Classement thématique série 1848–1945:
6. POLITIQUE ET ACTIVITÉS HUMANITAIRES
6.2. POLITIQUE FACE AUX RÉFUGIÉS ET AUX JUIFS
6.2.1. GÉNÉRALITÉS
Également: La réponse de Rothmund a confirmé Rappard dans ses craintes: des réfugiés - et vraisemblablement aussi des réfugiés politiques allemands - ont été livrés par la Suisse aux autorités françaises. Rappard y voit une violation manifeste de la tradition du droit d’asile. Annexe de 28.6.1941
Pubblicato in
Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 14, doc. 67
volume linkBern 1997
Dettagli… |▼▶Collocazione
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#J1.149#1977/135#83* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR J 1.149(-)1977/135 42 | |
Titolo dossier | Ras-Rouf (1930–1958) | |
Riferimento archivio | 1 |
dodis.ch/47253
Le Chef de la Division de Police du Département de Justice et Police, H. Rothmund, au Professeur W. Rappard1
Ich beeile mich, Ihnen in Beantwortung Ihres gestrigen Schreibens2 über die Rückstellung politischer deutscher Flüchtlinge nach Frankreich, die von dort aus in die Schweiz übergetreten sind, folgendes mitzuteilen:
Von den als Folge des letzten Weltkrieges, insbesondere auch der russischen Revolution und der Friedensverträge, in die Hunderttausende gehenden staatenlos Gewordenen ist es vielen Tausenden nicht gelungen, sich irgendwo in Europa neu festzusetzen. Frankreich hatte wohl, zunächst wegen der riesigen Verluste von Menschen durch den Krieg und für den Wiederaufbau, neben den durch staatliche Abmachungen hinzugezogenen, hauptsächlich polnischen, italienischen und tschechischen Arbeitern hunderttausende von Staatenlosen aufgenommen. Als der Arbeitsmarkt infolge des wirtschaftlichen Niedergangs übersättigt war, hat es nicht nur die Grosszahl der regulären ausländischen Arbeiter - in übrigens nicht sehr schöner Weise - wieder abgestossen, sondern hat auch die Staatenlosen vom Arbeitsmarkt verdrängt und viele davon dadurch in die Notwendigkeit versetzt, in einem ändern Lande eine Bleibe mit Aussicht auf wirtschaftliches Fortkommen zu suchen. Gelegentliche Ablenkungsmanöver der Regierung durch Ausländerhetzen, um ihre Unfähigkeit auf politischem und wirtschaftlichem Gebiet zu vertuschen, haben in erster Linie die Lage der Staatenlosen, die niemanden im Rücken hatten zur Vertretung ihrer Interessen, immer wieder verschlimmert. Daraus entstand, sobald sich die erste, durch den letzten Weltkrieg und seine Folgen ausgelöste grosse Wanderungsbewegung einigermassen gesetzt hatte, eine neue Unruhe. Die Staatenlosen wurden auch von ändern Ländern zur Gründung einer neuen Existenz nicht mehr aufgenommen. So wurden tausende von ihnen von Land zu Land geschoben, von denen viele moralisch zugrunde gingen und beim Verbrechen endeten. Die Schweiz war in einer ganz besonders schlimmen Lage als Durchgang West-Ost und Ost-West. Wir konnten selbstverständlich im Zuge der Lösung unserer fremdenpolizeilichen Aufgabe des Kampfes gegen die Überfremdung solche Ausländer nicht bei uns aufnehmen, waren jedoch wenigstens in dem Punkt anständiger als alle hier in Betracht fallenden Länder inklusive Frankreich, indem wir auch dem durchwandernden Ausländer die Reise bezahlten, oft bis zum nächsten wichtigen ausländischen Zentrum; das Weiterschieben, auch illegal über eine nachbarliche Grenze, mussten wir aber wohl oder übel besorgen wie unsere Nachbarn.
