Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
11. France
11.2. Questions de travail
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 11, doc. 137
volume linkBern 1989
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E1004.1#1000/9#13111* | |
Dossier title | Beschlussprotokoll(-e) 09.07.-12.07.1935 (1935–1935) |
dodis.ch/46058
CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 12 juillet 19351
1293. Behandlung der Schweizer in Frankreich. Verhandlungen in Paris
Procès-verbal de la séance du 12 juillet 19351
[...]2
Leider hat sich seither die Situation unserer Landsleute in Frankreich noch viel schlimmer gestaltet. Während es sich im vergangenen Jahr vorwiegend um die Anwendung der französischen Vorschriften über die Kontingentierung der ausländischen Arbeitskräfte handelte, wovon nur eine verhältnismässig kleine Zahl von Schweizern betroffen wurde, so geht es jetzt um die Verlängerung der Identitätskarten, d. h. der Aufenthalts- und Arbeitsbewilligungen, die in diesem Jahr in ihrer Gesamtheit erneuert werden müssen. Es war uns im Jahre 1933 gelungen, beim Abschluss eines Abkommens3 über die gegenseitige Gleichbehandlung in der Arbeitslosenunterstützung – das seither beiderseits de facto angewendet wird, aber mangels Genehmigung durch den französischen Senat noch nicht formell in Kraft getreten ist – in einem besonderen Notenaustausch die Zusicherung zu erhalten, dass Schweizern, die seit mindestens 5 Jahren in Frankreich wohnen und die Arbeitskarte besitzen, dieselbe aus Gründen der Arbeitslosigkeit auf keinen Fall entzogen oder nicht erneuert werden dürfe und dass auch bei kürzerem Aufenthalt die Arbeitskarte nicht wegen Arbeitslosigkeit entzogen werde und Verlängerungsgesuche mit Wohlwollen geprüft werden. Mit Note vom 26. Juli 19334 versprach das französische Aussenministerium überdies eine wohlwollende Behandlung solcher Schweizer, die zwar über 5 Jahre in Frankreich leben, aber erst jetzt eine Arbeitskarte verlangen (Minderjährige und Personen, die bisher selbständig oder auf einen Erwerb nicht angewiesen waren).
In den letzten Monaten haben sich die Fälle gehäuft, wo unsern Landsleuten entgegen diesen Versprechen die Verlängerung der Arbeitskarte verweigert wurde. Infolge entschiedener Vorstellungen unserer Gesandtschaft wurde der schweizerische Geschäftsträger aufs Aussenministerium gerufen, wo ihm der Abteilungschef für Einwanderung, Herr Minister Japy, eröffnete, dass alle Bemühungen des Ministeriums zu Gunsten des schweizerischen Standpunktes gescheitert seien, infolge der fremdenfeindlichen Haltung der öffentlichen Meinung, des Parlaments, der Fachministerien und gewisser prominenter Regierungsmitglieder. Selbst Herriot habe geäussert, es gebe gegenüber 30 000 Franzosen in der Schweiz 80 000 Schweizer in Frankreich (die Zahlen sind nach unseren Feststellungen richtig), also 50000 Schweizer in Frankreich zu viel. Eine Ratifikation des Abkommens betreffend gegenseitige Gleichbehandlung in der Arbeitslosenunterstützung vom 9. Juni 19335 komme nicht mehr in Frage, weil Parlament und Ministerrat entschlossen seien, keine Abmachung mehr zu ratifizieren, die Auslagen für die Ausländer vorsehen. Auch die oben erwähnten, im Zusammenhang mit diesem Abkommen gegebenen Zusicherungen betreffend Erteilung und Verlängerung der Arbeitskarten werden nicht mehr als bindend anerkannt.
Die dadurch geschaffene ernste Sachlage wurde in einer Konferenz zwischen Vertretern des Politischen Departements, des Justiz- und Polizeidepartements und des Volkswirtschaftsdepartements einlässlich erörtert. Dabei ergab sich volle Übereinstimmung darüber, dass der schweizerische Gesandte in Paris zu beauftragen sei, beim französischen Ministerpräsidenten gegen die Haltung der französischen Regierung Protest einzulegen, Verhandlungen zu fordern und für den Fall, dass uns nicht befriedigende Zusicherungen gegeben werden, mit Gegenmassnahmen gegen die Franzosen in der Schweiz zu drohen. Herr Minister Stucki erklärte sich damit einverstanden, dass, um dem Schritt vermehrten Nachdruck zu verleihen, in vorsichtiger Weise als Argument auch der grosse französische Einfuhrüberschuss verwendet werde, der den Ausgleich für den Unterschied in der Zahl der Schweizer in Frankreich und der Franzosen in der Schweiz bildet.
