Language: German
14.4.1938 (Thursday)
CONSEIL FÉDÉRAL Procès-verbal de la séance du 14.4.1938
Minutes of the Federal Council (PVCF)
Considérants motivant l’interdiction de publication et de diffusion des correspondances et nouvelles de l’agence de presse de F. Burri. Avec un soutien financier allemand, Burri se fait le propagandiste des buts nazis. Il met en danger les relations de la Suisse avec l’étranger. L’interdiction est décidée.
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Oscar Gauye (ed.)

Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 12, doc. 268

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Bern 1994

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dodis.ch/46528
CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 14 avril 19381

663. Franz Burri, Verbot der Presseagentur

I. Im Jahre 1934 liess sich Burri Franz des Franz und der Emma geb. Waser, von Entlebuch (Luzern), geb. 26.10.1901 in Cham (Kt. Zug), verheiratet mit Wilhelmine geb. Scherrer, Schriftsteller, jetzt wohnhaft Rotseestr. 5 in Luzern, nach seiner wegen illegaler nationalsozialistischer Betätigung erfolgten Ausweisung aus Österreich in Luzern nieder und errichtete eine Presseagentur. Er gab zunächst die sog. «IPA-Korrespondenz» heraus und in der Folge noch weitere Informationsblätter («Eidgenössische Korrespondenz», «Internationale Jugend- und Hochschulnachrichten», «Kulturpolitische Korrespondenz»),

In sämtlichen Nachrichtenblättern, die teilweise dieselben Meldungen enthalten und die sich durch eine ausgesprochene nationalsozialistische, antiklerikale Einstellung auszeichnen, betrieb Burri eine systematische Hetze gegen den ehemaligen österreichischen Staat, die katholische Kirche und in neuester Zeit, nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland, auch gegen die Tschechoslowakei und Liechtenstein. Seine Nachrichten werden entweder von ihm selbst verfasst oder stellen Reproduktionen aus Zeitungen oder Agenturmeldungen dar; zum Teil erhält er sie auch von Mitarbeitern aus den betreffenden Ländern oder gar vom Pressechef der NSDAP in München. So brachte er z. B. in der IPA-Korrespondenz vom 3. März einen der polnischen Telegraphenagentur «Express» entnommenen Artikel über die tschechoslowakische Krise, der zugunsten der Sudetendeutschen lautet. In einem Artikel der Eidgenössischen Korrespondenz vom 18. März wurde erklärt, dass sich der deutsche volkspolitische Imperialismus auf Österreich und die Tschechoslowakei, nicht aber auf die Schweiz erstrecke. Bereits im Jahre 1936 führte die die völkerrechtlichen Beziehungen der Schweiz gefährdende Schreibweise zu einer Reihe von Demarchen der österreichischen Gesandtschaft sowie zu zwei Verwarnungen Burri’s, die eine seitens der Bundesanwaltschaft und die andere durch den Bundesrat2, jedoch ohne dass irgendwie eine Mässigung in der Ausdrucksweise eintrat. Es drängte sich somit eine schärfere Massnahme auf.

Im Verlaufe des Jahres 1937 leitete die Bundesanwaltschaft gegen Franz Burri ein gerichtspolizeiliches Ermittlungsverfahren ein wegen Verdachtes der Zuwiderhandlung gegen das BG betr. Angriffe auf die Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft vom 8. Oktober 19363 sowie gegen den BB betr. den Schutz der Eidgenossenschaft vom 21. Juni 19354.

Mit Bezug auf die innerpolitischen Verhältnisse der Schweiz war ersichtlich, dass der Beschuldigte sich mit beinahe sämtlichen Erneuerungsbewegungen in Verbindung gesetzt und die Initiative zu einer Einigungsaktion dieser politischen Organisation ergriffen hatte. Der damit verfolgte Zweck war, wie aus der beschlagnahmten Korrespondenz hervorging, die ideologische und organisatorische Zusammenarbeit dieser Gebilde und die Schaffung einer politischen Basis zur Verwirklichung der nationalsozialistischen Weltanschauung auf dem Gebiete der Eidgenossenschaft. So erklärt Burri in zwei Briefen, dass man mit «demokratischen Mätzchen» oder mit dem Stimmzettel in der Schweiz die angestrebten Ziele nicht erreichen könne, und dass er ganz bestimmte Pläne verfolge. Ein Anfang auf dem Wege zur Verwirklichung dieser Pläne war die Tätigkeit des Beschuldigten als gemeinsamer Propagandaleiter aller Befürworter der Freimaurerinitiative.

