Classement thématique série 1848–1945:
II. LES RELATION BILATÉRALES ET LA VIE DES ÉTATS
II.1 ALLEMAGNE
II.1.1. QUESTIONS DE POLITIQUE GÉNÉRALE ET BILATÉRALE
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 12, Dok. 39
volume linkBern 1994
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2001D#1000/1553#6198* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2001(D)1000/1553 304 | |
Dossiertitel | Die Stellung des Dritten Reichs zur schweiz. Neutralität. Erklärung Hitlers vom 23.2.1937 Unterredung zwischen alt BR Schulthess u. Hitler (1935–1945) | |
Aktenzeichen Archiv | B.51.12 • Zusatzkomponente: Deutschland |
dodis.ch/46299 REISE NACH BERLIN AUFZEICHNUNG
Im Monat Januar verständigte ich Herrn Bundespräsidenten Motta von meiner Absicht, eine private Reise nach Berlin zu machen, um mich umzusehen, wie die wirtschaftliche und politische Lage sich gestaltet habe. Herr Motta ermunterte mich, mein Projekt auszuführen und sprach selbst von der Möglichkeit, dass ich von der deutschen Regierung und sogar vom Reichskanzler empfangen werde. Für diesen Fall äusserte ich gegenüber Herrn Motta die Absicht, den Reichskanzler über die Beziehungen zur Schweiz zu befragen und ihm insbesondere zu sagen, dass wir in der Schweiz die Tatsache, dass er in seiner jüngsten Reichstagsrede wohl die Neutralität von Holland und Belgien, die der Schweiz aber nicht genannt habe, dahin ausgelegt hätten, dass die Anerkennung unserer Neutralität selbstverständlich sei und dass deshalb nicht davon gesprochen zu werden brauche. Für den Fall, dass der Kanzler dieser Auffassung zustimme, würde ich ihn, sagte ich Herrn Motta, um die Ermächtigung bitten, dies meiner Regierung und durch deren Vermittlung der Öffentlichkeit mitzuteilen. Ich äusserte auch die Absicht, mich nicht von der schweizerischen Gesandtschaft einführen zu lassen, damit der Charakter einer privaten Reise tunlichst gewahrt sei. Mit allen diesen Auffassungen war Herr Motta einverstanden.
Am ersten Tage meiner Anwesenheit in Berlin suchte ich Herrn Weizsäcker, den deutschen Gesandten in Bern, auf, der zur Zeit im Auswärtigen Amt vorübergehend die Funktion eines Ministerialdirektors ausübt. Wir sprachen im Allgemeinen von der Situation, und ich sagte, dass ich es als eine Höflichkeitspflicht betrachte, dem Minister des Auswärtigen, Freiherr von Neurath, der im gleichen Gebäude seine Amtslokalitäten hat, einen Höflichkeitsbesuch zu machen. Herr von Weizsäcker war damit sehr einverstanden, telephonierte, und ich wurde sofort, also am 19. Februar, empfangen.
1) Die Unterhaltung mit Herrn Neurath, der ein überaus liebenswürdiger Herr ist, war sehr angenehm. Er äusserte sich freimütig über das Verhältnis Deutschlands zur Schweiz und sprach auch von den ändern internationalen Fragen. Er erklärte, er betrachte einen Krieg als vollständig ausgeschlossen, der Führer wolle den Frieden; von Frankreich trenne Deutschland eigentlich nichts, Spanien sei für Deutschland erledigt. In Berlin denke man nicht daran, sich in den spanischen Konflikt einzumischen, und noch viel weniger habe man je irgendwelche Absichten auf Spanien selbst oder seine Kolonien gehabt. Es kämpfen zur Zeit nicht mehr als 5000 Deutsche auf Franco’s Seite; anderseits stehen aber auch etwa 2000 Deutsche auf Seiten der Volksfront. Die Zahl der Franzosen auf Seite der letztem werde auf 40000 geschätzt.
