Classement thématique série 1848–1945:
II. LES RELATION BILATÉRALES ET LA VIE DES ÉTATS
II.1 ALLEMAGNE
II.1.1. QUESTIONS DE POLITIQUE GÉNÉRALE ET BILATÉRALE
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 12, doc. 463
volume linkBern 1994
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E27#1000/721#9758-1* | |
Old classification | CH-BAR E 27(-)1000/721 2136 | |
Dossier title | Berichte (1938–1945) | |
File reference archive | 06.B.2.c.1.b.04 |
dodis.ch/46723
L’A ttaché militaire de Suisse à Berlin, H. von Werdt, au Service de l’Etat-Major général, 5e Section12
Es sind mir zwei Fälle zur Kenntnis gekommen, dass Herren gesagt wurde, im Januar könnten sie keinen Urlaub bekommen. Äusserungen anderer Offiziere, sie gingen heuer nicht auf «Ski-Urlaub», sondern blieben da, lassen schliessen, dass man die Armee oder wenigstens Teile davon ab Januar wieder «beisammen» haben wolle. Wenn auch nicht zeitlich, so stimmen dem Sinne nach damit überein die unkontrollierbaren Äusserungen, man erwarte etwas für März.
Über die eventuellen Ursachen einer Bereitstellung für das Frühjahr konnte ich in meinen Kreisen ungefähr folgende Ansichten feststellen:
Von den Ostproblemen sei Danzig und das Memelgebiet in keiner Weise friedengefährdend. Sie dürften zweifellos in freundschaftlichen Abmachungen eine Lösung finden.
Auch die Korridorfrage wird von Engländern und Franzosen für kein Weltproblem gehalten. Man vermutet auch hier - wenn auch das Problem etwas schwieriger wäre - eine den Weltfrieden nicht gefährdende Lösung.
Auch ein Herr des deutschen Aussenamtes äusserte sich, was die drei Probleme anbelangt, ohne jede Zurückhaltung sehr zuversichtlich, während er z. B. meine Frage wegen der Mittelmeerabsichten Italiens, speziell Tunis betreffend, mit höflichem Schweigen überging.
Diese drei Probleme werden also nicht als Grund angesehen, dass Deutschland sich irgendwie bereitstelle.
Auch das Kolonien-Problem fällt weg. Wegen dem wird Deutschland keinen Krieg führen.
Diesbezüglich gebe ich einige englische Äusserungen wieder: «Deutschland brauche die Kolonien nicht. Es sei für dieses lediglich eine Prestigesache. Die Kolonien hätten weder Eisen, Kohle noch Öl, was ja die Deutschen am meisten brauchen. Teile von Deutschland seien weniger dicht besiedelt als England, das z.B. im gebirgigen Schottland nicht soviel Menschen ansiedeln könne wie Deutschland noch z. B. in Mecklenburg. Im übrigen lasse England die deutsche Kolonialforderung kühl, denn ohne Flotte könne Deutschland keinen Krieg gegen England führen.»
Wie weit man folgende Äusserungen glauben darf, weiss ich nicht: Einem deutschen Militârattaché in einem Balkanstaat sagte ein Freund, dass ihm, dem Freund, der dortige englische Gesandte gesagt habe, es werde England nicht im Traume einfallen, den Deutschen alle Kolonien zurückzugeben.
Davon, dass Deutschland zu irgendeinem Eingreifen für Spanien sich bereitstelle, kann keine Rede sein.
So bleibt als einzig mögliche Erklärung für eventuelle aktive Absichten Deutschlands für das Frühjahr die Ukraine. Diesbezüglich hört man folgendes.
Dass Deutschland im letzten Moment auf seine Absichten einer zusammenhängenden Grenze zwischen Polen und Ungarn verzichtet habe, lässt vermuten, dass es in der neuen Karpatho-Ukraine einen Ausgangspunkt sähe für eine künftige geschlossene, Deutschland handelspolitisch ergebene Ukraine.
Bekannte Propagandisten seien aus Amerika bereits in der Karpatho-Ukraine angekommen wie z. B. der Hetmann Petljura.
Man vermutet auch, dass dieses Entgegenkommen der Cechei gegenüber nebenbei auch einerseits den Zweck hatte, um letztere zu entschädigen für die erfolgten Gebietsabtrennungen aus verkehrspolitischen Gründen, andererseits, um sich die künftige Freundschaft der Cechoslowakei zu sichern.
Ebenso wird gesagt, dass Deutschland sehr dafür sei, dass die künftige cechische Armee trotz der territorialen Verkleinerung unverändert bleiben solle. Wie früher Frankreich, so hofft jetzt Deutschland auf diesen eventuellen Bundesgenossen, falls ein Zwist mit Ungarn oder Polen entstehen sollte.
In Ungarn wäre eine dauernde Entfremdung Deutschland gegenüber möglich, wenn die gegen den Nationalsozialismus eingestellten Grossgrundbesitzer, Klerikalen und Juden sich politisch durchsetzten.
Von Polen halte man es möglich, dass es sich mit seinen paar Millionen Ukrainern der Bildung einer geeinten Ukraine widersetze.
In so einem Fall könnte ja die cechische Armee sehr wertvoll werden, umsomehr, als ja die Polen Russen und Cechen gleich hassen.
Es wurde sogar jetzt schon von polnischen Truppenkonzentrationen an der ukrainischen Grenze gefaselt.
Das sind so die hauptsächlichsten Kombinationen. Dass die Sache mit der Ukraine irgendeinen wahren Kern hat, ist ja bei den zweifellos bestehenden deutschen Absichten, weitgehenden wirtschaftlichen Einfluss im Osten zu gewinnen, sehr leicht möglich. Da es aber die Regelung der Danziger, der Korridor- und der Memel-Frage mit Polen in unbedingt freundschaftlichen Abmachungen zu erreichen hofft, glaube ich nicht, dass es eine grosszügige Ukraine-Lösung vorher angehen wolle. Auch sind ja die engen Bande zwischen Deutschland und speziell cechischen Militärkreisen vorläufig nur ein Wunsch. Die cechischen Militärs sind derzeit noch wütend über die kampflose Abtretung der Sudetendeutschen.
Aus all dem sehe ich persönlich noch gar keinen Grund zu irgendwelcher Beunruhigung. Immerhin ist die für nach der Lösung der Sudetenfrage allgemein erhoffte Ruhe am politischen Horizont noch nicht da.
Dazu kommt noch das Fragezeichen der Mittelmeerfrage.
Am Schlüsse seien noch englische Äusserungen erwähnt. Für das deutsche Vorgehen in der Judenfrage werde die Masse der Engländer kein Verständnis aufbringen und die jetzige England-Hetze der deutschen Presse könnte höchstens den Sturz Chamberlains erreichen, aber nie Verständnis für Deutschlands Vorgehen.