Wie die Bundesanwaltschaft in ihrem Bericht vom 22. März 19385 darlegte, wurde Burri, der von jeher mit den Führern der österreichischen Nationalsozialisten in Beziehung stand, für seine gegen Österreich gerichtete Propagandatätigkeit vom Reichspropagandaministerium in Berlin zu 2 Malen mit je RM 200.– unterstützt. Es ist zudem der Nachweis dafür erbracht, dass der Beschuldigte, der den Schmuggel des bis vor kurzem illegalen nationalsozialistischen Propagandamaterials nach Österreich aktiv unterstützte, lediglich zwecks besserer Tarnung seiner Tätigkeit es vorzog, in der Schweiz zu verbleiben, obwohl das Hauptabsatzgebiet für die Produkte der Presseagentur Burri Deutschland ist.

Die politische und propagandistische Tätigkeit des Beschuldigten mit Bezug auf die Schweiz ist für die innere und äussere Sicherheit der Eidgenossenschaft umso gefährlicher, als das Ermittlungsverfahren zeigte, dass Burri finanziell vollständig von Deutschland abhängig ist. So bezog er von seinem Fr. 12 701.45 betragenden Bruttoeinkommen während eines Jahres (1. Februar 1937– 1. Februar 1938) nachgewiesenermassen ganze Fr. 725.35 = 6,3% aus der Schweiz und über 90% aus Deutschland. Zwar bezieht Burri heute, soweit aus den Akten ersichtlich, seitens des Reichspropagandaministeriums in Berlin keine direkten Subventionen mehr, aber dadurch, dass beinahe sämtliche offiziellen und offiziösen Persönlichkeiten und Stellen des Dritten Reiches seine Informationsblätter abonnierten, wird er in ausserordentlichem Masse von Deutschland und von der NSDAP indirekt unterstützt. In einem der Bundesanwaltschaft durch die Postkontrolle bekannt gewordenen Schreiben, das am 28. März von Berchtoldsdorf bei Wien an Burri geschickt wurde, wird gesagt, dass der Beschuldigte «vom Reich Subventionen habe» und er «als wertvollster Auslandskämpfer» bezeichnet werde. Ob damit die Unterstützung durch die Abonnenten gemeint ist, ist nicht festzustellen. Jedenfalls muss die Presseagentur Franz Burri in Luzern infolge dieser getarnten Hilfe als eine von Deutschland finanziell unterstützte Propagandazentrale angesehen werden.

Der Wert, den die amtlichen Stellen des Dritten Reiches der Propagandatätigkeit Burri’s beilegen, ist aus dem Umstande ersichtlich, dass nicht nur das Reichspropagandaministerium für die anstandslose Überweisung von eingehenden Abonnements- und Honorargebühren an den Beschuldigten sorgt, sondern dass eigentliche Werbestellen für die «IPA-Korrespondenzen» zugelassen wurden, und dass Burri seitens des Pressechefs der NSDAP druckreife Manuskripte erhielt, die er dann auch verwendete. In Anbetracht dieses Sachverhaltes ist die Aussage des Beschuldigten, seine Propagandaarbeit werde von niemandem bezahlt, und er erhalte diesbezüglich keinerlei Instruktionen seitens ausländischer Stellen, durch die tatsächlichen Umstände widerlegt. Dank der tatkräftigen Unterstützung der NSDAP in Deutschland gelang es Burri, seinen Abonnementskreis ständig zu vergrössern und in Beziehung zu treten mit den nationalen und nationalsozialistischen Bewegungen, offenen und heimlichen Anhängern der nationalsozialistischen Weltanschauung, in beinahe sämtlichen europäischen Staaten. Aus diesen Beziehungen und aus den beschlagnahmten Korrespondenzen ergibt sich, dass es sich bei Burri nicht um irgend einen aktiv tätigen Nationalsozialisten mit Schweizerbürgerrecht handelt, sondern um ein Glied der grossen Propagandaorganisation des nationalsozialistischen deutschen Reiches; bekennt sich doch der Beschuldigte selbst offen zum Nationalsozialismus und nennt er doch sein Unternehmen selbst ein «Presseunternehmen, das im Dienste nationalsozialistischer Bewegungen steht».

