Classement thématique série 1848–1945:
VI. AFFAIRES DE PRESSE, CENSURE, PROPAGANDE ET OPINION PUBLIQUE
Pubblicato in
Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 13, doc. 421
volume linkBern 1991
Dettagli… |▼▶Collocazione
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E2300#1000/716#125* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 2300(-)1000/716 66 | |
Titolo dossier | Berlin, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 41 (1940–1940) | |
Riferimento archivio | 19 |
dodis.ch/47178
Le Chargé d’affaires ad interim de Suisse à Berlin, F. Kappeler, au Chef du Département politique, M. Pilet-Golaz1
Bereits in meinem Telegramm vom 2. dieses Monats2
wies ich anlässlich der deutschen Pressepolemik wegen des in der «Neuen Zürcher Zeitung» vom 28. November erschienenen Berichts aus London3 darauf hin, dass es dringend notwendig sei ernsthafte Anstrengungen zu machen, um zu einem besseren Verhältnis zu Deutschland zu kommen. Gewiss hat Ihnen Herr Minister Frölicher darüber mündlich ausführlich berichtet. Ich halte es aber für meine Pflicht auch meinerseits zum Ausdruck zu bringen, wie sehr die täglich sich erneuernden Eindrücke, die man als Vertreter der Schweiz hier empfängt, die Notwendigkeit und Dringlichkeit solcher Bemühungen immer wieder ergeben, dete London er Bericht war nur der letzte Anlass, der die angesammelte Unzufriedenheit zum Ausbruch brachte. Gewiss, so offen wie in der Zeit, als man sich noch stark fühlte und auf das Recht der Pressefreiheit pochte, wagt man die Deutschfeindlichkeit nicht mehr zu betreiben. Aber bei der übergrossen Empfindlichkeit, die durch die früheren Fehler unserer Zeitungsschreiber in Deutschland nun einmal gegenüber der Schweiz und der Schweizerpresse vorhanden ist, reagiert man hier auch auf die versteckten Bosheiten und auf alle Anzeichen einer von der englischen Propaganda beeinflussten Einstellung sehr stark. Die Folge davon ist, dass die uns feindlich gesinnten Kreise immer wieder neuen Auftrieb erhalten. Selbst die der Schweiz gegenüber stets sehr freundschaftlich eingestellte «Frankfurter Zeitung» schrieb am Montag, wenn nicht der Anstand, so sollte wenigstens die Klugheit die Schweiz veranlassen, Äusserungen zu vermeiden, die hier verletzen. Auch die der Schweiz gegenüber sonst immer freundlich eingestellte «Deutsche Allgemeine Zeitung» äusserte sich sehr scharf.
Von allen Seiten, auch von Leuten, die in keiner Weise voreingenommen oder einseitig sind, bekomme ich immer wieder zu hören, wie sehr die trotz allen Bemühungen hier eben doch als englandfreundlich empfundene Haltung der Schweizer Presse unserem Land schade und Feindseligkeit erzeuge4.
Es handelt sich aber keineswegs nur um ein Presseproblem. Die ganze Einstellung der schweizerischen Öffentlichkeit gegenüber dem mächtigen Nachbarn ist wirklichkeitsfremd und unklug und bedeutet in dem von den Achsenmächten beherrschten Europa eine Gefahr für unser Land, die, wenn man die Dinge so weitergehen lässt, immer grösser wird. Bei aller Sympathie und Achtung, die die Schweiz immer noch geniesst, empfindet man es hier auf die Dauer als unerträglich, dass man in der Schweiz immer wieder auf die englische Karte setzt und in Deutschland den gefährlichen Feind sieht, dem gegenüber man zum unverminderten Abwehrwillen aufruft, gegen den das Gerede von der Schweiz als «belagerter Festung», als «von den Achsenmächten umklammert» gerichtet ist.
Während man hier sich bereits mitten im Kriege aufs eifrigste mit den Fragen des künftigen Europas beschäftigt, stellt man fest, dass in der Schweiz zwar erheblich Druckerschwärze vergossen wurde, man im übrigen sich aber in den alten Bahnen weiter bewegt, als ob nichts geschehen wäre, ja die Erneuerungsbewegung, auf die man hier als Wortführerin einer freundschaftlichen Einstellung zum Reich gewisse Hoffnungen gesetzt hat, verbietet.
Bereits kann man von ernsthaften Leuten die Ansicht vertreten hören, es sei ein hoffnungsloses Beginnen, mit den Kreisen, die heute die Macht in der Schweiz in den Händen haben, wieder zu einem normalen freundnachbarlichen Verhältnis zu kommen. Dieses Ziel könne nur noch durch eine revolutionäre oder doch evolutionäre Entwicklung im Sinne des Hochkommens einer neuen von der Vergangenheit unbelasteten Volksbewegung, die auf dem Boden des neuen Europas stehe, erreicht werden.
Man hält mir immer wieder vor, dass man in der Schweiz Vogelstrausspolitik treibe, die Augen vor der Wirklichkeit verschliesse oder nicht wage, der herrschenden Strömung entgegenzutreten und dem Volk klar zu machen, dass es im bisherigen Stil nicht weit er gehen könne, sondern dass die Schweiz sich entschlossen auf den Boden der Tatsache des neuen von den Achsenmächten geführten Europa stellen müsse.
Darin liegt heute die wahre Gefahr für unser Land, dass man hier eines Tages an die Möglichkeit einer Verständigung und Zusammenarbeit mit der heutigen Schweiz nicht mehr glaubt. Dann wird es zu spät sein, dann aber auch nur dann droht uns das Schicksal, dass das Problem von aussen und mit Zwang einer Lösung zugeführt wird.
Darum scheint es mir höchste Zeit, dass einmal eine massgebende schweizerische Persönlichkeit mit Hitler zusammentrifft, um ein Gespräch über das deutsch-schweizerische Verhältnis einzuleiten. Das braucht nicht offiziell und öffentlich zu geschehen, sondern kann in Form einer Privatreise verwirklicht werden. Schon die Geste als solche dürfte entspannend wirken. Vor allem aber ist es von grösster Wichtigkeit, Einblick in die Ansichten des deutschen Staatsmannes zu erhalten und durch direkten Kontakt auch die schweizerische Stimme an der massgebenden Stelle zum Worte kommen zu lassen5.
- 1
- Rapport politique: E 2300 Berlin/41.↩
- 2
- Non retrouvé.↩
- 3
- NZZ, No 1738, 28 novembre 1940, article intitulé Besuch in Coventry und Birmingham. L’article commente la nouvelle tactique des forces aériennes allemandes, qui vise désormais les centres industriels. Il conclut: Warum die deutsche Luftwaffe in Coventry nochmals die Taktik der Terrorisierung der Zivilbevölkerung einschlug, nachdem sich diese in London als wirkungslos erwiesen hatte, ist schwer verständlich.↩
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