Das Politische Departement hat gestützt auf diese Aussprache der schweizerischen Gesandtschaft in Paris entsprechende Weisungen erteilt. Der Schritt von Herrn Minister Dunant, der Herrn Ministerpräsidenten Laval das in Abschrift beiliegende Aide-Mémoire6 übergab und einmal mehr alle unsere Argumente zu Gunsten einer wohlwollenden Behandlung der Schweizer in Frankreich entwikkelte, hatte den gewünschten Erfolg. Die Gesandtschaft konnte uns melden, dass Frankreich zu Verhandlungen bereit sei, die auf den 17. d. M. in Paris in Aussicht genommen sind.[...]
Nach den erhaltenen Mitteilungen scheint man französischerseits bereit zu sein, unsern Wünschen im Wege einer vertraulichen, lediglich von den Leitern der beiden Delegationen zu unterzeichnenden Abmachung entgegenzukommen, die nicht der Ratifikation unterliegt und den Charakter einer Vereinbarung über die beiderseits von den Behörden zu befolgende Praxis haben soll.
Die schweizerische Delegation wird danach zu trachten haben, für die Schweizer in Frankreich eine Behandlung zu sichern, die im praktischen Ergebnis möglichst derjenigen der Franzosen in der Schweiz entspricht.
Sie wird ihr Augenmerk vor allem darauf richten müssen, dass denjenigen Schweizern, die seit vielen Jahren in Frankreich ansässig sind, angesichts der gesicherten Stellung der Franzosen mit Niederlassungsbewilligung in der Schweiz, die Verlängerung der Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung (Arbeitskarte) ohne weiteres und ohne Rücksicht auf den Arbeitsmarkt gewährt wird, wenn möglich soweit sie seit mindestens 5 Jahren, jedenfalls aber wenn sie seit 10 Jahren und länger ununterbrochen in Frankreich wohnen. Für die übrigen Landsleute ist die Zusicherung wohlwollender Prüfung im Einzelfall unter Berücksichtigung der Dauer des Aufenthaltes, soweit nicht eine besonders grosse Arbeitslosigkeit im betreffenden Beruf und in der betreffenden Gegend besteht, wenigstens anzustreben.
Sodann wird die Delegation die Gelegenheit benützen können, um auch alle unsere übrigen Beschwerden und Wünsche betreffend Aufenthalt und Berufsausübung der Schweizer in Frankreich vorzubringen, in der Meinung, dass für diese Fragen, sofern sich in der kurzen Zeit, die für die Verhandlungen der französischen Delegation zur Verfügung steht, eine Lösung nicht erzielen lässt, wenigstens der Weg für spätere erneute Verhandlungen geebnet werden soll.
Zur Sprache zu bringen ist namentlich unsere bis jetzt vergeblich vertretene Forderung, dass gemäss der im Niederlassungsvertrag von 188 27 enthaltenen Gleichbehandlungsklausel die weit über hundert Dekretenber die Kontingentierung der ausländischen Arbeitskräfte in einzelnen Erwerbszweigen und Gegenden auf seit langem in Frankreich niedergelassene Schweizer nicht angewendet werden. Die Zahl der uns bekannt gewordenen Fälle, wo Schweizer wegen solcher Dekrete ihre Stellen aufgeben mussten, ist verhältnismässig nicht so gross und die rechtliche Grundlage unserer Forderung nicht so sicher, dass es sich rechtfertigen würde, hieraus eine conditio sine qua non zu machen, zumal es der französischen Regierung schwer fallen dürfte, eine uns befriedigende praktische Lösung zu finden, ohne Präjudiz gegenüber ändern an dieser Frage noch stärker als wir interessierten Ländern zu schaffen. Vielleicht liesse sich wenigstens erwirken, dass in Einzelfällen auf Ersuchen der Gesandtschaft ein Dispens erteilt wird.
Besonders wichtig ist sodann die Frage der «stagiaires». Frankreich war von jeher das Ziel vieler junger Schweizer, die dort ihre beruflichen und sprachlichen Kenntnisse erweitert und verbessert haben. Es ist danach zu trachten, unsern jungen Landsleuten eine solche Möglichkeit weiterhin zu sichern. Wünschbar wäre eine nicht an ein bestimmtes jährliches Kontingent gebundene Zusicherung. Da Frankreich sich aber bisher völlig auf das Kontingentsystem versteift hat, besteht hiefür wenig Aussicht. Deshalb sollte ein Kontingentsabkommen nach dem Muster des kürzlich mit Belgien getroffenen nicht ohne weiteres von der Hand gewiesen werden, sofern die Höhe des Kontingentes eine Verbesserung gegenüber dem gegenwärtigen Zustand erwarten liesse.