Solange von Westen und von Osten Zuschiebungen solcher Elemente nach der Schweiz erfolgten, war es uns nicht möglich, mit nur einer Seite eine Abmachung einzugehen, die dies ausschliessen sollte, obgleich wir uns der Unhaltbarkeit dieses Zustandes voll bewusst waren, gerade im Hinblick auf unsere Asyltradition. Denn unter diesen Staatenlosen befanden sich immer zahlreiche politische Flüchtlinge im weitesten Sinne des Wortes.
Als die nationalsozialistische Revolution in Deutschland einsetzte, wurde das Problem noch akuter. Wenn durch eine besondere Verfügung der Bundesanwaltschaft auch als politischer Flüchtling3 im engsten Sinne des Wortes nur der anerkannt wurde, der wegen unmittelbarer politischer Verfolgung direkt aus dem Lande zu uns kam, in dem er dieser ausgesetzt war, die nur aus Rassegründen zu uns Geflüchteten also aus diesem engen Begriff ausschieden, so konnten wir trotzdem diesen auch nicht zumuten, in ihr Aufenthaltsland zurückzukehren. Leider haben unsere Sozialdemokraten, was bei den Kommunisten ja selbstverständlich war, nicht rechtzeitig begriffen, dass wir nicht in der Lage sein würden, auch nur den politischen Flüchtlingen im engsten Sinne des Wortes je die Möglichkeit zu geben, sich in der Schweiz eine neue Existenz zu gründen. Sie haben gegenteils diese Leute veranlasst, bei uns zu bleiben, aus Opposition gegen die gewiss weitsichtigen Absichten der Fremdenpolizei und aus doktrinärer Einstellung zum Asylbegriff. Dass sie Gefahr liefen, damit die Hauptsache daran, nämlich unser Asylrecht zu Tode zu reiten, sahen sie nicht ein. Sie haben dabei nicht einmal die Interessen der Menschen berücksichtigt, von denen dann zahlreiche das Opfer einer letzten Endes abwegigen politischen Ideologie geworden sind. Hätten sie nämlich von allem Anfang an klar gesehen, so hätten sie uns geholfen, diese politischen Flüchtlinge rechtzeitig in Länder überzuführen, die ihnen hätten ermöglichen können, eine neue Existenz zu gründen. Sie erreichten aber immerhin das, dass wir nun recht zahlreiche politische Flüchtlinge im engern und im weitern Sinne des Wortes in die Kriegszeit «hinübergerettet» haben. Es hat ihnen keinen Eindruck gemacht, dass dadurch schon vor dem Krieg in einzelnen Fällen unser Asylrecht durch Auslieferungsbegehren Deutschlands auf die Probe gestellt wurde. Wir haben die Probe zwar bestanden, indem wir gleich beim ersten Fall, unter Hinweis auf den Auslieferungsvertrag, die Auslieferung unter kaltschnäuziger Berufung darauf abgewiesen haben, dass es sich unserer Ansicht nach um einen politischen Fall handle. Wir haben uns auch sonst von allem Anfang an jede Einmischung in die Behandlung von bei uns weilenden Flüchtlingen kategorisch verbeten und waren und sind entschlossen, das Asylrecht zu behaupten, das aber nur darin besteht, dass wir jede Auslieferung eines politischen Flüchtlings verweigern, diesem selbst jedoch weder ein Recht auf Aufnahme noch ein solches auf längeren Aufenthalt geben.