Was das Verhältnis Deutschlands zur Schweiz betrifft, so sei das politische System kein Exportartikel und man werde die Schweiz politisch in Ruhe lassen. Der Führer habe neulich von der Neutralität Belgiens und Hollands gesprochen und dabei die Schweiz nicht genannt, weil deren Sonderstellung selbstverständlich sei. Ich antwortete Herrn Neurath, dass auch wir die Dinge so aufgefasst hätten. Darauf erzählte mir Herr Neurath, dass Herr Minister Dinichert ihn gefragt habe, ob nicht der Führer über die Neutralität der Schweiz eine Erklärung abgeben würde. Er habe aber den Wunsch abgeschlagen, weil eine solche Erklärung auffällig wäre. Herr Neurath fügte aber gleich bei, wenn ich zum Führer gehe und ihm die Frage stelle, so werde er mir zweifellos die Richtigkeit unserer Auffassung bestätigen und mich auch ermächtigen, dies dem Bundesrat zuhanden der Öffentlichkeit mitzuteilen. Neurath offerierte mir dann sofort, wenn ich es wünschte, dem Führer zu empfehlen, mich baldmöglichst zu empfangen. Ich könne darauf zählen, dass ich am Anfang der folgenden Woche Herrn Hitler sehen könne, und dieser werde sicherlich sich gerne mit mir über alle Dinge aussprechen und mir die gewünschte Erklärung geben.
Herr Neurath ist im Allgemeinen sehr optimistisch. Er ist überzeugt, dass Deutschland sich mit allen seinen Nachbarn verständigen wird, selbst mit der Tschechoslovakei. Diese freundschaftliche Aussprache dauerte fast eine Stunde.
2) Am 21. Februar frühstückte ich mit Herrn Minister Schacht allein in der Reichsbank.
Das wirtschaftliche Verhältnis Deutschland/Schweiz wurde nur kurz berührt, da ich keinen Auftrag zu Erklärungen hatte und den kommenden Verhandlungen in keiner Weise vorzugreifen wünschte. Dagegen sagte mir Herr Schacht insbesondere, es wäre doch wünschenswert, wenn man das jetzige System des Clearing ersetzen und ein Abkommen schliessen könnte, das der Lösung ungefähr entspreche, die zur Zeit zwischen Deutschland und England bestehe. Ich hielt mich absichtlich sehr in Reserve und suchte bloss Auskunft zu erhalten über die wirtschaftliche Lage.
Diese ist, wie ich im Allgemeinen beobachten konnte, zweifellos ernst. Überall, namentlich auch in der Industrie, spürt man den Devisenmangel und die Unmöglichkeit, die nötigen Rohstoffe zu beschaffen.
Schacht teilte mir mit, die Auslandsguthaben der Deutschen hätte man erfasst. Auf meine Frage, ob in der letzten Zeit unter der bekannten Drohung der Todesstrafe wesentliche Beträge hereingekommen seien, antwortete er, dies sei nicht der Fall, die Hauptbeträge seien vorher schon deklariert und abgeliefert worden. Er fügte auch bei, mit der Androhung der Todesstrafe sei er nicht einverstanden. Ich erkundigte mich dann nach der Abwertung. Er antwortete, dass eine solche zur Zeit nicht in Frage komme. Eine Änderung der gegenwärtigen Verhältnisse sei sehr schwierig. Man werde übrigens durchhalten und sich durchbeissen und sukzessive versuchen, die importierten Waren namentlich durch deutsche Produkte zu ersetzen und so das Devisenbedürfnis einzuschränken. Die internationale Lage betrachtet auch Herr Schacht sehr optimistisch. Er betonte, mit Frankreich bestehen gar keine Differenzen und er erwähnte, wie früher schon mit geteilt, dass der Führer ihn zu der französischen Regierung geschickt habe, um dieser die Eröffnung zu machen, dass Deutschland, falls man ihm wieder Kolonien gebe, bereit sei, sämtliche Grenzen zu garantieren. Die Schwierigkeiten für die Kolonialfrage liegen nicht in Frankreich, wo man eigentlich gut disponiert sei, sondern in England. Aber Schacht glaubt, auch dort werde man zu einer Diskussion Hand bieten und er sieht vor, dass eine solche ungefähr im Monat Mai einsetzen wird. Ich erlaubte mir zu sagen, dass ich diese Auffassung als etwas zu optimistisch betrachte. Aber er behauptete, Anhaltspunkte für seine Ansicht zu haben.
Schacht glaubt, dass Frankreich demnächst wieder, und wohl noch nicht zum letzten Mal, abwerten müsse. Die finanzielle Lage sei dort recht schwierig und die politische verworren. Ich antwortete ihm, dass wir, auch wenn Frankreich mit einer neuen Abwertung vorangehe, keinen Grund hätten, zu folgen, da unsere Währung bereits gesichert und unser Preisniveau genügend reduziert sei. Herr Schacht erklärte mir, dass er meine Auffassung vollständig teile. Über die wirtschaftliche Lage Deutschlands macht sich Herr Schacht keine Illusionen, im Gegenteil, er weiss, dass noch schwere Zeiten kommen werden. Aber er sieht der Zukunft doch mit Vertrauen und in Ruhe entgegen. Das Schicksal der Wirtschaft werde durch die Politik bestimmt.
