Classement thématique série 1848–1945:
IV. POLITIQUE ET ACTIVITÉS ÉCONOMIQUES
2. Ravitaillement de la Suisse en temps de guerre
2.2. L’économie de guerre
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 13, doc. 403
volume linkBern 1991
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E1004.1#1000/9#13642* | |
Dossier title | Beschlussprotokoll(-e) 25.10.-29.10.1940 (1940–1940) |
dodis.ch/47160 CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 29 octobre 1940.1 1741. Wirtschaftsverhandlungen mit Jugoslawien, Bulgarien, Rumänien, Türkei und Ungarn
Procès-verbal de la séance du 29 octobre 1940.1
Die politische Entwicklung der letzten Monate hat das Gesicht Europas tiefgehend verändert. Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Weltgeschehens bringen insbesondere für die im Zentrum des europäischen Kontinents gelegene, weitgehend exportorientierte Schweiz einschneidende und schmerzliche Änderungen, die nun mit der sich nach Osten ausweitenden Entwicklung des Krieges unser Verhältnis zunächst zu den verschiedenen Staaten des nahen Ostens aufs Nachdrücklichste in Mitleidenschaft ziehen.
Zu Beginn des Krieges, dessen Schwergewicht sich von Anfang an nach Westen verlegte, bildeten diese Länder des nahen Ostens und Südostens für die Schweiz ein reiches Reservoir wichtiger Rohstoffe die, dank insbesondere auch der wenig gehemmten Transportverhältnisse, in nachhaltiger Weise die Versorgungslage der Schweiz mit sicherzustellen vermochten.
Die der Schweiz in der Folgezeit von beiden Kriegsgruppen auferlegten Blockadeschranken wirkten sich in einschneidender Weise auch auf unsere Partner des nahen Ostens aus, denen wir in stetig abnehmendem Masse Rohstoffe und rohstoffnahe Produkte abzugeben vermochten, die sie zufolge der Sperre der Weltmeere durch den schweizerischen Kanal zu erhalten trachteten. Dazu kommt, dass für diese Länder, beim weitgehenden Ausfall ihrer Verbindungen zu Übersee, insbesondere den Vereingten Staaten, die Schweiz beinah der einzige Lieferant sogenannter freier Devisen geblieben ist, ein Umstand, der seit jeher unsere Verhandlungsstellung gegenüber diesen Ländern stärkte, solange jedenfalls, als der Devisenanfall sie in den Stand setzte, sich aus anderen Devisenländern Rohstoffe zu beschaffen, soweit sie in der Schweiz oder durch ihre Vermittlung nicht erhältlich waren.
Es zeichnet sich im Zuge dieser Entwicklung in den vergangenen Monaten das Bestreben dieser Länder ab, die an die Schweiz gelieferten und für sie meist lebenswichtigen Waren für die eigene Notlage besonders nutzbringend auszuwerten, indem sie, oft unter Missachtung von Inhalt und Sinn der bestehenden, bilateralen Waren- und Zahlungsabkommen, neue Gegenforderungen stellten, besonders solche der kompensationsweisen Lieferung bestimmter Waren und der Zahlung ihrer Exportware gesamthaft in freien Devisen, und zwar je nach Laune in USA-Dollars oder in Schweizerfranken.
Die von der Schweiz in zahlreichen Verhandlungen mit den Staaten des nahen Ostens und Südostens oft unter schwierigsten Umständen abgeschlossenen bilateralen Abkommen über die Regelung des Waren- und Zahlungsverkehrs würden ohne jeden Zweifel rasch notleidend, wenn diesen Versuchen der Vertragspartner um Erlangung von reiner Warenkompensation im Einzelfall und völlig freien Devisenerlöses für ihren Export in die Schweiz nachgegeben würde.
Gefährliche Ansätze für ein derartiges schweizerisches Einschwenken liegen vor. Bereits hat in mehreren Fällen besonders dringlichen Anforderungen der Kriegswirtschaft im Hinblick auf unabwendbare Erfordernisse der schweizerischen Versorgungslage entsprochen werden müssen. Erinnert sei unter den jüngsten Fällen dieser Praxis an die Einfuhr türkischer Baumwolle, und zwar ausserhalb des vereinbarten Vertragsrahmens und gegen freie Devisenzahlung; diese Ausnahme droht, seit längerer Zeit schwebende Verhandlungen mit der Türkei über eine Reihe schwerwiegender Fragen aufs schwerste zu beeinträchtigen und insbesondere Präjudizien zu schaffen, deren Folge sich auf die Dauer sehr nachteilig auf die Gesamtheit der durch die bilateralen Abkommen wahrgenommenen schweizerischen Interessen, nicht nur diejenigen der Exportindustrie, auswirken müssten.
