Classement thématique série 1848–1945:
II. LES RELATION BILATÉRALES ET LA VIE DES ÉTATS
II.1 ALLEMAGNE
II.1.1. QUESTIONS DE POLITIQUE GÉNÉRALE ET BILATÉRALE
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 12, doc. 203
volume linkBern 1994
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2300#1000/716#123* | |
Old classification | CH-BAR E 2300(-)1000/716 65 | |
Dossier title | Berlin, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 39 (1938–1938) |
dodis.ch/46463
In Fortsetzung meiner Berichterstattung2 über Verlauf und Ausgang der jüngsten deutschen Krise bin ich in der Lage, auf Grund sicherer Informationen folgendes nachzutragen.
Der unmittelbare und tatsächliche Ursprung alles weiteren ist die Heirat Blombergs oder, genauer gesagt, die Person seiner Frau und zwar viel weniger das Milieu, dem sie entstammt, oder ihre Schwangerschaft als ihr Vorleben, das zu stärkster Beanstandung Anlass gibt. Sobald dies der Armeeleitung in unzweideutiger Weise bekannt geworden war, begab sich Generaloberst Freiherr von Fritsch begleitet von zwei (nicht mehreren) Generälen, wovon der eine der General der Kavallerie von Kleist war, zum Reichskanzler, um ihm darzulegen, dass unter den gegebenen Umständen die Entlassung des Generalfeldmarschalls von Blomberg im Interesse der Wehrmacht eine Notwendigkeit sei. Hitler, der Blomberg in Verehrung zugetan war, wie es auch umgekehrt der Fall war, lehnte vorerst das Ansinnen der Generäle ab, worauf diese den Reichskanzler um ihre eigene sofortige Entlassung ersuchten.
Hitler zog dann aber den von ihm hochgeschätzten greisen Generalfeldmarschall von Mackensen zu Rate, der zwar das Vorgehen der Generäle als Disziplinwidrigkeit bezeichnete, die Verabschiedung Blombergs dagegen für unerlässlich hielt, eine Ansicht, der sich Hitler alsbald anschloss. Dieser war indessen über das Vorgefallene und die Folgen so betroffen und empfand es sowohl für die Wehrmacht als für sich persönlich als eine solche Demütigung, dass er sich ganz überstürzt dazu entschloss, die militärische Krise durch die weitgehenden Entscheidungen auf politisch-diplomatischem Gebiete sozusagen zu verwässern. Es sollte ihm dies gleichzeitig die Möglichkeit schaffen, die Ablehnung der Begehrlichkeiten der Partei hinsichtlich der Wehrmacht durch die Zugeständnisse in der ändern Richtung zu kompensieren. Stets wieder tritt also dieselbe Taktik in Erscheinung.
Seine die Aussenpolitik betreffenden Beschlüsse traf Hitler erst in allerletzter Stunde, am Nachmittage des Freitags, den 4. Februar. Es handelte sich um Neuerungen und Personaländerungen, die er sich allerdings im Laufe der Zeit schon überlegt hatte, die aber erst wesentlich später hätten durchgeführt werden sollen.
So kam es, dass Freiherr von Neurath, der noch zwei Tage zuvor aus Anlass seines 65. Geburtstages mit Aufmerksamkeiten Hitlers geradezu überhäuft worden war, erst am Freitag Abend, kurz vor der Veröffentlichung der Beschlüsse, davon erfuhr. Infolgedessen wurde Rom ebenso wie alle ändern Hauptstädte durch die Art der Lösung der deutschen Krise vollkommen überrascht.
Wie ich höre, soll Freiherr von Neurath sein Scheiden selbst vom Auswärtigen Amte viel weniger empfinden als seine Ersetzung durch Herrn von Ribbentrop, mit dem er sich nie verstand. Neurath, der oft sehr unabhängig handelte und den Reichskanzler möglichst wenig sah, besass aber sein uneingeschränktes Vertrauen insbesondere seitdem er Hitler am 7. März 1936, d. h. in Hinsicht der Besetzung der demilitarisierten Zone, entgegen der zurückhaltenden Armee, richtig beraten hatte. Ausgeschlossen ist es keineswegs, dass von Neurath in dem ihm zugedachten Präsidium des Geheimen Kabinettsrates eine nicht nur formale sondern tatsächliche Kompensation finden mag. Denn Hitler nimmt für sich selbst die Führung der Aussenpolitik in Anspruch und dazu braucht er der Beratung durch erfahrene und verantwortungsbewusste Männer. Damit wird er auch die allenfalls von parteimässigen Gesichtspunkten eingegebene Aussenpolitik Ribbentrops leichter überwachen können. Überdies ist bestimmt, dass die laufenden Geschäfte des Geheimen Kabinettsrates von Reichsminister Lammers, dem unmittelbarsten Mitarbeiter Hitlers, geführt werden.
Aus den bereits angedeuteten Gründen fielen mit dem Aussenminister die Botschafter in Rom und Tokio und der Gesandte in Wien der Partei zum Opfer. Letztere ist der Ansicht, es sei hohe Zeit, diese drei Posten vor allen ändern mit Parteileuten zu besetzen. Der Botschafter in Rom, von Hassell, gegen den die italienische Regierung nichts einzuwenden hatte, hat sich zudem in schroffen Gegensatz zu Ribbentrop gesetzt, als dieser sich anfangs vorigen November zur Feier des Beitritts Italiens zum deutsch-japanischen Antikomintern-Abkommen nach Rom begab. Hassell hielt umso weniger mit seiner Kritik zurück, als die Dazwischenkunft Ribbentrops, des deutschen Botschafters in London, auch von der italienischen Regierung als lästig empfunden wurde.
Wer nunmehr nach Rom gehen wird, ist noch eine offene Frage. Sie wissen, dass von dem jungen Reichsminister Frank gesprochen wird, was mir nicht ausgeschlossen scheinen will. Hingegen habe ich nicht den Eindruck, dass man in Rom an einer so ausgesprochenen und ausschliesslichen Parteipersönlichkeit ungeteilte Freude haben würde.
Was den Botschafter in Japan, von Dirksen, anbetrifft, so ist zu sagen, dass er aus Gesundheitsrücksichten bereits um seine Entlassung eingekommen war. Deshalb war er auch in der Lage, das Land von einem Tag zum ändern zu verlassen.
Durch die genauere Kenntnis der Vorgänge werde ich in der Ihnen gegenüber schon geäusserten Auffassung nur bestärkt, dass in der stattgehabten Machtprobe die Wehrmacht doch eher Siegerin geblieben ist. Die Generäle Keitel, Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, und von Brauchitsch, Oberbefehlshaber des Heeres, sind tatsächlich Vertrauensleute der Armee. Trotz Marschallstab ist Göring in Wirklichkeit der militärische Untergebene Keitels und mit von Brauchitsch sowie Generaladmiral Raeder koordiniert. Alle vier sitzen sie im Geheimen Kabinettsrat, wo die Führer der Wehrmacht zum ersten Male verfassungsmässig ein Mitspracherecht in der Aussenpolitik ausüben werden. Demgegenüber ist der Anspruch Görings für sich selbst wie Hitlers für seinen Parteigeneral von Reichenau auf den Posten des Kriegsministers glatt abgeschlagen worden.
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