Également: Prise de position du Conseil fédéral dans l'affaire du discours de Frölicher à Munich. Annexe de 2.12.1938
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 12, doc. 474
volume linkBern 1994
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2500#1968/87#425* | |
Old classification | CH-BAR E 2500(-)1968/87 22 | |
Dossier title | Frölicher, Hans (1938–1963) | |
File reference archive | A.22.../B.21... |
dodis.ch/46734
Für die Zustimmung, die meine Münchner Rede bei Ihnen und beim Bundesrat gefunden hat2, möchte ich Ihnen meinen verbindlichsten Dank aussprechen.
Wie ich gewissen Pressestimmen entnahm, wurde grosses Gewicht darauf gelegt, ob ich den in den «Münchner Neuesten Nachrichten» zitierten Zusatz betreffend die Schweizerpresse gesagt habe. In meinem Manuskript ist er nicht enthalten; da ich aber die Rede frei vortrug, halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass ich beiläufig sagte, die Schweizerpresse beteilige sich leider ebenfalls an der Kolportierung von Anschlussgerede.
Dass dies richtig ist, wird man nicht bestreiten können. Das «Volksrecht» von Herrn Nationalrat Meyerhans liefert ja das Musterbeispiel, wenn es in der gleichen Nummer, wo es mich wegen meiner Rede angreift, den Hintertreppenklatsch der «News Chronicle» veröffentlicht und dabei Herrn von Bibra verdächtigt. Zur Ehre der grossen Schweizerblätter sei es immerhin gesagt, dass diese den Artikel mit Stillschweigen übergangen haben, sogar der «Bund», der sich im Falle Krahl in der Verbreitung eines obskuren Rechtsanwaltsbriefes hervortat. Ich will damit nicht etwa sagen, dass dem Anschlussgerede überhaupt keine Bedeutung beizumessen sei. Aber statt solche vereinzelte Äusserungen inkompetenter Personen in der Presse breitzuschlagen und die öffentliche Meinung bei uns gegen Deutschland aufzuputschen, wäre es besser, wenn man sich darauf beschränken würde, dem Politischen Departement oder der Bundesanwaltschaft solche Dinge zur Kenntnis zu bringen. Es besteht dann die Möglichkeit dafür zu sorgen, dass solche Äusserungen auf ein Mindestmass zurückgehen.
Die Frage, ob ich die Presse ausdrücklich erwähnt habe oder nicht, scheint mir müssig zu sein, weil ich ausführte, dass das ganze Schweizervolk der Politik des Bundesrates, d. h. gleiche freundschaftliche Beziehungen mit allen Nachbarstaaten, mehr Verständnis entgegenbringen müsse. Die Schweizerpresse gehört auch zum Schweizervolk und für die Bildung der öffentlichen Meinung und für den guten oder schlechten Eindruck im Ausland, den man von der schweizerischen öffentlichen Meinung hat, ist sie zu einem grossen Teil verantwortlich. Jene Ausführungen gehen deshalb in erster Linie, auch wenn ich den Adressaten nicht ausdrücklich genannt haben sollte, an die Schweizerpresse und es liegt daher nicht der geringste Grund vor, den Bericht der «Münchner Neuesten Nachrichten» in diesem Punkt zu dementieren.
Die Presse nimmt das Recht in Anspruch, die Behörden nach eigenem Ermessen zu kritisieren. Sie sollte daher auch nicht so empfindlich sein, wenn sie selbst kritisiert wird und man es für nötig erachtet, sie im Landesinteresse an ihre Verantwortlichkeit zu erinnern. Die Presse betont auch - zum Teil mit Recht -, dass die Neutralitätspflichten des Staates und des Bürgers nicht identisch seien. Sie sollte deshalb auch dafür Verständnis haben, dass man sich nicht mit allem solidarisch erklären kann, was ohne Rücksicht auf die schweizerischen aussenpolitischen Interessen geschrieben wird, dies auch nicht im Ausland. Wenn ich mich mit dieser falschen geistigen Landesverteidigung solidarisch erklären würde oder mich darauf beschränken würde, die Schuld an der Missstimmung Deutschland zuzuschreiben, dann hätten wir wahrscheinlich schon in der nächsten Zeit die grössten Schwierigkeiten, nicht nur mit Deutschland, sondern auch mit Italien, das in solchen Fragen nur allzu gern bereit ist, die Festigkeit der Achse unter Beweis zu stellen.