Schwierigkeiten erwuchsen bisher auch den Kindern von in Frankreich ansässigen Schweizern, die zwar seit langem in Frankreich leben, aber erst mit dem Eintritt ins Erwerbsleben zum ersten Mal eine Arbeitskarte benötigen. Auf sie bezog sich die mit Note des französischen Aussenministeriums von 26. Juli 19338 gegebene und nun widerrufene Zusicherung wohlwollender Behänd- [, ..]9setzen werde.
Neben diesen Hauptfragen steht es der Delegation natürlich frei, allenfalls noch andere Punkte betreffend die Behandlung der Schweizer in Frankreich, die sich bei der den Verhandlungen vorausgehenden Aussprache mit der Gesandtschaft oder im Laufe der Verhandlungen zeigen sollten, zur Sprache zu bringen, z.B. solche, die sich auf die in Frankreich bestehende Tendenz beziehen, den Ausländern einzelne Berufe (Medizin) ganz oder teilweise zu verschliessen.
Angesichts der Dringlichkeit, der bedrohlichen Lage der Schweizer in Frankreich zu begegnen, ist die schweizerische Delegation zu ermächtigen, im Rahmen der vorstehenden Erwägungen eine Vereinbarung mit der französischen Delegation zu treffen, ohne vorher noch dem Bundesrat zu referieren.10
- 1
- E 1004 1/353.↩
- 2
- Le Conseil fédéral a adopté en son temps le rapport et la proposition du 9 mars 1934 du Département politique sur la situation des Suisses travaillant en France. Mais les négociations commerciales a vec ce pays ont été si difficiles, qu’il n’a pas été possible de les élargir à ce problème. Cf. no 16.↩
- 3
- Cf. DDS vol. 10, no 298, dodis.ch/45840.↩
- 4
- Non retrouvé.↩
- 5
- DDS vol. 10, no 298, dodis.ch/45840.↩
- 6
- Le 5 juillet (E 2001 (C) 4/57).↩
- 7
- Du 23 février 1882 (RO, 1882, vol. 6, pp. 362ss.).↩
- 8
- Cf. n. 3.↩
- 9
- Texte original incomplet.↩
- 10
- Le 2 août, le Conseil fédéral ratifie les deux accords conclus entre les délégations, selon les modalités suivantes: 1. Die Vereinbarung über die Lage der Arbeitnehmer des einen Landes, die im ändern arbeiten. Durch sie sind erfreulicherweise sehr wertvolle Zusicherungen für die grosse Schweizerkolonie in Frankreich erzielt worden, besonders soweit es sich um Schweizer handelt, die seit über 5 Jahren in Frankreich leben. Der frühere Zustand wurde im wesentlichen wieder hergestellt und teilweise verbessert, sodass die Gefahr einer Verdrängung einer grossen Zahl von Schweizern durch Verweigerung der Arbeitskarte beschworen ist. Die Vereinbarung gibt der Gesandtschaft und den Konsulaten eine wertvolle Grundlage, um in den Einzelfällen, wo Schweizern Schwierigkeiten gemacht werden, sich für sie zu verwenden. Die Delegation hat von der Ermächtigung Gebrauch gemacht, die Vereinbarung endgültig abzuschliessen, ohne sie vorher dem Bundesrat noch zu unterbreiten. Die Abmachung ist mit dem heutigen Tag in Kraft getreten und gilt bis Ende 1936, bleibt aber mangels Kündigung vor dem 1. Oktober jeweils für ein weiteres Jahr in Kraft. 2. Die Vereinbarung über die Zulassung von Stagiaires bringt wesentlich vermehrte Möglichkeiten für junge Schweizer, die vorübergehend in Frankreich arbeiten wollen, um ihre Kenntnisse zu erweitern. Wenn auch das übrigens nur mit grosser Mühe erstrittene Kontingent gemessen an den vorhandenen Bedürfnissen wenig befriedigend ist, so bedeutet es doch eine erhebliche Verbesserung gegenüber dem gegenwärtigen Zustand. Es besteht daher aller Anlass, die von der Delegation vorbehaltene Genehmigung der Vereinbarung auszusprechen. Sie ist für das laufende Jahr geschlossen worden, bleibt aber jeweilen für ein weiteres Jahr in Kraft, wenn sie nicht vor dem 1. Oktober gekündigt wird (PVCF no 1374 du 2 août 1935, E 1004 1/353). Pour les textes –confidentiels – des deux arrangements et le communiqué de presse du 26 juillet, cf. E 2001 (C) 4/57.↩
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