Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 12, doc. 375
volume linkBern 1994
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001D#1000/1552#604* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(D)1000/1552 32 | |
Dossier title | Allgemeines (1936–1938) | |
File reference archive | A.45.20 |
dodis.ch/46635
Hochgeachtete Herren,
Getreue, liebe Eidgenossen,
Wir beehren uns, hiermit den Empfang Ihrer Zuschrift vom 2. ds.2 zu bestätigen, worin Sie gegen die beiden baselstädtischen Initiativbegehren betr. Verbot nationalsozialistischer oder faszistischer Organisationen, soweit dabei Ausländer in Frage stehen, wegen Bundesrechtswidrigkeit Einsprache erheben und uns ersuchen, dafür zu sorgen, dass im Kanton Basel-Stadt in der vorerwähnten Beziehung keine bundesrechtswidrigen Gesetze erlassen werden.
Wir gestatten uns, Ihnen vorläufig folgendes zu antworten:
1. Was die formelle Seite Ihres Vorgehens anbelangt, so fühlt sich der Regierungsrat peinlich davon überrascht, dass es Ihre Behörde für gut befunden hat, von heute auf morgen auf schriftlichem Wege eine derartige Einsprache zu erheben, ohne in dieser wichtigen und zugleich delikaten Angelegenheit vorerst mündlich mit dem Regierungsrat Fühlung genommen und ihn über Ihre bundesrechtlichen Bedenken orientiert zu haben. Wir sind der Auffassung, dass die oberste Landesbehörde sich nichts vergeben hätte, wenn sie zuvor mit der Basler Regierung Rücksprache genommen hätte.
Für vollends unangebracht halten es wir aber, dass Ihre Behörde diese Einsprache in der Tagespresse hat publizieren lassen, ein Vorgehen, durch das sie sich selber in der Öffentlichkeit des In- und Auslandes ein für allemal festgelegt, ja diese Angelegenheit geradezu zu einer Prestigefrage für die oberste Landesbehörde erhoben hat. Dazu kommt, dass diese Veröffentlichung mit einer auffallenden Eilfertigkeit geschehen ist. Denn schon am Morgen des 3. ds. (Samstag) war die Presse zur Publikation der Einsprache in der Lage gewesen, während das Schreiben selbst überhaupt erst an diesem Morgen ins Rathaus gelangt ist - der Briefumschlag trug keinerlei Poststempel -, nachdem es am Vorabend bei der üblichen Postverteilung gegen 5 Uhr noch nicht eingetroffen und selbst nach 5xli Uhr auf der Post nicht erhältlich gewesen war. So kam es, dass der Öffentlichkeit der Wortlaut dieser Einsprache bekannt wurde, bevor nur der Regierungsrat als Gesamtbehörde in seiner ordentlichen Sitzung vom 6. ds. von Ihrem Schreiben hätte Kenntnis nehmen oder an einem führeren Termin eine Extrasitzung hätte abhalten können, und dass auch Mitglieder des Regierungsrates den Wortlaut der Einsprache zuerst durch die Presse erfuhren.
Dieses ganze Vorgehen ist uns durchaus unverständlich. Wir sehen uns veranlasst, unserem Befremden über das von Ihnen eingeschlagene Verfahren Ausdruck zu geben und gegen die Art und Weise, wie unsere Kantonsregierung von der obersten Landesbehörde behandelt worden ist, hiermit Protest einzulegen.
2. In der Sache selbst haben wir Ihre Einsprache unserem Justizdepartement zur Berichterstattung überwiesen. Sobald uns dessen Bericht vorliegen wird, werden wir materiell Stellung nehmen und Ihnen vom Ergebnis Kenntnis geben. Zuvor sollten wir aber das Rechtsgutachten3 kennen, das Ihnen nach Pressemeldungen Herr Prof. Dr. W. Burckhardt in dieser Angelegenheit erstattet hat und das Ihrer Einsprache zu Grunde liegt. Wir bitten Sie daher, uns den Wortlaut dieses Rechtsgutachtens möglichst rasch bekannt geben zu wollen. Im übrigen möchten wir jetzt schon darauf hinweisen, dass nach unserm kantonalen Verfassungsrechte die Behandlung und Erledigung von kantonalen Gesetzesinitiativen eine Angelegenheit unseres Grossen Rates und der Stimmberechtigten unseres Kantons ist und dass wir nach unseren vorläufigen rechtlichen Überlegungen kaum in der Lage sein werden, in den verfassungsmässigen Ablauf dieses Verfahrens entscheidend einzugreifen.
Wir benützen auch diesen Anlass, Sie, hochgeachtete Herren, getreue, liebe Eidgenossen, samt uns in Gottes Machtschutz zu empfehlen4.
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Political Movements in Switzerland
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