Classement thématique série 1848–1945:
IV. POLITIQUE ET ACTIVITÉS ÉCONOMIQUES
2. Ravitaillement de la Suisse en temps de guerre
2.2. L’économie de guerre
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 13, Dok. 179
volume linkBern 1991
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2001D#1000/1552#7400* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2001(D)1000/1552 236 | |
Dossiertitel | Frankreich (1938–1940) | |
Aktenzeichen Archiv | C.22.41.10 • Zusatzkomponente: Frankreich |
dodis.ch/46936
Le Chef de F Office de guerre pour les transports du Département de l'Economie publique, E. Matter, au Chef du Département de l’Economie publique, H. Obrecht1
An den am 31. August, 1. und 2. September in Paris abgehaltenen Verhandlungen über die Regelung des Durchgangsverkehrs durch Frankreich nach der Schweiz2 sind noch folgende Punkte unerledigt geblieben:
Ankauf und Leitung der flüssigen Brennstoffe.
Organisation der Flusstransporte.
Sodann war zu untersuchen, ob die veränderte Sachlage, welche die inzwischen zugestandene Benützung von italienischen Häfen gebracht hat, Änderungen in den mit Frankreich getroffenen Abkommen zur Folge haben werde.
Die Verhandlungen wurden am 5.-7. Oktober in Paris fortgesetzt. Ich habe die Ehre, Ihnen hierüber was folgt zu berichten.
I. Allgemeine Aussprache.
Am 5. Oktober hatte der Unterzeichnete bei Herrn Delenda, Ministre Plénipotentiaire, Sous-Directeur des Relations Commerciales eine längere Besprechung, der auch Herr Dr. v. Salis, I. Sekretär der Schweiz. Gesandtschaft in Paris und Herr Giraudet de la Sous-Direction des Relations Commerciales beiwohnten.
Herr Delenda kam sofort auf die Frage der Leitung von Gütern über Italien zu sprechen. Er führte aus, dass den französischen Behörden zur Kenntnis gekommen sei, dass die Schweiz beabsichtige, sich auch italienischer Häfen zu bedienen3. Das habe aber zur Folge, dass eine lückenlose Kontrolle der für die Schweiz bestimmten Güter wenn nicht gänzlich verunmöglicht so doch bedeutend erschwert werde. Die ausschliessliche Benützung von französischen Häfen für den schweizerischen Durchgangsverkehr würde eine einwandfreie Kontrolle ermöglichen. Frankreich sehe daher die Zersplitterung nicht gerne. Die Alliierten müssten sich Vorbehalten, die nach einem italienischen Hafen bestimmten Schiffe anzuhalten, sie einer genauen Untersuchung zu unterziehen und Waren, die als Kriegskonterbande gelten, zu beschlagnahmen. Die Immunität könne solchen Schiffen nicht gewährt werden. Es sei den französischen Behörden bekannt, dass ItalienDeutschland Waren liefere usw.
Ich wies diesen Ausführungen gegenüber nachdrücklich darauf hin, dass ich nicht zuständig sei, über die Frage der Kontrolle zu verhandeln, und dass ich mich lediglich mit den Fragen des Transportes und der Behandlung des Durchgangsverkehrs zu befassen hätte. Ich bat daher eindringlich, die Besprechung möchte auf diese Punkte beschränkt werden. Herr Delenda anerkannte, dass mit mir tatsächlich stets nur über Transport- und Transitangelegenheiten verhandelt worden ist. Ich gestattete mir alsdann noch darauf aufmerksam zu machen, dass sofern eine Änderung in der Behandlung der Güter mit Bestimmung nach der Schweiz über Italien in Aussicht genommen sei, dies möglichst bald bekannt gegeben werden möchte, um Verzögerungen und erhebliche mit grossen Mehrkosten verbundene Umtriebe zu vermeiden.
Herr Delenda kam hierauf auf die Leitung von flüssigen Brennstoffen über Italien zu sprechen. Er erklärte, dass den französischen Behörden von der Schweiz aus gemeldet worden sei, diese habe mit Italien ein Abkommen getroffen, wonach sie diesem Lande 30% der eingeführten flüssigen Brennstoffe abtreten müsse. Ich erwiderte, dass es sich hier um ein Missverständnis handle. Die Benützung der den italienischen Benzinfirmen gehörenden Reservoirs durch die schweizerischen Firmen bedinge eine Vereinbarung zwischen den beiden Parteien. Nun habe die italienische Regierung erklärt, dass die Eigentümer der Reservoirs von der Verpflichtung, eine den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Reserve zu halten nicht entbunden werden. Diese Reserve muss heute 30% des Fassungsvermögens der Reservoirs betragen. Da die in Zukunft von der Schweiz benützten Reservoirs diese Reserve schon bisher enthielten, so wird der Vorrat an flüssigen Brennstoffen in Italien durch das Abkommen in keiner Weise vergrössert. In Wirklichkeit hatten die schweizerischen Importfirmen die Reserve nicht in natura zu liefern, sondern sie entschädigten ihre italienischen Geschäftsfreunde in bar.