Ich möchte an dieser Stelle einschieben, dass man nach meinen Beobachtungen dem ganzen deutschen Leben ansieht, dass Land und Volk verarmt sind. Konzerte und Theater sind zwar überfüllt, aber die ganze Lebenshaltung ist trotzdem in Berlin erheblich einfacher als in der Schweiz. Viele haben sozusagen alles verloren und die Einkommensverhältnisse sind sehr bescheiden. Die Preise aber scheinen mir eher höher zu stehen.
3) Am 23. Februar wurde ich vom Reichskanzler um 12 45 empfangen. Staatssekretär Dr. Lammers nahm mich im Vorraum in Empfang, führte mich zu Hitler und wohnte der Besprechung bei. Diese dauerte eine gute Stunde. Im Gegensatz zu Behauptungen, die man vielfach hört, darf ich konstatieren, dass der Reichskanzler mich in weitgehender Weise zum Wort kommen liess und sich nicht, wie man oft behauptete, darauf beschränkte, seinem Besucher einen Vortrag zu halten.
Ich dankte ihm Eingangs für den Empfang und sagte, ich sei sehr froh, mit ihm sprechen zu können, um ihn über die Verhältnisse der Schweiz aufzuklären und gewisse Irrtümer, die hinsichtlich Deutschlands bestünden, richtig zu stellen. Wir stehen natürlich politisch auf verschiedenen Standpunkten, das hindere aber nicht eine freundschaftliche Verständigung zwischen den beiden Ländern, von denen ein jedes, nach den Worten des «alten Fritz», das andere nach seiner Façon selig werden lassen.
Ich erwähnte dann weiter, dass die Schweiz keine diplomatischen Beziehungen zu Sowietrussland habe, und dass die kommunistische Partei in unserm Lande schwach sei und wenig bedeute. Überdies aber wache man in der Schweiz über die kommunistische Bewegung und werde, wenn es nötig sei, deren Ausdehnung einzudämmen verstehen. Daraufhin erklärte der Reichskanzler, der Umstand, dass wir keine diplomatischen Beziehungen zu Sowietrussland unterhalten, habe viel dazu beigetragen, dass die kommunistische Partei bei uns schwach geblieben sei. Er hätte beobachtet, dass die amtlichen russischen Vertretungen, Gesandtschaften, Konsulate und Handelsvertretungen ohne Ausnahme Agitationsherde seien.
Hitler entwickelte sodann seine Ansichten über den Bolschewismus und dessen verheerende Wirkungen in Russland und wies auf die Pflicht hin, die Länder von ihm frei zu halten. Der Bolschewismus vernichte Alles, verhindere auch die ändern Länder, vernünftige und normale Handelsbeziehungen zu unterhalten und vergrössere damit die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die sonst schon bestünden. Ihm könne es ja gleich sein, wie ein anderes Land sich organisiere, allein der Bolschewismus sei nicht in der Lage, Sicherheit, Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten und das wirtschaftliche Leben zu ermöglichen. Sowietrussland habe die Prätention und den Wunsch, die ganze Welt zu revolutionieren. Man müsse sich hüten.
An dieser Stelle fragte ich Herrn Hitler, was er eigentlich von den gegenwärtigen Vorgängen in Russland halte. Er antwortete, er glaube nicht, dass sich eine Änderung des Regimes vorbereite, sondern es seien einfach Cliquen, die sich bekämpfen und sich gegenseitig «abschlachten». Die Vorgänge erinnern im übrigen an die Zeiten gewisser Zaren, z. B. Iwan des Schrecklichen, wo man Menschenleben nie geachtet und rücksichtslos den Gegner einfach umgebracht habe. Hitler glaubt nicht, dass sich ein Umschwung oder eine Verbürgerlichung vorbereite. Interessant sei festzustellen, dass in den Prozessen, die geführt werden, die Angeklagten Dinge anerkennen, die notorisch falsch seien. So z. B. wisse er von einem ganz bestimmten Fall, in dem ein Angeklagter anerkannt habe, nach Norwegen geflogen zu sein, wahrscheinlich um mit Trotzki Fühlung zu nehmen. Man habe die Behauptung kontrollieren können und feststellen müssen, dass sie absolut nicht wahr sei. In einem ändern Fall habe Hitler jüngst Gelegenheit gehabt, durch einen Generalkonsul einen Angeklagten aufsuchen zu lassen, um sich mit ihm wegen einer privaten Sache (Ehescheidung) zu unterhalten. Der Mann sei vollständig apathisch gewesen und habe auf gar nichts reagiert. Wie die Angeschuldigten dazu kämen, Eingeständnisse zu machen, die der Wahrheit widersprechen, sei unklar. Aber es sei so. Man habe schon behauptet, dass man den Angeklagten Einspritzungen mache; auf jeden Fall sei sicher, dass die Leute komplett apathisch und zusammengebrochen seien und alles sagen, was man von ihnen wünsche. Notorische Unwahrheiten und Erfindungen werden dabei als wahr dargestellt.
