Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 12, Dok. 349
volume linkBern 1994
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2001D#1000/1552#604* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2001(D)1000/1552 32 | |
Dossiertitel | Allgemeines (1936–1938) | |
Aktenzeichen Archiv | A.45.20 |
dodis.ch/46609 Notice du Département politique1
Auf dem Gebiete des Kantons Basel-Stadt sind in der letzten Zeit zwei Volksinitiativen eingeleitet worden und zwar
a) eine von der Sozialdemokratischen Partei Baselstadt ausgehende Initiative, die bezweckt, die nationalsozialistischen, von Ausländern gebildeten Organisationen und Vereine, sowie andere ähnliche Organisationen, sofern sie von Ausländern gebildet sind, zu verbieten.
b) eine Initiative von privater (katholischer?) Seite, die bezweckt, alle frontistischen, nationalsozialistischen und faschistischen Vereine und Organisationen auf dem Gebiete des Kantons Baselstadt zu untersagen.
Da die erste der beiden Initiativen die Beziehungen der Schweiz zu Deutschland und Italien berührt und unser Verhältnis zu diesen beiden Staaten sowie die Lage unserer dortigen Schweizerkolonien weitgehend zu beeinflussen geeignet ist, ist das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement vom Politischen Departement auf dieses Volksbegehren und seine politischen Auswirkungen aufmerksam gemacht worden.
Unter dem Vorsitz des Herrn Bundespräsidenten wurde mit Herrn Regierungsrat Imhof, Chef des kantonalen Justizdepartements von Baselstadt, die Initiative besprochen. Man gelangte zu dem Ergebnis, dass eine Erörterung der Sachlage mit einer Vertretung der baselstädtischen Regierung, in welcher die sozialdemokratische Partei mehrheitlich vertreten ist, ins Auge zu fassen sei, wobei man sich aber zugleich nicht sehr viel von einer solchen Diskussion des Problems zu versprechen habe. Es wurde deshalb in Aussicht genommen, vor allem Herrn Professor Dr. W. Burckhardt mit der Ausarbeitung eines Gutachtens zu betrauen, in welchem die rechtliche Frage der Kompetenzausscheidung zwischen Bund und Kanton, soweit sie durch die Initiative aufgeworfen wird, untersucht und die vom Bund gegebenenfalls zu ergreifenden Massnahmen geprüft werden sollten.
Der Auftrag an Herrn Prof. Burckhardt scheint vom Justiz- und Polizeidepartement bis zur Stunde noch nicht ergangen zu sein. Hingegen bot sich Gelegenheit, am 25. Juli in einer freien unverbindlichen Aussprache, die zwischen dem Chef der Abteilung für Auswärtiges und Herrn Prof. Buckhardt stattgefunden hat, dessen grundsätzliche Auffassung in der Sache kennen zu lernen. Er geht von der Ansicht aus, dass die Initiative, die gewisse Gefahren beseitigen wolle, die vom Auslande her der Schweiz drohen, Verhältnisse berühre, die in die Kompetenz des Bundes und nicht in diejenige der Kantone falle. Die Zuständigkeit des Bundes stütze sich auf Art. 102 Ziffer 8 und 92 der Bundesverfassung, worin dem Bundesrat die Besorgung der auswärtigen Angelegenheiten in vollem Umfange übertragen wird.
Sobald aber einmal der Bundesrat den Standpunkt einnehme, dass die Zulassung oder Nichtzulassung nationalsozialistischer Vereine von Ausländern eine Angelegenheit sei, über die zu entscheiden ihm allein zustehe, so sei es auch angezeigt, dass er seine Stellungnahme möglichst frühzeitig der Kantonsregierung bekanntgebe und nicht etwa zuwarte, bis das Initiativbegehren vom Grossen Rate behandelt wurde und zu einem Gesetzeserlass geführt habe. Wenn der Bundesrat in jenem Zeitpunkte erst, etwa gegenüber dem Bundesgericht, geltend machen wollte, dass eine Kompetenzüberschreitung eines Kantons vorliege, so könnte das Bundesgericht einwenden, dass der Bundesrat sich früher hätte äussern und es nicht so weit hätte kommen lassen sollen.
Herr Prof. Burckhardt ist deshalb der Ansicht, dass der Bundesrat schon jetzt der Basler Regierung eröffnen sollte, dass die Initiative einen Gegenstand beschlägt, der in die Zuständigkeit des Bundes falle und dass deshalb für den Fall des Zustandekommens der Initiative die kantonalen Behörden dem Volksbegehren wegen Unzuständigkeit keine Folge geben könnten.
Herr Prof. Burckhardt wird vermutlich in den nächsten Tagen noch schriftlich seine Auffassung näher begründen3. Es dürfte dann Aufgabe des Bundesrates sein, sich ohne Verzug gegenüber der Basler Regierung zu äussern. Die Behandlung der ganzen Angelegenheit gegenüber Baselstadt ist deshalb von besonderer Tragweite, weil in ändern Kantonen (Baselland, Schaffhausen, Zürich) ähnliche Volksbegehren in Vorbereitung sind.
- 1
- E 2001 (D) 2/32. Annotation manuscrite de Motta en tête du document: Affaires étrangères: J’ai parlé de cette affaire au Conseil fédéral. M. Le Président Baumann m’a déclaré que W. Buckhardt a été prié de donner une consultation le plus tôt possible sur cette affaire. 27.7.38. M.↩
- 2
- Cf. RO, 1876, vol. 1, p. 29.↩
- 3
- Non reproduite, cf. E 2001 (D) 2/32.↩