Langue: allemand
2.7.1935 (mardi)
CONSEIL FÉDÉRAL Procès-verbal de la séance du 2.7.1935
Procès-verbal du Conseil fédéral (PVCF)
Après l’interdiction des Basler Nachrichten, le conflit de presse avec le Reich se durcit. Le Conseil fédéral interdit trois journaux nationaux-socialistes.
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Jean-Claude Favez et al. (ed.)

Documents Diplomatiques Suisses, vol. 11, doc. 131

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Bern 1989

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dodis.ch/46052
CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 2 juillet 19351

1194. Bericht über die deutschen Zeitungsverbote (Basler Nachrichten)

Der Pressekonflikt mit Deutschland hat leider durch ein unbefristetes Verbot der «Basler Nachrichten», das die schweizer. Gesandtschaft mit Telegramm vom 28. v.M.2 meldete, eine neue Verschärfung erhalten.

Die Schwierigkeiten der Schweizerpresse in Deutschland haben bekanntlich nach dem nationalsozialistischen Wahlsieg vom 5. März 1933 eingesetzt und sind eine Folge der deutschen «Gleichschaltungs»-Politik3. Dem Verbot der kommunistischen und sozialistischen Blätter folgten bald Massnahmen gegen bürgerliche Zeitungen, die gegenüber Deutschland eine kritische Haltung einnahmen. Gestützt auf einen ausführlichen Bericht des Politischen Departements beschloss der Bundesrat zunächst am 24. November 19334, von Gegenmassnahmen abzusehen. Dank den unausgesetzten Bemühungen unseres Gesandten in Berlin gelang es auch zunächst, die Aufhebung aller Verbote gegen solche Schweizerzeitungen zu erwirken, die nicht durch ihre Schreibweise diplomatische Schritte von vornherein unmöglich machten.

Im Zusammenhang mit der innerpolitischen Spannung, die zu den Ereignissen vom 30. Juni führte, verschärfte sich aber die Situation von neuem5. Infolge von Verboten gegen die «Neue Zürcher Zeitung» und die «Basler Nationalzeitung» erliess der Bundesrat am 6. Juli 1934 als Gegenmassnahme ein auf 14 Tage befristetes Verbot gegen den «Angriff», die «Berliner Börsen Zeitung» und den «Völkischen Beobachter»6, worauf die Reichsregierung mit einem sechsmonatigen Verbot der «Neuen Zürcher Zeitung», der «Nationalzeitung» und des «Bund» antwortete, sodass sich der Bundesrat veranlasst sah, seinerseits am 17. Juli 1934 die von ihm erlassenen Verbote auf unbestimmte Zeit zu verlängern. Die deutschen Verbote wurden im Dezember 1934, d. h. schon einige Zeit vor Ablauf der sechsmonatigen Frist ebenfalls auf unbestimmte Zeit verlängert. Die Vertreter der betroffenen Schweizerzeitungen haben damals bei einer Aussprache mit dem Politischen Departement sich auf den Standpunkt gestellt, dass eine Initiative zwecks Aufhebung des Verbots nicht in Betracht komme und dass sie keinerlei Bindungen hinsichtlich ihrer Haltung gegenüber Deutschland eingehen können, was mit der Notwendigkeit begründet wurde, in der Schweiz das in Deutschland herrschende politische System zu bekämpfen7.

Dauernd verboten ist seit dem 31. Mai 1934 auch das «Vaterland». Ferner wurden in letzter Zeit wiederholt befristete Verbote erlassen, nämlich gegen den «Landboten» vom 22. März bis 30. April 1935, gegen die «Thurgauer Zeitung», vom 5. April bis 30. Juni 1935 und gegen die «Ostschweiz» vom 13. Mai bis 15. Juli 1935.

Was die «Basler Nachrichten» betrifft, so hatte sich diese Zeitung zwar verschiedentlich über Beschlagnahmen einzelner Nummern, zum Teil aus Übereifer lokaler Stellen zu beklagen. Ein Verbot ist j edoch bis j etzt nie ergangen, wohl aber wurde seit einiger Zeit damit gedroht. Herr Nationalrat Dr. Oeri hat sich kürzlich persönlich zu Herrn Aussenminister von Neurath begeben, um diese Gefahr abzuwenden. Er fand bei ihm volles Verständnis; doch weigerte sich, trotz der Verwendung des Aussenministers, Herr Minister Goebbels, auf dessen Betreiben das Verbot nun ergangen ist, Herrn Dr. Oeri überhaupt zu empfangen8. Auf ein Verbot könne er nur verzichten, wenn ganz bestimmte Zusicherungen über die künftige Haltung des Blattes gegeben werden. Auf eine solche Zumutung konnte die Zeitung natürlich nicht eingehen.

