Classement thématique série 1848–1945:
II. LES RELATION BILATÉRALES ET LA VIE DES ÉTATS
II.14. ITALIE
II.14.3. ITALIE. AFFAIRES DE PRESSE
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 12, doc. 199
volume linkBern 1994
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001D#1000/1552#109* | |
Old classification | CH-BAR E 2001 (D) 2 7 | |
Dossier title | Italien, Allgemeines (1936–1940) | |
File reference archive | A.15.43.0 • Additional component: Italien |
dodis.ch/46459 Le Chef de la Division des Affaires étrangères du Département politique, P. Bonna, au Ministre de Suisse à Rome, P. Ruegger1
Wir beehren uns Ihnen mitzuteilen, dass Freitag, den 18. Februar, Herr Rietmann, der Präsident des Schweiz. Zeitungsverlegervereins, nach Rom reist, um sich mit den Spitzen der «Federazione Nazionale Fascista Editori Giornali» zu besprechen. Er wird im «Hôtel de la Ville» absteigen. Herr Rietmann beabsichtigt, Sie aufzusuchen, um Sie über den Zweck seiner Reise zu orientieren und um sich von Ihnen beraten zu lassen.
Herr Bundesrat Obrecht hat uns vor einiger Zeit darauf hingewiesen, dass es zweckmässig wäre, mit dem Präsidenten des Zeitungsverlegervereins Rücksprache zu nehmen um zu prüfen, was getan werden kann, um die Redaktionen der Schweizerpresse zu einer grössern Zurückhaltung in der Kritik des Auslandes anzuhalten. Der Chef des Politischen Departements hatte in der Folge eine Besprechung mit Herrn Rietmann, der für unsern Standpunkt volles Verständnis zeigte. Er hat denn auch im Bulletin des Schweiz. ZeitungsverlegerVereins vom 31. Januar unter der Rubrik Pressechronik: «Italienisch-schweizerische Pressebeziehungen» in Kommentierung von Mussolinis Artikel im «Popolo d’Italia » folgendes geschrieben:
«Die neue Zeit hat einen Ausbau der Presseabteilungen bei den Ministerien und Gesandtschaften in einem Ausmass gebracht, von dem man sich bei uns wohl kaum eine richtige Vorstellung macht. Selbst Kleinstaaten unterhalten eine Pressesektion, die zumeist dem Auswärtigen Amt angegliedert ist und die Aufgabe hat, die Pressestimmen zu einem Regierungsakt oder über ein Land sorgfältig zu sammeln. Diese Archivierung ermöglicht einen genauen Einblick in die Pressebeziehungen zu einem bestimmten Lande. Den Gesandtschaften werden besondere Presseattaches beigegeben, welche in ähnlicher Weise eine Sammlertätigkeit ausüben. Gesandter wie Minister sind so jeder Zeit in der Lage, gegebenenfalls auf Grund konkreter Tatsachen Vorstellungen bei einer fremden Macht zu erheben.
Nun sind die Diktaturstaaten besonders empfindlich für die Reaktionen der europäischen und universellen Meinung, wobei der totalitäre Staat, der die Pressefreiheit ablehnt, der Presseäusserung glaubt dieselbe Bedeutung beimessen zu sollen, die wir aus guten Gründen der Presse der Diktaturen beilegen, indem wir sie gleichwertig den direkten Manifestationen der Staatsgewalt ansehen. Es folgt daraus, dass Länder mit einer freien Presse mit diesem Begriff bei den Diktaturstaaten nicht mehr ankommen, und dass die Regierungen der Staaten mit Pressefreiheit für Dinge verantwortlich gemacht werden, für die sie nach dem Stande ihrer Gesetzgebung nichts können.
Wir können diesen Zustand als ungerecht empfinden; wir können eine solche Identifizierung ablehnen: der Diktaturstaat beharrt aber auf seiner Auffassung; er zögert auch keinen Moment, sie auszudrücken.
So sind vor allem für die kleinern Länder mit freier oder wenigstens halbfreier Presse die Äusserungen ihrer Zeitungen über fremde Länder und ihre Politik zu einem Gegenstand der Sorge geworden. Diese Länder wissen, dass sehr rasch der Protest folgt, wobei sie in Verlegenheit geraten, wie sie vorgehen sollen. Geschieht nichts, so ist sehr bald eine Trübung der diplomatischen oder staatlichen Beziehungen da, die sich recht unangenehm bemerkbar machen kann.
Es kommt nun bei dieser genauen Registrierung der Pressemeinungen sehr viel darauf an, in welchem Sinne die Archivierung geschieht. Man wird, je nach der Auswahl, eine Presse so oder so darstellen können. Wenn jüngst der Chef eines Staates die schweizerische Presse insgesamt einer unfreundlichen Haltung glaubte zeihen zu sollen, so liegt es nahe, an jenen Mann zu denken, der im fraglichen Fall die Pressestimmen sammelte.
Das alles hätte vielleicht nicht so viel zu bedeuten, wenn sich nicht die Staatengruppierung je länger je schärfer bemerkbar machen würde. Diese Tatsache kann heute sehr leicht zu unguten Pressebeziehungen mit einem Staatensystem führen. Besteht uneingeschränkte Pressefreiheit und wird von ihr hemmungslos Gebrauch gemacht, so kann sogar eine Störung der Pressebeziehungen mit allen Nachbarn, ja ganz allgemein, eintreten.
Wir befürchten, dass wir nicht mehr weit weg von diesem unerfreulichen Zustand sind.
In der Zeit der Achsen und Mächtegruppierungen sind Verstimmungen aus Zeitungskommentaren nicht leicht zu nehmen. Übrigens muss man sich nicht vorstellen, dass Presseäusserungen von Organen einzig einer gewissen Richtung oder Region zu Trübungen und zu diplomatischen Vorstellungen Anlass geben; auch nicht, dass diese etwa einzig von Rom oder Berlin ausgingen: andere Kabinette können ebenso empfindlich sein, und das Damoklesschwert des Verbots kann über einer westschweizerischen genau so wie über einer deutschschweizerischen Zeitung hängen. Man mag daraus schliessen, dass sich die schweizerische Presse eines bemerkenswerten Grades der Freiheit erfreut; vielleicht zieht man im Ausland aber den Schluss, dass wir die Pressefreiheit ihm gegenüber über das zulässige Mass hinaus beanspruchen.
Wir dürfen die Augen nicht vor der Wahrheit verschliessen, dass unsere Pressebeziehungen nach mehr als zwei Richtungen der Windrose heute fast beunruhigender Art sind. Wir gehen mehr als frei mit unsern Regierungen um; die Freiheit aber, die man sich bei uns nimmt, um z. B. den Bundesrat so zu karikieren, wie es jüngst geschah, hat uns und unsere Presse fast in den Ruf der Zügellosigkeit gebracht. Deswegen werden wir auch bald unisono als praeceptor mundi abgelehnt. Wozu noch kommt, dass wir in den Augen des Auslandes eine komische Figur machen, wenn wir das grosse Wort führen und dabei die unverklausulierte Neutralität fordern.»
Wir wären Ihnen zu Dank verbunden, wenn Sie Herrn Rietmann empfangen und ihm bei seinen Schritten nach Möglichkeit behilflich sein wollten.
- 1
- Lettre (Copie): E 2001 (D) 2/7. Paraphe: OR.↩
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