dodis.ch/46580
Le Ministre de Suisse à
Berlin, H. Frölicher, au Chef du Département politique,
G. Motta1
Vertraulich
Berlin, 10. Juni 1938
Unter Bezugnahme auf meinen Bericht von gestern und mein heutiges Telegramm2 beehre ich mich Ihnen mitzuteilen, dass ich im Anschluss an die Antrittsaudienz beim Reichskanzler sofort um eine Unterredung mit dem Herrn Staatssekretär nachgesucht habe. Es lag mir daran zu vermeiden, die Erklärungen des deutschen Staatsoberhauptes gegen die Stellungnahme des Auswärtigen Amtes in ungeschickter Weise auszuspielen und durch einen billigen Anfangserfolg die weitere vertrauensvolle Mitarbeit des Auswärtigen Amtes und insbesondere unseres Freundes Herrn von Weizsäcker zu verlieren. Ich erhielt auch unverzüglich die Antwort, dass Herr von Weizsäcker bereit sei, mich noch am Abend zu empfangen.
Vielleicht waren die für uns günstigen Erklärungen Hitlers auf eine ungenügende Vorbereitung seitens des Auswärtigen Amtes zurückzuführen. Aber andererseits zeigten sie, dass das deutsche Staatsoberhaupt persönlich unserem Lande gegenüber sympathisch und verständnisvoll eingestellt ist. Ferner aber hat Hitler die etwas kleinlichen Einwendungen des Auswärtigen Amtes sich nicht zu eigen gemacht. Er hat nicht an unserer autonomen Neutralitätspolitik herumgekrittelt, sondern das Hauptgewicht auf die Feststellung gelegt, dass er von jeher überzeugt gewesen sei, dass die Schweiz im Kriegsfälle neutral sein werde. Die ruhigen, logisch aufgebauten und grosszügigen Ausführungen haben mir nicht nur einen grossen Eindruck gemacht, sondern mich auch in Bezug auf meine hiesige Stellung und namentlich hinsichtlich der Zukunft der deutsch-schweizerischen Beziehungen beruhigt.
Als ich Herrn von Weizsäcker gestern abend besuchte, sagte er mir gleich, dass er durch Herrn von Ribbentrop Kenntnis von den Erklärungen Hitlers erhalten habe. Er fügte lächelnd bei, dass es niemanden auf dem Auswärtigen Amt einfalle, in einer Frage eine andere Stellung als diejenige des Führers einzunehmen. Auf meine Anregung hin erklärte er sich einverstanden, in der Antwort auf unsere Notifikation der umfassenden Neutralität die Erklärungen des Reichskanzlers sinngemäss zu berücksichtigen. Herr von Weizsäcker nahm daraufhin in Aussicht, die Anerkennung der schweizerischen Neutralität durch Bezugnahme auf die Erklärungen Hitlers an Alt Bundesrat Schulthess zum Ausdruck zu bringen. Dem konnte ich bereits auf Grund meiner Instruktionen beistimmen. Dabei hätte es dann die Meinung, dass die Erklärungen Hitlers an mich nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen. Dem habe ich zugestimmt und darf wohl annehmen, dass Sie dieser meiner Stellungnahme beipflichten.