Seit der Verdrängung Englands vom Kontinent hiess es allgemein in hiesigen Kreisen, dass tschechische Volk setze alle seine Zukunftshoffnungen auf einen deutsch-russischen Krieg. Nun, wo dieser Wirklichkeit wurde2, ist die Nachricht ohne Enthusiasmus vielmehr mit einem gewissen Gleichmut aufgenommen worden. Diese Reaktion erweist, dass die Russophiiie der Tschechen zwiespältiger Natur war. Der russische Krieg zeigt auch zum erstenmal Ansätze eines psychologischen Schwankens der Tschechen: sie wünschen den russischen Krieg aber nicht den russischen Sieg. Die breiten Schichten haben sich offenbar nie mit dem Kommunismus befreundet. Dies trifft nicht nur für die Intelligenz zu, deren Wunsch nach Wiedererrichtung der Tschechoslovakei durch ihre Furcht vor einer «Befreiung» durch den Bolschewismus gelähmt wurde, sondern auch für die Mehrzahl der Bauern, Kleinbürger und sogar Arbeiter, die in den Traditionen des Privateigentums und herkömmlichen Wohllebens aufgewachsen, vor dem Terror und der Verelendung eines bolschewistischen Regimes im innersten Scheu und Furcht empfinden.
Präsident Hacha hat anlässlich des Kriegsausbruches eine Erklärung über die Haltung des tschechischen Volkes abgegeben. Wie Sie aus beiliegendem Text3 ersehen, bezeichnete er die Abrechnung mit dem Bolschewismus als einen historischen Markstein in der Geschichte Europas. Ausdrücklich erklärte er, dass für das tschechische Volk eine bolschewistische Orientierung seiner historischen und kulturellen Entwicklung fremd sei und es sich daher, getreu seiner Geschichte, in diesem Moment für Europa entscheide. Weitere Schritte in dieser Richtung liegen in der Luft; sie sollen die anti-bolschewistische Solidarität unterstreichen und die künftige Position des tschechischen Volkes im Reich und Europa vorbereiten und festigen.
Die konsequente Haltung der Schweiz, die von 1918 bis zur Stunde stets die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Russland ablehnte, findet nun vermehrtes Interesse und Beachtung, desgleichen meine Hinweise auf das Verbot der kommunistischen Partei und den Ausschluss ihrer Vertreter aus eidgenössischen und kantonalen Räten4.
Was den Kampf selbst anbetrifft, so herrscht Einmütigkeit darüber, dass die weit überlegene deutsche Armee den Sieg davontragen wird. Die Frage dreht sich einzig darum, wieviel Zeit dafür benötigt wird, oder mit anderen Worten, wann die deutsche Luftwaffe, von der starke Kräfte an der russischen Grenze immobilisiert waren, in ihrer Totalität zum Einsatz gegen England gelangen werde.