Es kostete ausserordentlich grosse Mühe, um Herrn Delenda und seinen Mitarbeiter zu überzeugen, dass die Meldung, die sie aus der Schweiz erhalten hatten, auf Irrtum beruht. Bedenklich erscheint aber, dass eine solche Meldung überhaupt gemacht wurde. Im Abkommen mit Italien wird nämlich nur von der gesetzlich vorgeschriebenen Reserve gesprochen. Dagegen ist in meinem Bericht M/EM vom 24. September 19394 ausgeführt, dass die Reserve heute 30% des Fassungsvermögens der Reservoirs beträgt. Es handelt sich hier unzweifelhaft um eine sehr bedauerliche Indiskretion5.
Herr Delenda war überhaupt ungehalten darüber, dass beabsichtigt ist, flüssige Brennstoffe für die Schweiz über Italien zu leiten. Unvermittelt bemerkte Herr Delenda alsdann: «Wir wissen, dass Deutschland Zusicherungen bezüglich der Besorgung des Durchgangsverkehrs gegeben hat. Frankreich und England geben aber keinesfalls zu, dass überseeische Güter nach der Schweiz über Deutschland geleitet werden. Frankreich wird fortfahren, der Schweiz in der Landesversorgung entgegenzukommen, verlangt aber eine Kontrolle. Diese hat bei den über Italien geführten Gütern ein Loch.»
Der Unterzeichnete stellte und begründete schliesslich noch das Gesuch um Beistellung französischer Kesselwagen für die Beförderung flüssiger Brennstoffe nach der Schweiz.
II. Konferenzen mit den an den einzelnen Fragen beteiligten Diensten.
Die verschiedenen Punkte, die noch der Erledigung harrten, wurden mit den interessierten Diensten in Sonderkonferenzen behandelt. Das Ergebnis wurde in Protokollen niedergelegt. Ich gestatte mir, Ihnen nachstehend über das Ergebnis das Wesentlichste mitzuteilen.
1. Flüssige Brennstoffe.
An der Konferenz vom 2. September 1939 wurden französischerseits zwei Vorschläge gemacht: nämlich entweder kauft die Schweiz die fertigen Produkte an und führt sie über französische Häfen ein, oder die französische Regierung verpflichtet sich, die Schweiz durch Raffinerien zu versorgen. Gestützt hierauf hat ein Vertreter der schweizerischen Benzinimporteure im Einvernehmen mit den drei französischen Gruppen ein Exposé ausgearbeitet, das den Ankauf von etwa 180000 bis 200000 t. schwarze Produkte und ihre Lieferung über französische Mittelmeerhäfen vorsah. Mit dieser Lösung, die nur die Hälfte des schweizerischen Bedarfs vorsah, weil der übrige Teil nun über Italien geleitet werden kann, erklärte das Ministère des Affaires Etrangères sich nicht einverstanden. Es verlangte, dass die Direction des Carburants prüfe, ob nicht ermöglicht werden könne, den ganzen schweizerischen Bedarf über französische Häfen zu führen. Diese arbeiteten einen bezüglichen Plan aus. Hienach ist für je drei Monate für jedes Produkt der Bedarf festzustellen. Die Produkte sind durch die schweizerischen Importeure einzuführen, werden in den Reservoirs der französischen Gesellschaften eingelagert und zwar in den französischerseits bezeichneten Häfen. Wenn eine separate Lagerung nicht möglich ist, werden die Brennstoffe in den gleichen Reservoirs untergebracht wie die französischen.
Haben die am Mittelmeer gelegenen Raffinerien Überschuss an gewissen Produkten, so kann dieser innerhalb des aufgestellten Generalprogramms ganz oder teilweise den schweizerischen Gesellschaften angeboten werden. Diese haben sich zu verpflichten, den französischen Gesellschaften den gelieferten Produkten entsprechenden Schiffsraum zu beschaffen.
Ich wies darauf hin, dass diesem Programm der grosse Nachteil anhaftet, dass den für die Beförderung der schweizerischen Produkte verwendeten Schiffen die Immunität nicht gewährt werde.
Die schweizerischen Gesellschaften werden diesen Vorschlag sofort prüfen und unserem Amt mitteilen, ob sie ihm zustimmen. Die Einzelheiten wären gegebenenfalls zwischen den schweizerischen und französischen Gesellschaften zu vereinbaren.
Das Ministère des Affaires Etrangères hat sich Vorbehalten, nach Erhalt des Programms hiezu und namentlich zu der Frage der Leitung eines Teiles des schweizerischen Bedarfs über italienische Häfen Stellung zu nehmen!