Von Russland kamen wir auf Spanien zu sprechen. Hitler erwähnte, er habe in Spanien nichts zu suchen. Über die Zahl der kämpfenden Freiwilligen machte er mir ähnliche Angaben wie Neurath. Deutschland ziehe sich zurück und wolle weder von Spanien noch von seinen Kolonien etwas. Allerdings könnte es Deutschland nicht gleichgültig sein, wenn in Spanien ein Sowietstaat entstehen würde. Hitler sieht jedoch den Sieg Franco’s voraus, anerkennt aber die immensen Schwierigkeiten, mit denen dieser auch nach einem Sieg zu kämpfen haben werde.
An dieser Stelle hielt ich es für richtig, dem Reichskanzler auch eine Aufklärung über die schweizerische Presse zu geben, da gelegentlich in Deutschland behauptet wird, diese sei verjudet. Ich habe diesen Vorwurf nicht nur abgelehnt, sondern widerlegt und dem Reichskanzler gezeigt, dass jüdische Einflüsse in unserer Presse gar keine Rolle spielen und dass auch Juden in unserer Presse nicht beteiligt sind. Ich tat das nicht, um die Juden zu bekämpfen, sondern um ein Vorurteil, das auf deutscher Seite besteht, zu widerlegen, und eine Schwierigkeit mehr für das gegenseitige Verständnis aus dem Wege zu räumen.
Was das Verhältnis zur Schweiz betrifft, sagte Hitler, so wolle er offen sagen, dass der Fall Gustloff für ihn sehr schmerzlich war. Allein er müsse anerkennen, dass die Schweiz nichts dafür könne und dass die Sache korrekt erledigt worden sei. Er betonte noch, dass Gustloff korrekt gewesen sei und in der Schweiz nichts Unrechtes getan habe; deshalb habe ihn die Verweigerung der Zulassung eines Nachfolgers schmerzlich berührt3. Er ging dann über diesen Punkt hinweg und ich habe ihn auch nicht weiter erwähnt.
Ich erinnerte dann den Reichskanzler an seine jüngste Reichstagsrede, in welcher er von der Neutralität Belgiens und Hollands gesprochen habe, ohne die Schweiz zu erwähnen. Wir hätten, fügte ich bei, dies so aufgefasst, dass er die Anerkennung der Neutralität der Schweiz als selbstverständlich betrachte.
Rasch fügte Hitler bei, jawohl, das sei so, aber noch etwas anderes hätte ihn veranlasst, nicht von der Schweiz zu sprechen. Er habe sie früher einmal genannt, und dann sei aus der Schweiz das Echo gekommen, solche Erklärungen brauche man nicht. Ich sagte darauf, ich hätte nie einen Moment, weder während des Weltkrieges noch seither unter allen verschiedenen Regierungen, daran gezweifelt, dass Deutschland unsere Neutralität anerkenne und respektiere, aber ich glaube, es wäre von grosser Bedeutung, wenn ich dem Bundesrate mitteilen dürfte, dass auch das heutige deutsche Regime die Sonderstellung der Schweiz anerkenne und sie jederzeit respektieren werde. Es würde eine solche Erklärung zweifellos zur Beseitigung vieler Missverständnisse beitragen, das Vertrauen stärken und Beruhigung schaffen.