II. Das Ergebnis der gerichtspolizeilichen Ermittlungen, insbesondere der am 22. Februar 1938 vorgenommenen Haussuchungen und der daran sich anschliessenden eingehenden Einvernahmen, sowie die darauf fussenden Erwägungen rechtlicher Natur lassen sich wie folgt zusammenfassen:

1) Ein positiver Anhaltspunkt dafür, dass sich der Beschuldigte gegen den BB betr. den Schutz der Sicherheit der Eidgenossenschaft vom 21. Juni 1935 vergangen hat, ist nicht vorhanden.

2) Eine völkerrechtswidrige Handlung im Sinne von Art. 41 des BG über das Bundesstrafrecht vom 4. Februar 18536

kann in der durch Burri erfolgten Unterstützung der bis zum Umsturz illegalen nationalsozialistischen Opposition in Österreich nicht erblickt werden. Unter die völkerrechtswidrigen Handlungen des Art. 41 des Bundesstrafrechts fallen nach der in der bisherigen Praxis vertretenen einschränkenden Interpretation nur Angriffe auf die Existenz fremder Staaten (hochverräterische Unternehmungen) und, noch präziser gefasst, bloss die unmittelbaren gewaltsamen Angriffe gegen die Verfassung eines fremden Staates (Geschäftsbericht des Bundesrates 1920, Bbl. 1921, S. 389; Geschäftsbericht des Bundesrates 1923, S. 355, Stämpfli, Verbrechen gegen fremde Staaten, Schweiz. Zeitschrift f. Strafrecht, 41,318 f.). Dem Burri kann aber nur eine Propagandatätigkeit nachgewiesen werden.

Abgesehen davon, wäre zur Durchführung einer diesbezüglichen Untersuchung gemäss Art. 44 des BG über das Bundesstrafrecht7 ein Beschluss des Bundesrates erforderlich, der im gegenwärtigen Augenblick, wo der österreichische Staat zu existieren aufgehört hat, sich erübrigt.

3) Die Frage, ob Franz Burri sich einer Zuwiderhandlung gegen das BG betr. Angriffe auf die Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft vom 8. Oktober 1936 schuldig gemacht hat, glaubt die Bundesanwaltschaft auf Grund des vorgelegten Tatsachenmaterials verneinen zu müssen. Die Handlungen, die dem Beschuldigten zur Last gelegt werden, richteten sich in erster Linie gegen den frühem österreichischen Staat, gegen die Tschechoslowakei und Liechtenstein, und nicht darauf, die Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft zu verletzten oder zu gefährden. Jedenfalls kann Burri, der die Anwendbarkeit des Art. 1 des nationalsozialistischen Kampfprogrammes (grossdeutscher Gedanke) auf die Schweiz bestreitet, der Nachweis einer strafbaren Handlung in dieser Richtung nicht erbracht werden, so verdächtig auch seine Beziehungen und Bestrebungen sind. Auch die Verbindungen des Beschuldigten mit den schweizerischen Erneuerungsbewegungen und seine diesbezügliche Tätigkeit können nicht als strafbare Handlungen im Sinne von Art. 2 des Unabhängigkeitsgesetzes ausgelegt werden. Es ist bis jetzt nicht nachgewiesen, dass Burri sich mit Amtsstellen oder politischen Parteien des Auslandes in Verbindung gesetzt hat, um mit ihrer Hilfe (finanzielle Unterstützung, Weisungen etc.) in der Schweiz politische, mit der Verfassung im Widerspruch stehende Ziele zu verwirklichen (vgl. Botschaft Bbl. 1936, II, 176, Sten. Bulletin 1936, Nat. Rat. 1295, 1297, Ständerat 454, Stämpfli, das Unabhängigkeitsgesetz, in der genannten Zeitschrift 50, 25).

Aus diesen Gründen sieht sich die Bundesanwaltschaft veranlasst, das gegen Franz Burri wegen Verdachtes der Zuwiderhandlung gegen das BG betr. Angriffe auf die Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft vom 8. Oktober 1936, sowie gegen den BB betr. den Schutz der Sicherheit der Eidgenossenschaft vom 21. Juni 1935 eingeleitete Ermittlungsverfahren mangels Beweises eines strafbaren Tatbestandes einzustellen.