Dass diese Gefahr besteht, darüber darf man sich keinen Illusionen hingeben. Ein grosses starkes Land wird sich auf die Dauer keine Haltung eines kleinen Nachbarlandes gefallen lassen, die zu Recht oder zu Unrecht als Einmischung in die innern Verhältnisse angesehen wird.
Ich weiss auch, dass man im Propagandaministerium und bei der Leitung der deutschen Auslandsorganisation schon seit längerer Zeit Erwägungen darüber anstellt, wie man diesen Unfreundlichkeiten aus der Schweiz begegnen könnte. Herr Staatssekretär Bohle, der Leiter der deutschen Auslandsorganisation, hat mir vor kurzem gesagt, dass infolge der Missstimmung in der Schweiz zahlreiche Deutsche, die dort niedergelassen waren, brotlos geworden sind. Glücklicherweise hätten sie leicht in Deutschland wieder Verdienst gefunden; aber diese Rückwanderer seien erbitterte Gegner unseres Landes und würden ihm in den Ohren liegen, damit etwas gegen die Schweiz geschehe. Bis jetzt hat man sich, wie ich Ihnen berichtete, darauf beschränkt, Mitgliederverzeichnisse von den Schweizervereinen einzufordern. Ferner ist in der deutschen Presse das Problem in verstärktem Masse erörtert worden. Man darf aber diese Warnungen nicht einfach überhören und der Sache den Lauf lassen, denn sonst könnte die Schweiz unter dem Druck Deutschlands und Italiens in die Lage kommen, der Schweizerpresse internationale Anstandsregeln vorschreiben zu müssen.
Es liegt mir fern, diese Gefahren zu dramatisieren. Noch vor einigen Tagen hat mir ein Beamter des Auswärtigen Amtes, der oft beim Reichskanzler Dienst hat, gesagt, dass die Schweiz keinen Grund zu irgendwelcher Beunruhigung habe; der Reichskanzler sei, das habe er selbst gehört, von dem Wert einer unabhängigen neutralen Schweiz überzeugt. Alles was Deutschland wolle, sei nur ein gutes freundnachbarliches Verhältnis mit der Schweiz.
Solange die verantwortlichen Stellen sich für ein gutes Einvernehmen einsetzen, obwohl dies nicht immer populär ist, und solange man die Hoffnung haben kann, dass auch im Schweizervolk diese Ermahnungen etwas nützen und die Besinnung und die Einsicht wiederkehrt, so wird man keine Massnahmen Deutschlands wegen dieser Unfreundlichkeiten aus der Schweiz zu befürchten haben. Dies dürfte aber nur ein Grund mehr sein, selbst zum Rechten zu sehen und dem Schweizervolk klar zu machen, dass es nicht zu unserem Vorteil ist, uns mit unseren Nachbarstaaten wegen ihrem innern System zu verzanken. Die Presse aber, die für die Bildung der öffentlichen Meinung mitverantwortlich ist, sollte einsehen, dass eine geistige Landesverteidigung, die auf die aussenpolitischen Interessen keine Rücksicht nimmt, nicht mehr eine Landesverteidigung ist, sondern eine ernstliche Landesgefahr.
- 1
- Lettre: E 2500 1968/87/22. Le document porte le paraphe de Motta, mais ce paraphe n’est pas daté.↩
- 2
- Cf. les communiqués du Conseil fédéral des 2 et 5 décembre 1938. Le communiqué du 2 décembre déclarait: Le Chef du Département politique a entretenu le Conseil fédéral des commentaires auxquels a donné lieu dans la presse le discours prononcé par le Ministre de Suisse en Allemagne à l’occasion du 90e anniversaire de la Société suisse de bienfaisance de Munich. Le texte authentique de ce discours n’est pas encore arrivé à Berne, mais le Conseil fédéral est d’ores et déjà d’avis que les parties qui en ont été publiées par le «Deutsches Nachrichten Bureau» n’appellent aucune critique de sa part; il approuve, au contraire, les conclusions favorables pour la Suisse que M. Frölicher a tirées de la reconnaissance solennelle par l’Allemagne du droit des peuples de disposer d’eux-mêmes. Lorsqu’il connaîtra dans sa teneur exacte l’ensemble de ce discours, le Conseil fédéral se prononcera définitivement à son sujet.↩
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