Classement thématique série 1848–1945:
V. AFFAIRES MILITAIRES ET FAITS DE GUERRE
3. Guerre aérienne
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 13, doc. 375
volume linkBern 1991
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2200.40-03#1000/1644#108* | |
Old classification | CH-BAR E 2200.40-03(-)1000/1644 7 | |
Dossier title | Violation de la frontière suisse par des avions britanniques (& américains) pièces du 29.8.40 au 4.11.40 (1940–1940) | |
File reference archive | X.A.7.B • Additional component: Grossbritannien und Nordirland |
dodis.ch/47132
Ich sprach heute nachmittag um drei Uhr bei Unterstaatssekretär Butler vor, der eben aus seinen Ferien zurückgekehrt ist.
Ich mache ihm folgende Mitteilung.
Ich hätte seinerzeit seine Vermittlung angerufen betreffend die erste grosse Grenzverletzung anlässlich der leider 18 Tote und Verwundete in der Westschweiz zu verzeichnen gewesen seien neben ganz bedeutendem Materialschaden. Hernach sei eine kurze ruhige Periode gekommen, nach der leider sozusagen regelmässig eine Grenzverletzung der ändern folgte. Mit diesen verbunden hätten zu verschiedenen Malen Bombenabwürfe stattgefunden, glücklicherweise immer ohne nennenswerten Schaden. Die meisten Verletzungen seien im Zusammenhang mit Flügen nach Oberitalien, manche aber auch mit solchen nach Deutschland erfolgt. Die Letzteren könne ich mir nicht einmal vom militärischen Standpunkt aus erklären, da der kürzeste Weg von England aus z.B. nach Friedrichshafen oder Au keineswegs über die Schweiz führe.
Bei den ersten Vorfällen hätte der Bundesrat mich mit den entsprechenden Schritten in London betraut2. Ich hätte die ihm bekannte Zusicherung von Lord Halifax bekommen3. Das habe aber weitere Verletzungen nicht verhindert, gegen die ich erneut protestiert habe. Da alle diese Verwendungen kein Ende der Verletzungen brachten, habe Minister Bonna mit dem Britischen Gesandten Rücksprache genommen, leider, wie die weiteren Vorfälle erwiesen, wiederum mit negativem Erfolg.
Angesichts dieser wachsenden Missachtung unserer Neutralität habe sich schliesslich der Bundespräsident Pilet-Golaz persönlich beim Britischen Gesandten eingesetzt. Wie ich seitdem vernommen habe, scheinen trotzdem neue Grenzverletzungen vorgekommen zu sein, es sei ausserordentlich bedauerlich, dass man einer direkten Verwendung unseres Staatsoberhauptes nicht mehr Beachtung schenke.
Wir hätten unsere Neutralität seit Jahrhunderten verteidigt, sie sei keine Institution, die wir von Fall zu Fall dann und wann, wenn sie uns nützlich sei, in Anwendung bringen. Sie gehöre sozusagen zum Fleisch und Blut des Schweizers. Wir hätten die Neutralität auch nie rein passiv aufgefasst, sondern ihr auch den aktiven Sinn verliehen, dass wir sie unter allen Umständen verteidigen würden und dementsprechend vorbereitet sein sollten. Wir wären dauernd vorbereitet, wir hätten dies im letzten grossen Krieg bewiesen und erneut im gegenwärtigen. Die Schweiz habe in beiden für strikte Achtung ihrer Neutralität gesorgt unter Aufbietung einer im Verhältnis zur Einwohnerzahl sehr grossen und überdies sehr gut ausgerüsteten Armee.
Zum Neutralitätsbegriff gehöre nicht nur der Schutz des Landes, sondern auch des Luftraumes, auch hier hätten wir die nötigen Massnahmen getroffen und jede Verletzung entweder in Protesten oder direkt mit Waffen abgewiesen. Ich erinnere daran, dass verschiedene deutsche Flieger abgeschossen worden seien. Wenn wir gegen die einen strikte verfahren, müssten wir ein Gleiches gegen die ändern tun, ansonst wir uns eine Verfehlung der Neutralität zuschulden kommen lassen.
Man empfinde daher bei uns diese konstanten Missachtungen unserer Hoheitsrechte sehr tief, dazu trete der Umstand, dass unser Volk nicht verstehe, wenn die berechtigte Demarche seines Bundespräsidenten keine Beachtung finde. Es sei mir sehr viel an der Aufrechterhaltung der guten Freundschaft zwischen Grossbritannien und der Schweiz gelegen, doch könnte diese bei Fortsetzung der Verletzungen wesentlich Schaden leiden. Ich mache ihn darauf aufmerksam, dass gemäss Pressenotizen der Bundesrat offenbar sich mit dem Gedanken trage, falls wir nicht bald auf unsere verschiedenen Verwendungen eine befriedigende Antwort bekämen, mich nach Bern zum Rapport zurückzuberufen.
Ich ersuche daher Mr. Butler dringendst, das ganze Dossier der Zwischenfälle erneut zu prüfen, sich von der Richtigkeit meiner Ausführungen Rechenschaft zu geben und endlich einmal für eine definitive Abstellung der Fliegerangriffe zu sorgen.
Unterstaatssekretär Butler erklärt mir:
1. dass diese Übergriffe keineswegs die Zustimmung der Regierung hätten und diese von ihr bedauert würden.
2. Er glaube, dass ein Teil der Verletzungen auf atmosphärische Verhältnisse zurückzuführen sei.
3. Die Regierung hoffe, dass die lange Freundschaft zwischen den beiden Ländern weiterbestehe und wünsche, diese zu pflegen.
4. Die Regierung verstehe durchaus unsere Stellungnahme, die energischen Proteste und unsere militärischen Abwehrmassnahmen.
Mr. Butler frägt mich gesprächsweise, wie ich mir die Verletzung des Schweizergebietes durch die Flieger begründe. Ich antworte ihm, dass ich nach den wiederholten Verletzungen und auf Grund der Tatsache, dass die Flieger immer ihr Endziel richtig gefunden, diese nur als vollständig bewusste Missachtung unserer Rechte auffassen könne; ihr Interesse sei möglichst rasch und in möglichst geradem Flug an das Ziel ihrer Aufgabe und von dort zurückzugelangen. Es sei das System, das diese Verletzungen so schwerwiegend mache. Ich könne mir nicht erklären, weshalb man nicht vorziehe, eine Bombe weniger mitzuführen und sich statt dessen genügend Benzin für die Rückfahrt zu sichern; dies würde den Umweg dem Jura entlang, umschwenkend im Süden vom Kanton Genf erlauben.
Was meine Rückberufung nach Bern anbetreffe, so hoffe Mr. Butler doch sehr, dass dies keine Massnahme bleibender Natur sei. Er würde dies sehr bedauern und sie würden mich sehr ungern verlieren. Er stelle mir gerne das Zeugnis aus, dass ich diese ganze, sehr unangenehme und heikle Angelegenheit mit festem Willen und Verständnis durchgeführt habe, niemand könne mir mangelnde Energie in den Protesten vorwerfen.
Der Unterstaatssekretär verspricht mir, das Dossier im Lichte meiner Ausführungen erneut zu prüfen und mir eine Antwort zugehen zu lassen.
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