Auch Herr Minister Dinichert hat keine Gelegenheit versäumt, um einer Verschärfung des Pressekonflikts vorzubeugen und auch für eine Aufhebung der bestehenden Verbote den Boden vorzubereiten. Wiederholt und mit dem grössten Nachdruck ist er beim Auswärtigen Amt und schliesslich beim Reichsaussenminister persönlich vorstellig geworden um darzutun, dass die angedrohte Massnahme gegen die «Basler Nachrichten» angesichts der auch vom Departement festgestellten durchaus korrekten Haltung dieser letzten grossen in Deutschland noch in erheblichem Masse verbreiteten deutsch-schweizerischen Zeitung, völlig unberechtigt sei und verhängnisvolle Folgen haben müsste, da die Schweiz zu neuen entschiedenen Gegenmassnahmen gezwungen wäre. Er fand bei Herrn von Neurath volle Zustimmung. Dieser erklärte sich auch bereit, am gleichen Tag den Entscheid des Reichskanzlers anzurufen. Herr Hitler scheint jedoch dem Propagandaminister Recht gegeben zu haben, trotzdem dessen Vorgehen völlig im Widerspruch steht zu der Erklärung, die Herr Goebbels selbst Herrn Bundesrat Motta im Herbst 1933 abgegeben hat, dass die Verbote sich nur gegen eine ausgesprochen feindselige Gesinnung richten, wogegen man die Schweizerzeitungen keineswegs wegen objektiver und sachlicher Kritik fernhalten wolle9.

Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes wird das Verbot der «Basler Nachrichten» damit begründet, das Blatt habe in Deutschland eine derartige Verbreitung erreicht, dass den zuständigen Stellen eine andere Behandlung als die der deutschen Zeitungen nicht mehr möglich und gerechtfertigt erscheine. Wie versichert wird, wurde der Absatz der «Basler Nachrichten», der zeitweise bis zu 80 000 Stück ging, seit längerer Zeit von der Zeitung auf höchstens 50 000 Stück zurückgeschraubt. Der Konkurrenzneid spielt wohl auch seine Rolle, wenn auch bei den dem Verbot vorangegangenen Besprechungen zunächst «der Ton» der Zeitung beanstandet und dann erklärt wurde, es sei im jetzigen Zeitpunkt nicht mehr «tragbar», diese Informationsquelle den zahlreichen deutschen Lesern zu erhalten.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass das Verbot keineswegs durch eine Änderung in der Schreibweise des Blattes verursacht wurde. Die Zeitung hat sich vielmehr, ohne die sich für eine schweizerische Zeitung gebührende Haltung preiszugeben, doch stets im Rahmen einer sachlichen Würdigung der deutschen Belange und eines korrekten Tones gehalten, was bei ändern verbotenen schweizerischen Blättern nicht immer zutrifft. Der Anspruch des Herrn Goebbels, den gleichen Massstab wie an eine deutsche Zeitung anzulegen, muss entschieden abgelehnt werden. Man muss darin einen Angriff auf die Unabhängigkeit der Schweiz. Presse erblicken, der scharf zurückzuweisen ist.

Es stellt sich die Frage, wie dieser neuen Massnahme des Propagandaministeriums, die vom Reichsaussenminister und ohne Zweifel auch von vielen ändern deutschen Stellen und Kreisen missbilligt wird, begegnet werden kann. Herr Minister Dinichert befürwortet scharfe Gegenmassnahmen gegen die deutschen Zeitungen und insbesondere auch gegen den «Reichsdeutschen», das Organ der Deutschen in der Schweiz, womit er bereits gedroht hat, ohne das Verbot der «Basler Nachrichten» abwenden zu können10.

Das Politische Departement teilt die Auffassung des Gesandten, dass man die deutsche Massnahme nicht stillschweigend hinnehmen könne und dass man allen Grund zu scharfen Massnahmen hat. Von neuen Besprechungen mit der Reichsregierung ist nach dem Gesagten nichts zu erwarten.

Das Departement verhehlt sich aber auch nicht, dass durch Gegenmassnahmen, selbst wenn sie sich auf die ganze politische deutsche Presse erstrecken würden, ein Einlenken der deutschen Regierung kaum zu erhoffen ist. Wohl aber könnten sie, wie die Erfahrung von 1934 erwarten lässt, zum Verbot der übrigen schweizerischen Zeitungen führen. Es scheint, dass man deutscherseits durch die Duldung der nichtdeutschsprachigen Schweizerzeitungen die Zulassung wenigstens eines Teils der deutschen Presse zu erhalten hofft.

Nach den im vergangenen Jahr angestellten Erhebungen ist die Einfuhr deutscher Zeitungen gering. Einzig die «Frankfurter Zeitung» überstieg mit durchschnittlich 2235 Stück pro Nummer im Sommer 1934 das Tausend. Das «Berliner Tagblatt», die «Kölnische Zeitung», das «Stuttgarter Neue Tageblatt», die «Münchener Neueste Nachrichten» erreichten 500 bis 600 Stück. Bei allen diesen Blättern handelt es sich um der Schweiz wohlgesinnte Zeitungen, deren Verbot unsern Interessen widerstreiten würde. Angesichts der Drohungen gegen die «Basler Nachrichten» wurde die Postverwaltung um neue Erhebungen über die Einfuhr deutscher Zeitungen gebeten, deren Ergebnis aber erst im Laufe der Woche vorliegen wird. Dass die Einfuhr im ganzen stark zugenommmen hätte, ist kaum zu erwarten.