Darauf erklärte der Reichskanzler mit grosser Lebhaftigkeit, er habe nie etwas getan oder gesagt, das den Schluss zulasse, dass er die Neutralität der Schweiz nicht voll und ganz zu respektieren bereit sei. Es wäre ein «Wahnsinn», wenn Deutschland die Schweiz angreifen oder durch sie marschieren wollte, einmal habe man einen solchen Wahnsinn gemacht, das genüge. Aus den Geschehnissen müsse man lernen, und nie werde wieder ein solcher Fehler gemacht werden. Die Schweiz decke die Flanke Deutschlands und erspare diesem Befestigungen, Geld und Truppen; er könne nur wünschen, dass Deutschlands Grenzen so viel wie möglich auf diese Weise gesichert würden. Die Schweiz sei da, sie sei notwendig, und Deutschland könne es nur begrüssen, wenn sie ihre Rüstung organisiere und sich instand setze, um sich nach allen Seiten hin zu verteidigen. Von Deutschland habe sie aber nichts zu befürchten, seine Regierung sei im Gegenteil froh über die Schweiz und werde sich hüten, sich mit einer Verletzung der Neutralität zu belasten. Ein solches Vorgehen komme in gar keinem Fall irgendwie in Frage. Immer werde die Unversehrtheit und Neutralität der Schweiz seitens Deutschlands respektiert werden.
Ich bat den Reichskanzler um die Erlaubnis, seine kategorischen Erklärungen, die ich lebhaft begrüsse, dem Bundesrat zuhanden des Schweizervolkes mitzuteilen, womit Hitler sich sehr einverstanden erklärte. Er wünsche die Beseitigung aller Missverständnisse und die Widerlegung von Unwahrheiten, die böswillig in Zirkulation gesetzt worden seien. An die Besprechung des Verhältnisses zur Schweiz schloss sich dann ein Rundgang längs der deutschen Grenzen an. Was Belgien und Holland betreffe, so sei er bereit, deren Neutralität vollständig zu respektieren. Die Form werde man finden. Auch diese beiden Länder würden seitens Deutschlands nie in einen Konflikt hineingezogen. (Nebenbei besagt, finde man im Auswärtigen Amte, dass nicht die Neutralität von Belgien und Holland in Frage stehe, sondern dass es sich vielmehr darum handle, diesen Ländern Integrität zuzusichern.) Was Frankreich betrifft, so erklärte der Reichskanzler mit grösster Entschiedenheit, dass ihn nichts, aber auch gar nichts von diesem Lande trenne. Die Elsässer seien unzufrieden gewesen unter dem deutschen Regime, jetzt bekomme ihnen das französische nicht; er denke nicht daran, wegen dieser Provinz einen Krieg heraufzubeschwören und eine Million Menschen «abzuschlachten». Dieser Streitpunkt sei endgültig erledigt. Er habe die Überzeugung, dass man zu einer Verständigung kommen werde, auf jeden Fall werde er alles tun, um eine solche zu erreichen. Das Verhältnis zu Österreich sei geordnet und die deutsch-österreichischen Grenzen gesichert, darüber brauche man gar nicht weiter zu sprechen. Sehr optimistisch sprach sich dann der Reichskanzler auch über das Verhältnis zu Polen aus. Auch mit diesem Lande bestehe eine Vereinbarung und die Polen hätten nur einen Feind, das sei Sowietrussland. Von Polen habe Deutschland nichts zu befürchten. Ich warf absichtlich ein, dass der neuliche Besuch des polnischen Marschalls in Paris doch eigentlich für eine andere Orientierung Polens spreche. Hitler widersprach mir aber lebhaft mit dem Bemerken, seiner Sache sicher zu sein. Er fügte bei, Deutschland sei ja vielleicht nicht immer entzückt über Polen und das Gleiche gelte für das letztere, aber die beiden Länder sind da, müssen miteinander rechnen und miteinander auszukommen versuchen. Er, Hitler, sei ein Realpolitiker, der mit den gegebenen Verhältnissen rechne, und die Interessen für eine Verständigung überwiegen bei weitem die Bedeutung gewisser Differenzpunkte, die bestehen. Als den schwierigsten, den neuralgischen Punkt der deutschen Grenzen bezeichnete der Reichskanzler die Tschechoslovakei. Dort werde die deutsche Minderheit schlecht behandelt. Aber auch mit diesem Lande müsse eine Verständigung angebahnt und erreicht werden. Denn er wolle den Frieden und er sei überzeugt, dass er ihn erhalten könne. Er sei sich seiner Verantwortlichkeit gegenüber dem deutschen Volke bewusst und ich dürfe ihm glauben, dass seine Sorgen grosse und redliche seien. Am Schlüsse sprach mir der Führer noch kurz von seiner Regierungsübernahme. Er sei bloss zu dritt in die Regierung eingetreten und hätte die ändern Minister alle übernommen. Seither habe er sich nur von drei Mitarbeitern getrennt, nämlich Herrn Hugenberg, mit dem er heute noch in den besten Beziehungen und in Korrespondenz stehe; Herrn Reichswirtschaftsminister Schmitt, der zu seinem lebhaften Bedauern wegen einer Herzkrankheit sein Amt verlassen habe, und von Eltz-Rübenach, der ein strenger und gläubiger Katholik sei und die Verantwortlichkeit für gewisse Beschlüsse des Kabinetts nicht glaubte übernehmen zu können. Es herrsche aber in seiner Regierung das beste Einvernehmen, er deutete auch an, dass ja keineswegs alle Mitglieder der Regierung eifrige Parteiangehörige seien. So endete das ganze Gespräch in einer zwangslosen Unterhaltung, in der ich auch noch auf die Stabilität der schweizerischen Regierung hin wies.
