Également: Annexe de 19.9.1940
Classement thématique série 1848–1945:
IV. POLITIQUE ET ACTIVITÉS ÉCONOMIQUES
2. Ravitaillement de la Suisse en temps de guerre
2.3. Blocus franco-britannique
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 13, Dok. 387
volume linkBern 1991
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E7110-01#1973/134#32* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 7110-01(-)1973/134 4 | |
Dossiertitel | Verhandlungen und Abkommen mit Grossbritannien 1940 (1940–1940) | |
Aktenzeichen Archiv | 21121 |
dodis.ch/47144
1. VERHANDLUNGS-BERICHT, LONDON 14.-24. SEPTEMBER 1940.
1. Die ersten Tage dienten der Kontaktnahme mit Herrn Minister Thurnheer und seinen Mitarbeitern, die mit Interesse meine Berichte über die jüngste wirtschaftspolitische Entwicklung in der Schweiz hörten und mir ihrerseits ein klares Bild der Situation in London, insbesondere über die seit dem Zusammenbruch Frankreichs bestehende britische Einstellung zur Blockade-Politik gaben.
2. Donnerstag, 19. September vormittags wurden Herr Minister Thurnheer und ich von Herrn Minister Hugh Dalton, Chef des Ministry of Economic Warfare, unter Beisein des Unterstaatssekretärs D. Foot, empfangen. Wir haben die Lage der Schweiz und das sich aus ihr ergebende Bedürfnis nach neuen regelmässigen Zufuhren vom Westen dargelegt und das beiliegende Memorandum2 überreicht.
Herr Minister Dalton hat alles Verständnis für unsere schwierige Lage bekundet, aber mit aller Deutlichkeit erklärt, dass künftige Zufuhren nach der Schweiz mit den britischen Blockadeabsichten und dem Bedürfnis Grossbritanniens nach weiteren Bezügen aus der Schweiz in Einklang zu bringen seien, was nach dem Inkrafttreten der deutschen Transit-Kontrolle nicht leicht fallen werde. Er hat mich eingeladen, zunächst mit seinen Mitarbeitern die schweizerischen Vorräte in jenen Waren abzuklären, die auch in Zukunft durch die britische Blockade-Kontrolle hindurch bezogen werden müssen. Auf der Grundlage dieser Tatsachen wolle er später die künftige Zufuhrpolitik mit uns diskutieren.
3. Diese Abklärungsarbeit ist in den letzten Tagen erfolgt und dürfte im wesentlichen beendigt sein.
4. Ein weiteres Verhandeln über die künftige Blockade-Politik ist zur Zeit verunmöglicht, weil eine Reihe von Unsicherheiten bestehen:
a. mit Bezug auf das Schicksal des «Mount Taurus», der bald als noch ladend, bald als ausgefahren, dann aber von den Engländern als in den Hafen von Genua zurückbeordert gemeldet wird. Die Engländer sind geneigt, auf Grund dieser Nachrichten den «test case» für die schweizerischen Exportmöglichkeiten als gescheitert zu betrachten. Solche widersprechenden Meldungen sind eine unverantwortliche Störung unserer Verhandlungen;
b. mit Bezug auf die schweizerische Mitwirkung in der deutsch-italienischen Transitkontrolle, durch die Verweigerung von Ausfuhrbewilligungen in der Richtung nach Grossbritannien von Waren, welche einen Geleitschein besitzen. Die Engländer, die über dieses schweizerische Verhalten durch ein Telegramm von Setchell unterrichtet sind, finden unser Vorgehen im Widerspruch zu unseren bisherigen Erklärungen, dass die Schweiz zu dieser Kontrolle nicht Hand biete, sondern sich rein passiv verhalten werde. Die Delegation sollte über Besprechungen mit britischen Vertretern in Bern unbedingt laufend unterrichtet werden;
c. mit Bezug auf die deutsch-italienische Praxis der Bewilligung von Geleitscheinen. Lord Drogheda hat heute erklärt, dass es den britischen Stellen nicht möglich sein werde, über die künftigen Grundlagen der Zufuhrbewilligung zu sprechen, solange die Grundlagen der Transitbewilligung durch die Achsenmächte nicht abgeklärt sei (Beispiel Industriediamanten). Das Ministry of Economic Warfare hält einen «one way traffic» nicht für vertretbar. Es will nicht einen direkten Anteil Grossbritanniens am Ergebnis der schweizerischen Verarbeitung von Rohstoffen verlangen, welche durch die britische Kontrolle in die Schweiz gelangen, wohl aber soll die Möglichkeit des Exportes nach Drittländern weiterbestehen. Dazu braucht es eine weitere Abklärung der Geleitscheinpraxis der Achsenmächte. Es wird unter Umständen notwendig werden, in Einzelfällen (Industriediamanten) über die Erhöhung solcher Exporte nach Drittländern in einem befriedigenden Ausmass mit den deutschen Stellen in neue Besprechungen zu treten, insbesondere dann, wenn Grossbritannien der einzig mögliche Versorger der schweizerischen Industrie
5. Erst wenn diese Unsicherheiten eine befriedigende Abklärung erfahren haben werden, wird eine Diskussion über künftige Zufuhren möglich sein. Bis dahin halten die hiesigen Stellen alle schweizerischen Begehren für die Erteilung von Navicerts und für die Freigabe von Schiffen pendent. Jedes Einzelgesuch ist zur Zeit aussichtslos.
Die Diskussion über künftige Zufuhren nach der Schweiz wird hier in einer Atmosphäre grimmiger Entschlossenheit den Krieg zu gewinnen und nichts zu bewilligen, was den Feind stärken könnte, stattfinden. Diese Stimmung wird durch die Bombardemente während jeder Nacht verstärkt. Diese letzteren machen jedoch Besprechungen durchaus nicht unmöglich. Alle Ministerien sind in London.
6. Ausserhalb der eigentlichen Verhandlungen hatte ich Gelegenheit, mit folgenden Herren, die für den Erfolg unserer Bemühungen von Bedeutung sein können, in persönlichen Kontakt zu treten:
Sir Frederick Leith-Ross, Economic Advisor
Lord Finlay, President of the Contraband Control Committee
Unterstaatssekretär Butler vom Foreign Office
Sir George Warner, usw.
Alle Herren zeigen Verständnis für die ausserordentlich schwierige Lage unseres Landes und seine Wirtschaft. Alle sind bereit, persönlich «im Rahmen der Regierungspolitik» zu helfen. Die heute geltenden Grundsätze dieser Politik werden uns noch grosse Schwierigkeiten für die Erreichung neuer regelmässiger Zufuhren aus Übersee bereiten.
7. Unterstützt durch die Gesandtschaft, insbesondere durch die Herren Minister Thurnheer und Legationsrat Girardet, werde ich meine Bemühungen in aller Ruhe und mit grösster Beharrlichkeit trotz der nicht leichten Zeitumstände fortsetzen. Ich bitte um Ihre Unterstützung durch eine möglichst beschleunigte und gründliche Abklärung der unter Ziffer 4 genannten Fragen, sowie durch eine laufend eingehende Orientierung.
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