch zur Besprechung und Ausführung wichtiger Transaktionen, meistens finanzieller Art. Die administrative und kommerzielle Leitung überlassen sie Einheimischen (Kroaten, Serben, Slowenen und Bosniaken) oder gar Ausländern (Reichsdeutschen, Ungarn usw.), die mehrheitlich getaufte oder ungetaufte Juden waren. Es darf nicht verwundern, dass solche Leute keinen besonderen Anlass haben, mit dem schweizerischen Konsul Fühlung zu nehmen und zu behalten. Anderer Verkehr und andere Interessen liegen ihnen näher. Wenn das Schweizereigentum durch ihre Geschäftsführung zu kurz kommt, so haben sie erst recht Grund, das Konsulat zu meiden, es sei denn, sie wollten sich hinter ihm verstecken.
Wie sich dies alles nach dem politischen Umsturz psychologisch und rechtlich auswirken musste, kann ein Blinder sehen. Einschneidende Inlandgesetze wurden auf die charakterisierten Unternehmen angewendet, weil sie nach aussen ein inländisches und oft genug jüdisches Gesicht trugen. Einzelne hatten nicht einmal Zeit, sich als ausländische Firma oder Unternehmen mit ausländischem Kapital zu legitimieren, bevor nicht mehr wieder gutzumachender Schaden entstund. Wäre die kaufmännische oder auch nur technische Geschäftsleitung schweizerischen Händen anvertraut gewesen, hätte zwischen den Direktionen und dem schweizerischen Konsulat zum voraus eine auf abgeklärte Tatsachen beruhende Verbindung bestanden, so wäre bedeutend weniger Porzellan zerschlagen worden. Ein etwas zu sorgloser und vor allem zu wenig vorausschauender Kapitalismus und wirtschaftlicher Liberalismus hat hier eine teure Lektion erteilt bekommen.
Dies ist die eine Seite dieses Problems. Der anderen wendet sich ein Interesse zu, dass die schweizerischen Behörden und die Öffentlichkeit in den letzten Jahren viel beschäftigt hat. Tausende von jungen, wohl ausgebildeten und unternehmungslustigen Ingenieuren, Technikern, Spezialarbeitern und namentlich Kaufleuten warten vergeblich auf Gelegenheit zu weiterer Ausbildung im Ausland. Andere, erfahrene Kräfte, haben ihre Stellungen dort verloren. Es sollte fürwahr Mittel und Wege geben, das im Ausland arbeitende schweizerische Kapital dazu zu bringen, sich dieser jungen oder reifen Landsleuten zu bedienen, um ihre Positionen im Auslande zu festigen. Der Schutz schweizerisehen Kapitals würde den auswärtigen Vertretungen leichter fallen, wenn sie anstatt mit Ausländern mit ihren eigenen Leuten Zusammenarbeiten könnten. Es sollte nicht die Regel, sondern die Ausnahme sein, dass ausländische Direktoren und Angestellte von Schweizerunternehmungen den schweizerischen Konsul um Hilfe anrufen, sei es auch nur oder zur Hauptsache, um ihre persönliche Existenz zu retten.
Irrtum Vorbehalten ist im Politischen Departement wiederholt geprüft worden, ob schweizerisches Interessengut finanzieller Art im Auslande nicht bei den zuständigen amtlichen Vertretungen registriert werden sollte. Im Lichte der neugesammelten Erfahrungen wird diese Frage zweifellos erneute Aufmerksamkeit finden. Wenn auch das Problem einige schwierige Fragen aufwirft, so sollte es doch glücken, die beiden Erfordernisse, nämlich bessere Schutzmöglichkeit schweizerischen Kapitals und Schaffung vermehrter Beschäftigungsmöglichkeiten schweizerischer Arbeitskräfte im Auslande, aufeinander abzustimmen und sie auf das Kriegsende hin einer praktischen, gemeinschaftlichen Lösung entgegenzuführen. Selbst wenn die so hinderlichen fremden-, arbeitsund devisenpolizeilichen nationalen Schranken nicht fallen sollten, dürfte es doch möglich sein, für Schweizer zumindest Aufenthaltsbewilligungen zu erwirken. Auf deren Grund könnten sie immerhin, Besoldung durch das schweizerische Mutterhaus in der Schweiz vorausgesetzt, einem Betrieb das fehlende schweizerische Gesicht geben und zwischen den abwesenden schweizerischen Eigentümern, der an Ort und Stelle eingesetzten Direktion und dem Konsulat nützliche Vertrauensarbeit leisten. Dies würde sich in den meisten Fällen bezahlt machen.Nachtrag.