Die wenig günstige Lage, in die dank dieser Entwicklung die Schweiz hineingetrieben zu werden droht, wird nicht wenig verschärft durch die auf die Länder des Balkans hinübergreifende Kriegsausweitung. Zu der damit verbundenen Beunruhigung der Märkte, Überbeanspruchung bzw. Verknappung der Transportmittel, kommt hinzu das wirtschaftspolitische Streben der Achsenmächte, mit der militärischen und politischen auch die wirtschaftliche Vormachtstellung in diesem Sektor weitestgehend an sich zu bringen. Geschieht dies auch zunächst im Rahmen einer die nationale Selbständigkeit dieser Länder nicht oder noch nicht unmittelbar bedrohenden Aktion, so liegen doch eine Reihe von Folgeerscheinungen dieser Entwicklung klar zu Tage, die das Streben der Achsenmächte nach wirtschaftlicher, fast ausschliesslicher Prädominierung in diesen Ländern klar erkennen lassen.
Zu diesen Folgeerscheinungen sind zu rechnen vor allem die fast ständigen Wirtschaftsverhandlungen der Achsenmächte mit diesen Ländern, in denen deren Aus- und Einfuhr mit allen Mitteln weitgehend an Deutschland und Italien gebunden werden soll.
Verschiedene Staaten sind bereits so weit eingeengt, dass ihre Verhandlungsfreiheit gegenüber Drittstaaten, einschliesslich der Schweiz, nur noch partiell besteht.
Dazu tritt als weiteres geeignetes Mittel solcher Zielsetzung die mit Jugoslawien und Bulgarien bereits erreichte, mit Rumänien derzeit versuchte Aufwertung des Markkurses, verbunden in einzelnen Fällen (Bulgarien) mit einem Entzug der den sogenannten freien Devisen bisher gewährten Hilfen. Die Folge ist vermehrte Lenkung der Ausfuhr dieser Länder in die Richtung der Achsenmächte und Komprimierung ihres Handels mit den verbliebenen nichtkriegführenden Staaten.
Der Katalog dieser wirtschaftspolitischen Bestrebungen der Achsenmächte auf Isolierung und ausschliesslichen Einbezug der Oststaaten in den alleinigen eigenen wirtschaftlichen und politischen Lebensraum liesse sich leicht vermehren.
Die Gefahren, die sich für die Schweiz aus einem allseitigen Beitritt dieser Länder zum Zentralclearing ergeben, seien nur angedeutet.
Die Folgen dieses politischen und damit wirtschaftlichen Umschichtungsprozesses, der nun auch den östlichen Sektor Europas in zunehmendem Masse erfasst, machen sofortige Verhandlungen mit den einzelnen Staaten des nahen Ostens und Südostens zur zwingenden Notwendigkeit. Die vorstehenden Ausführungen vermögen nur anzudeuten, wie schwierig und schwach in solch internationaler Konstellation die schweizerische Verhandlungslage erscheint.
Gleichwohl wird, solange hierfür objektive Möglichkeit besteht, das Letzte versucht werden müssen, um die auf dem Spiele stehenden, sehr beträchtlichen schweizerischen Interessen mit allen Mitteln, die der Schweiz noch zu Gebote stehen, zu verteidigen.
Es darf nicht das so oft verschobene Eintreffen der fremden Delegationen, insbesondere der seit Monaten vergeblich erwarteten ungarischen und jugoslawischen abgewartet, noch mit Verhandlungen über die formelle Ausgestaltung der bestehenden oder langwierige Schaffung neuer Abkommen kostbare weitere Zeit verloren gehen.
Dies gestattet insbesondere nicht die Lage der Landesversorgung; ihre dauernden besonderen Schwierigkeiten auch im Osten dürfen als bekannt vorausgesetzt werden.
Es ist deshalb, kurz zusammengefasst, Ziel der zu führenden Verhandlungen:
1. a) Prüfung aller für die Landesversorgung dringlichen Importmöglichkeiten aus den genannten Ländern.
b) Ermöglichung von einmaligen Sondertransaktionen, evtl. ausserhalb des Rahmens der bestehenden Abkommen, unter Beiziehung von geeigneten Experten. Soweit als möglich Zentralisierung solcher Importtransaktionen.
c) Möglichst intensive handelspolitische Auswertung allfälliger Importtransaktionen, die sich nicht im Rahmen der bestehenden Abkommen abwickeln lassen.
2. a) Versuch, die bestehenden Abkommen, die sich zum grossen Teil für die Schweiz günstig ausgewirkt haben, weitgehend in Kraft zu erhalten bis zu einer späteren Periode, die klarere Beurteilung der künftigen politischen und wirtschaftlichen allgemeinen Entwicklung erlaubt.
b) Soweit dies angängig erscheint, Verbesserung der bestehenden Abkommen und Erreichung der den heutigen Verhältnissen angepassten Durchführungsbestimmungen.
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Gestützt auf diese Erwägungen wird antragsgemäss1. es sind mit den Regierungen von Jugoslawien, Bulgarien, Rumänien, der Türkei und Ungarn Verhandlungen aufzunehmen;
2. mit der Führung der Verhandlungen werden betraut die Herren Dr. Ebrard, Delegierter für Handelsverträge, als Delegationschef, Herr Dr. P. Aebi, I. Sekretär des Vororts des Schweizerischen Handels- und Industrie-Vereins, Zürich, als Delegierter.
3. Das Volkswirtschaftsdepartement wird ermächtigt, der Delegation die zur Durchführung ihrer Aufgabe erforderlichen Experten beizugeben.
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