4) Das Justiz- und Polizeidepartement hält dafür, dass die Informationsblätter des Burri verboten werden sollten. Die Herausgabe dieser Blätter ist nur durch die deutsche finanzielle Unterstützung möglich. Mit dieser Unterstützung wird Burri instand gesetzt, sowohl in seinen Informationsblättern als auch durch sein Zusammenwirken mit den schweizerischen und ausländischen Erneuerungsbewegungen für nationalsozialistische Ziele Propaganda zu machen. Burri ist ein bezahlter Propagandist des Auslandes. Wie die seinerzeitigen Beschwerden der österreichischen Gesandtschaft dartun, gefährden die Veröffentlichungen des Burri, soweit sie sich mit aussenpolitischen Zielen des deutschen Nationalsozialismus befassen, unsere Beziehungen zu ausländischen Staaten. Wie Österreich könnten sich auch die Tschechoslowakei u. Liechtenstein darüber beschweren, dass eine vom Ausland abhängige Presseagentur von unserem Gebiete aus Artikel verbreitet, die auf die Gefährung der Unabhängigkeit ihrer Staaten gerichtet sind. Die Propagandatätigkeit des Burri sollte unterbunden werden, weil sie die Interessen des Auslandes vertritt, vom Auslande bezahlt wird und in der schweizerischen Bevölkerung lebhaften Unwillen erregt. Würde es sich um einen Ausländer handeln, so könnte ihn der Bundesrat wegen Gefährdung der innern oder äussern Sicherheit ausweisen. Gegenüber einem Schweizerbürger muss die administrative Massnahme das Mittel der Propagandatätigkeit, also hier die Presseagentur, treffen. Wird die Herausgabe der Informationsblätter verboten, so fallen auch die hiefür vom Ausland geleisteten Unterstützungen weg. Verliert aber Burri diese Unterstützung, so ist ihm die ökonomische Grundlage seiner gesamten Propagandatätigkeit entzogen. Er wird alsdann sich voraussichtlich wieder nach Österreich begeben.

Der Pressebeschluss vom 26. März8 kann nicht herangezogen werden, weil die Informationsblätter nach der Meinung der Konsultativen Pressekommission nicht als Presseorgan gelten können. Die Pressekommission würde aber begrüssen, wenn der Bundesrat Massnahmen gegen Burri treffen könnte. Das Verbot ist wegen der Propagandatätigkeit Burri’s von Deutschland beigelegten Wichtigkeit in der gegenwärtigen Zeit als ausserordentliche Massnahme zur Wahrung unserer äussern und innern Sicherheit gestützt auf Art. 102, Ziff. 8, 9 und 10 der Bundesverfassung gerechtfertigt.

Gestützt auf Art. 102, Ziff. 8, 9 und 10 der Bundesverfassung beantragt daher das Justiz- u. Polizeidepartement und der Rat beschliesst:

1) Dem Burri Franz, Inhaber und Schriftleiter der Internationalen Presseagentur Franz Burri in Luzern, wohnhaft Rotseestr. 5 in Luzern, werden die Herausgabe und der Vertrieb der «IPA-Korrespondenz», «Eidgenössischen Korrespondenz», «Internationalen Jugend- und Hochschulnachrichten» und der «Kulturpolitischen Korrespondenz», sowie sämtlicher allfälliger Ersatzblätter mit sofortiger Wirkung verboten.

2) Die Bundesanwaltschaft wird mit dem Vollzug dieses Beschlusses beauftragt.

3) Es ist nach Massgabe des vorgelegten Entwurfes ein amtliches Communiqué9 zu veröffentlichen.

1
E 1004.1 1/372.
2
Non reproduits, cf. E 4320 (B) 1970/25/14.
3
Cf. RO, 1937, vol. 53, p. 37.
4
Cf. RO, 1935, vol. 51, p. 495.
5
Non reproduit, cf. E 4320 (B) 1970/25/14.
6
Cf. RO, 1851-1853, vol. 3, p. 347.
7
Ibid., p. 348.
8
Cf. FF, 1934, I, p. 867.
9
Non reproduit, cf. E 4320 (B) 1970/25/14.