Der hartnäckige Widerstand gegen die eigenmächtigen Übergriffe des Finanzministers auf schweizerisches Kapital3 ist nicht ohne Erfolg geblieben. Die von den Herren Rechtsanwalt Lachenal und Bankier Vidoudez unternommenen Proteste sowie die Unterstützung des Konsulats haben sich in ihrer nachträglichen Wirkung vertieft4. Mittelbar und unmittelbar ist jede Gelegenheit benützt worden, um in massgeblichen Kreisen Bedeutung und Schutzwürdigkeit schweizerischen Interessengutes volle Anerkennung zu verschaffen. Neben ändern amtlichen und privaten Stützen sind es der Handelsminister Dr. Toth und sein Staatssekretär Professor Lamer sowie namentlich Feldmarschall Kvaternik, der Vorsitzende des Wirtschaftsrates, welche für diese Sinneswandlung zugunsten der Schweiz verantwortlich sind. Finanzminister Dr. Koschak sieht sich in seiner Eigenmächtigkeit eingeengt. Er hat am 6. März 1942 den schweizerischen Konsul empfangen und ihm die Versicherung abgegeben, dass er inskünftig bei Massnahmen gegen schweizerisches Interessengut den Verhandlungsweg beschreiten werde. Die Zukunft wird lehren, wie ernst er es damit meint. In der gleichen Audienz beauftragte er den Berichterstatter, die schweizerischen Eigentümer der Nasicer Tanninfabrik und Dampfsäge A.G. zur Entsendung bevollmächtigter Unterhändler einzuladen, um mit diesen in Zagreb über eine Abfindung durch den kroatischen Staat zu verhandeln.
Damit darf die dem Konsulat übertragene Aufgabe in der Hauptsache als erfüllt betrachtet werden. Die Taktik der einseitigen Aktionen ist, wenigstens vorläufig, durch eine solche gegenseitiger Verhandlungen abgelöst worden. Schweizerisches Interessengut steht - Verschlimmerung der Gesamtlage Vorbehalten - besser geschützt da. Und die Schweiz sowie ihre amtliche Vertretung haben einen Prestigegewinn zu buchen, der in einem Staate, dessen Interessen einseitig auf die Achsenmächte ausgerichtet sind, nicht ganz selbstverständlich
- 1
- (Copie): E 2400 Zagreb/4.↩
- 2
- Sur ces entreprises et les sociétés suisses qui les possèdent ou les contrôlent, cf. notamment E 2001 (E) 1967/113/465, E 2200 Zagreb 2/1 -2 et E 2200 Zagreb 1967/118/4 -7.↩
- 3
- L’Association suisse des Banquiers a établi, en date du 10 mars 1942, un inventaire des valeurs mobilières croates détenues par des Suisses et des valeurs mobilières croates détenues par des personnes étrangères, mais déposées dans des banques suisses, ainsi que pour les valeurs concernant des sociétés situées dans des territoires incorporés à l’Italie et au Reich. E 2001 (D) 2/268.↩
- 4
- Sur cette société, cf. E 2001 (E) 1968/78/298, E 2001 (E) 1967/113/487 et E 2200 Zagreb 2/2. Cf. aussi ci-dessous No 400.↩
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