2. Wagenstellung.
Ich habe mein Begehren, Frankreich möchte sich an der Beistellung von Kesselwagen für flüssige Brennstoffe beteiligen, nochmals erneuert und begründet. Der zuständige Funktionär war aber abwesend. Herr Dr. v. Salis wird sich mit ihm noch ins Einvernehmen setzen.
3. Flusstransporte.
Die bezüglichen Verhandlungen fanden unter dem Vorsitz des Herrn Crescent, Directeur général des voies fluviales du Ministère des travaux publics statt. Ausser seinen nächsten Mitarbeitern wohnten ihnen zwei Vertreter der Schweizerischen Reederei A.G. Basel bei. Es wurde vereinbart, dass für die Transporte ab Rouen 44 schweizerische, in Basel registrierte Schiffe zur Verfügung gestellt werden. Der Betrieb wird von den schweizerischen Reedereien, die sich über das Verfahren zu verständigen haben, besorgt. Als Ausladehäfen wurden bezeichnet: Mâcon, Besançon und eventuell Morvillars. Die Verhältnisse in diesen Häfen müssen noch geprüft werden.
Meinem schon früher vorgebrachten Wunsche, es möchte ein Augenschein in diesen Häfen durch Vertreter des Service des voies fluviales, der französischen nationalen Eisenbahngesellschaft, der SBB und der Schweiz. Reederei A.G. stattfinden, wurde entsprochen. Ich habe es übernommen, das Erforderliche in die Wege zu leiten.
4. Tankschiffe.
Es wurden den französischen Behörden 11 schweizerische Tankschiffe angeboten für die Besorgung von französischen Transporten auf den schiffbaren Kanälen und Flüssen, in der Meinung, dass uns als Gegenleistung französische Kesselwagen für die Transporte nach der Schweiz zur Verfügung gestellt werden. Diese Frage wird von den französischen Behörden noch geprüft.
5. Seehäfen
Als Hafen, der für die Transporte in erster Linie in Frage kommt, wurde von Anfang an Sète bestimmt. Ich habe wiederholt auf die grossen Mängel hingewiesen, die dieser Hafen aufweist (Ungenügender Tiefgang, Fehlen von Magazinen und Entrepôts, Verbindung der Geleise über Drehscheiben mit einem Durchmesser von 3,75 m statt mit Weichen usw.). Subsidär kamen noch die Häfen von Marseille, Saint-Louis-du-Rhöne, Caronte, usw. in Frage. Es ist nun gelungen zu erwirken, dass die Häfen Marseille in erster Linie benützt werden können. Der Haupthafen ist in den letzten Jahren erheblich vergrössert und verbessert und damit dessen Leistungsfähigkeit gehoben worden. Herr Crescent vertrat die Ansicht, dass dieser Hafen den schweizerischen Importverkehr leicht werde bewältigen können und Sète nicht mehr benützt werden müsse.
Ich habe natürlich nicht verfehlt, dieses Zugeständnis, das noch durch Vermittlung unserer Gesandtschaft in Paris schriftlich bestätigt werden wird, gebührend zu verdanken. Es bedeutet für den schweizerischen Importverkehr eine namhafte Vereinfachung und Verbesserung und wird von den schweizerischen Importeuren unzweifelhaft sehr begrüsst werden.
6. Organisation der Seetransporte.
Es wurde vereinbart:
a) dass der Direction générale des Transports durch das Kriegs-Transport-Amt je für 14 Tage ein Programm über die zu erwartenden Transporte einzusenden und ihr allfällige Änderungen jeweilen bekannt zu geben sind, und dass
b) der Commissaire fédéral der Direktion des Hafens von Marseille die Ankunft der Schiffe meldet und sich mit dieser und dem Chef de triage d’exploitation (SNCF) bezüglich der Lieferung der Beförderungsmittel in Verbindung setzt.Ich habe den Eindruck erhalten, dass man in Frankreich bestrebt ist, die Dienstabwicklung nach Möglichkeit zu verbessern.
Es ist festgestellt worden, dass diese Verhandlungen mit Frankreich eine Reihe namhafter Verbesserungen für die Schweiz gezeitigt haben. Einige Beunruhigung verursachte die Eröffnung betreffend die Kontrolle der über Italien zu leitenden Güter. Die Verhältnisse zwingen dazu, dass nun mit allen Mitteln auf schleunige Erledigung dieser hochwichtigen Angelegenheit gedrungen wird. Es sind zahlreiche Transporte nach italienischen Häfen unterwegs. Werden plötzlich drakonische Massnahmen eingeführt und wie nach den bisherigen Erfahrungen zu erwarten ist, von einem Tag auf den ändern angewendet, so sind Störungen und bedeutende Kosten unvermeidlich6.
Es wird abzuwarten sein, ob, wie es anfänglich den Anschein hatte, uns bezüglich der Leitung von Gütern, insbesondere von flüssigen Brennstoffen über italienische Häfen, Verpflichtungen auferlegt werden wollen. Gegen gewisse Zumutungen müsste Stellung genommen werden.
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