Frankreich hatte sich, trotz der Erfahrungen, die es mit dem Massenzustrom von Ausländern infolge des letzten Weltkrieges gemacht hatte, wiederum «liberal grosszügig» gezeigt den Flüchtlingen aus dem nationalsozialistischen Deutschland und denen aus dem spanischen Bürgerkrieg gegenüber und hatte wohl einige hunderttausend solcher Ausländer aufgenommen. Wir hatten nicht nur schweizerischer Kritik gegenüber, sondern auch bei den Diskussionen an den Flüchtlingskonferenzen des Völkerbundes in Genf4 jeweils das Vergnügen, uns das liberale Frankreich als Beispiel vor Augen führen zu lassen mit hämischen Hinweisen auf unsere Tradition, wenn wir angesichts der Grösse des Problems von allem Anfang an den Standpunkt vertraten, es könne niemand von uns verlangen, mehr zu tun als wir voraussichtlich in der Lage wären, auch richtig und würdig durchzuführen. Ich kann Sie versichern, sehr verehrter Herr Professor, dass es in den vergangenen Jahren allerhand Resistenzfähigkeit und sogar Robustheit bedurfte, sich nach innen und aussen in dieser Richtung zu behaupten. Wir dürfen aber heute trotzdem sagen, dass wir nichts versäumt haben, unserer wohlverstandenen Tradition Ehre zu machen, müssen uns gegenteils die Frage stellen, ob wir nicht bei der Zulassung der jüdischen Flüchtlinge im schwierigen Jahr 19385 doch noch zu schwach gewesen sind. Auf jeden Fall ist eines klar: neue Flüchtlinge können wir nicht aufnehmen.
Beim Zusammenbruch Frankreichs, vor einem Jahr, hat sich die Frage noch anders und viel schwerwiegender gestellt6. Der Waffenstillstand Deutschland-Frankreich enthält eine Klausel, wonach Frankreich verpflichtet wird, politische Flüchtlinge an Deutschland auszuliefern. Wir mussten selbstverständlich erwarten, dass mit Auslieferung Gefährdete den Versuch machen würden, nach der Schweiz auszuweichen. Die Frage stellen hiess sie auch sofort dahin beantworten, dass die Belastung unseres Asylrechtes unserem nördlichen Nachbarn gegenüber, wie aus den obigen Ausführungen hervorgeht, an der oberen Grenze angekommen war, sodass jede Zulassung neuer Positionen, namentlich solcher aus Frankreich, untragbar wäre. Es sind in der Tat dann auch einige Gesuche früher in Deutschland hochgestellter Persönlichkeiten an uns gelangt, die wir abgewiesen haben. Hätten wir sie zugelassen, so wäre unser Asylrecht auf eine Probe gestellt worden, die es kaum hätte bestehen können. Das hätte zur Folge gehabt, dass es wahrscheinlich auch für die sehr zahlreichen schon vor dem Krieg zu uns Gekommenen nicht mehr hätte spielen können.
Da Frankreich, wie vorausgesehen werden musste, der einzige Weg ist, auf dem wir Flüchtlinge noch nach Übersee weiterbringen können, haben wir schon 1938 die Parole ausgegeben7, es sollen illegale Überstellungen von Ausländern nach Frankreich unterbleiben, weil wir sonst riskiert hätten, dass uns der Weg auch für die legale Durchreise durch dieses Land versperrt würde. Als dann der Zusammenbruch Frankreichs kam, mussten wir befürchten, von diesem Lande her mit neuen Flüchtlingen überschwemmt zu werden, wenn wir uns nicht selbst die Disziplin auflegten, alles zu tun, um illegale Übertritte nach Frankreich zu verhüten. Wir sind durch diese Vorsicht dazu gekommen, dass uns Frankreich die von dort illegal in die Schweiz übergetretenen Ausländer offiziell wieder abnimmt. (Ich bitte Sie, diese Mitteilung vertraulich zu behandeln.) So haben wir nach ständigem zielbewusstem Arbeiten heute wenigstens Ruhe vor einem neuen Zustrom von unerwünschten ausländischen Elementen und können uns intensiv mit der Behandlung der ja viel zu zahlreichen sich schon im Lande befindenden befassen. Diese bringen uns immer grössere Sorgen, schon weil wir erwarten müssen, dass wohl bald keine mehr nach Übersee gebracht werden können, und in Rechnung stellen müssen, dass das für einige Jahre nicht möglich sein wird. Wir werden deshalb wahrscheinlich auch unsere Arbeitslager für Emigranten8 noch nach anderen Gesichtspunkten ausbauen müssen als sie heute bestehen.