Zum Schlüsse dankte ich Hitler für seine Erklärungen und gab wiederholt der Überzeugung Ausdruck, dass sie in der Schweiz gut aufgenommen werden. Wir sprachen beidseitig den Wunsch aus, dass die Beziehungen zwischen beiden Ländern jederzeit wie unter guten Nachbarn freundschaftliche seien, und dass alle Schwierigkeiten auf dem Wege der loyalen Verständigung beseitigt werden.
Ich glaube sagen zu dürfen, dass es dem Reichskanzler angenehm war, sich einmal über das Verhältnis mit der Schweiz offen aussprechen zu können. Er spricht klar, deutlich und logisch und in einer guten Diktion. Er hat sich offenbar viel Wissen angeeignet und sprach selbst über wirtschaftliche Fragen lebhaft und in zutreffender Weise. Alle seine Äusserungen waren massvoll und vernünftig und der Gesamteindruck meiner Unterhaltung ist ein günstiger. Die Besprechung fand in einem grossen Saal, der ihm zugleich als Arbeitszimmer dient, in der Reichskanzlei statt.
Der Reichskanzler beauftragte mich, dem Bundespräsident seine Grüsse zu übermitteln.
Beim Hinausgehen unterbreitete ich Herrn Staatssekretär Dr. Lammers, dem Chef der Reichskanzlei, den Text der Mitteilung, den ich dem politischen Departement zu machen gedenke; er erklärte sich damit einverstanden. Ich habe dann Herrn Weizsäcker ein Exemplar meines Entwurfes übergeben. Der Vollständigkeit halber sei hier noch die Mitteilung, die ich Ihnen machte, aufgenommen. Danach wurden die Erklärungen des Herrn Hitler in folgender Weise zusammengefasst:
«Der Bestand der Schweiz ist eine europäische Notwendigkeit. Wir wünschen mit ihr als gute Nachbarn in bestem Einvernehmen zu leben und uns mit ihr in allen Dingen loyal zu verständigen. Als ich in meiner Reichstagsrede von der Neutralität zweier anderer Länder sprach, habe ich die Schweiz absichtlich nicht erwähnt, weil ihre hergebrachte, von ihr geübte und von den Mächten, auch von uns, immer anerkannte Neutralität in keiner Weise in Frage steht.
Zu jeder Zeit, komme was da wolle, werden wir die Unverletzlichkeit und Neutralität der Schweiz respektieren. Das sage ich Ihnen mit aller Bestimmtheit. Noch nie habe ich Anlass zu einer ändern Auffassung gegeben.
Ich ermächtige Sie, diese Erklärung Ihrer Regierung zu Händen des Schweizerischen Volkes mitzuteilen.»
Nachtrag: Im Moment, in dem ich diese Aufzeichnung vollende, vernehme ich, dass die sozialistische Presse die Behauptung aufgestellt hat, Herr Hitler habe die Neutralität nicht eindeutig zugesichert, sondern gegen das Versprechen, dass unsere Presse die Kritik am deutschen Reiche abbreche und sich überhaupt anders einstelle. Nur der Vollständigkeit halber möchte ich hier noch erklären, dass diese Behauptung selbstverständlich eine glatte Erfindung ist. Ich hatte nichts zu versprechen, habe nichts versprochen und bin mir auch bewusst, dass solche Zusicherungen überhaupt nicht gegeben werden könnten, da der Bundesrat ja gar keine Mittel hat um ihre Innehaltung durchzusetzen.