Mit diesen Ausführungen dürfte Ihre Frage grundsätzlich beantwortet sein. Ich nehme an, es sind Ihnen einige Fälle von Rückstellung nach Frankreich zu Ohren gekommen von Nichtfranzosen, die vor einem Jahr, mit den französischen Militärflüchtlingen, als zivile Flüchtlinge nach der Schweiz kamen und zu deren Rückübernahme sich die französische Regierung nach langen Unterhandlungen erst heute bereit erklärt hat. Es ist mir nicht gegenwärtig, ob sich deutsche politische Flüchtlinge darunter befanden. Sollte dies aber der Fall sein oder sollten neue solche aus Frankreich nach der Schweiz kommen, so bliebe uns nur deren Rückstellung übrig.
Ich habe den Versuch gemacht, Ihnen einen kurzen Überblick über das ganze Problem zu geben, der natürlich nicht vollständig sein kann. Da mir sehr viel daran liegt, dass Sie unsere Politik kennen und verstehen können, stehe ich Ihnen gerne gelegentlich zu einer Besprechung zur Verfügung, wenn Sie Ihr Weg einmal nach Bern führt9.
- 1
- Lettre: J.I.149 1977/135/42.↩
- 2
- Dont voici le texte: De divers côtés on me signale que des réfugiés politiques d’origine allemande qui, de France, s’étaient sauvés en Suisse sans papiers, étaient ces derniers temps rendus à la France. Comme ce pays n’est sans doute pas en mesure de prendre de garantie à leur sujet, on s’inquiète que de tels malheureux puissent en définitive être livrés, par une suite indirecte mais incontestable de l’action de notre gouvernement, à leur pays d’origine dont ils redoutent les réactions administratives. Comme je n’ai personnellement aucune connaissance d’un cas de ce genre et que j’ai quelque peine à croire que nos autorités se soient volontairement écartées de leur tradition en fait de droit d’asile politique, je vous serais infiniment obligé de bien vouloir m’éclairer à ce sujet pour me mettre en mesure d’éclairer ceux qui s’adressent à moi. Je suis pleinement conscient de mon importunité, puisqu’il va sans dire que cette affaire ne me regarde pas plus que n’importe quel autre citoyen suisse. Mais puisque, pour une raison qui m’échappe, de nombreux réfugiés et de leurs amis ici me font l’honneur de me considérer comme l’un de leurs champions, je ne me sens pas libre de me dérober aux responsabilités que cela comporte. Et, d’autre part, je ne vois pas ce que je pourrais faire d’utile en l’occurrence si ce n’est de vous informer des bruits qui courent, pour me permettre si possible de les démentir en votre nom (J.I.149 1977/135/42).↩
- 3
- Cf. DDS, vol. 10, doc. 257, dodis.ch/45799 et annexe.↩
- 4
- Cf. DDS, vol. 12, doc. 114, dodis.ch/46374 et E 2001 (D) 4/41.↩
- 5
- Cf. DDS, vol. 12, table méthodique: IV.1: La Suisse et l’immigration juive.↩
- 6
- Cf. DDS, vol. 13, doc. 311, dodis.ch/47068 et annexes. Cf. notamment le cas de R. Hilferding, E 2001 (D) 2/112.↩
- 7
- Cf. DDS, vol. 12, doc. 365, dodis.ch/46625.↩
- 8
- Cf. No 153 ci-dessous.↩
- 9
- En annexe au présent document, nous reproduisons la lettre de réponse de W. Rappard, datée du 28 juin.↩
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Atteggiamenti di fronte alle persecuzioni