Ein allgemeines Verbot der deutschen Presse will somit ernstlich überlegt sein. Die Schweizerzeitungen haben zwar in Deutschland nicht mehr viel zu verlieren. Immerhin dürfte es noch eine ganze Anzahl kleinerer Blätter geben, die von unsern Landsleuten im Reich gelesen werden. Auf der ändern Seite müsste ein generelles Verbot aber zu einer ganz unerwünschten Spannung führen und das ausgerechnet zu Beginn der Reisesaison. Das Verbot könnte leicht zu einer Propaganda gegen Reisen nach der Schweiz benützt werden. Auch die allfälligen Folgen für unsere sonstigen wirtschaftlichen Beziehungen zu Deutschland sind in Betracht zu ziehen.

Wird von einem allgemeinen Verbot der politischen deutschen Zeitungen abgesehen, so bleibt die Möglichkeit, einzelne Blätter zu verbieten, deren Verbreitung in der Schweiz ohnehin unerwünscht ist. Das gilt vor allem vom «Reichsdeutschen», dem Organ der Deutschen in der Schweiz, das nationalsozialistisch orientiert ist und trotz seiner im allgemeinen gegenüber der Schweiz geübten Zurückhaltung zu beständigen Angriffen seitens der schweizerischen Linkspresse und entsprechenden polemischen Auseinandersetzungen Anlass gibt und dessen Verschwinden deshalb erwünscht wäre. Abgesehen vom «Schweizerecho», das kaum als politische Blatt anzusprechen ist, ist dem Departement kein Organ der Schweizer in Deutschland bekannt, sodass Rückwirkungen in dieser Richtung kaum zu befürchten sind. Unerwünscht ist ferner der «Stürmer», das bekannte Hetzblatt gegen die Juden, gegen das Massnahmen bereits seitens einzelner Kantone und der Bundesanwaltschaft ins Auge gefasst wurden. Die Erhebungen der Postverwaltung dürften sodann ergeben, ob an Stelle des «Völkischen Beobachters» und des «Angriffs» andere nationalsozialistische Blätter eine grössere Verbreitung in der Schweiz gefunden haben und für ein Verbot in Frage kämen («Westdeutscher Beobachter», «Alemanne» usw.).

... Hin und wieder sind Massnahmen gegen die illustrierten deutschen Zeitungen und Zeitschriften angeregt worden. Das Politische Departement ist jedoch seinerzeit darauf aufmerksam gemacht worden, dass hievon eine Anzahl schweizerischer illustrierter Blätter mit starkem Absatz in Deutschland in Mitleidenschaft gezogen würden. Auch ganz abgesehen davon, scheint es nicht angezeigt, auf diese Weise den Pressekonflikt auf ein damit nur lose zusammenhängendes Gebiet auszudehnen.

Die Massnahme der deutschen Regierung ist in jeder Beziehung zu bedauern. Sie schädigt, abgesehen von der Zeitung selbst, vor allem unsere Landsleute im Reich, die einer wertvollen geistigen Verbindung mit der Heimat beraubt werden, die sich nur teilweise und nur so lange ersetzen lässt, als die wenigen noch zugelassenen deutschsprachigen Blätter nicht auch von einem Verbot getroffen werden, was bei der gegenwärtigen Einstellung des Reichspropagandaministers sehr zu befürchten ist. Sie bedeutet durch ihre Auswirkungen eine höchst unerwünschte neue Belastung der schweizerischen Beziehungen zu Deutschland.

Als kleines, wegen seiner mannigfachen Interessen gegenüber dem grossen Nachbarn leicht verwundbares Land kann man kaum hoffen, gewaltsam die Rückgängigmachung zu erzwingen. Die Gegenmassnahmen werden die dadurch geschaffene Sachlage eher noch verschlimmern. Trotzdem darf man im Interesse unserer Würde und wenn man die Urheber des Verbotes nicht zu neuen ähnlichen Gewaltmassnahmen ermutigen will, kaum auf eine Gegenmassnahme verzichten, auch wenn diese nur die Wirkung einer Demonstration hat.

Auf Grund der Beratung wirdes seien als Retorsionsmassnahme folgende drei Zeitungen in der Schweiz zu verbieten: Der «Stürmer», der «Alemanne» und der in Zürich erscheinende «Reichsdeutsche». Es wird in das Ermessen des Politischen Departements gestellt, noch ein weiteres deutsches Blatt, das von ihm zu bezeichnen wäre, zu verbieten.

1
E 1004 1/353.
2
Non reproduit.
3
Cf. DDS vol. 10, rubrique II. 1.5: Allemagne, affaires de presse.
4
3. Cf. DDS vol. 10, no 359, dodis.ch/45901 A.
5
Cf. no 52.
6
Cf. no 52, n. 3.
7
Cf. no 52 + A.
8
Cf. lettre de P. Dinichert à G. Motta du 26 juin 1935 in E 2001 (C) 4/131.
9
Cf. DDS vol. 10, no 336, dodis.ch/45878.
10
G. Motta pense comme P. Dinichert que des mesures de rétorsion doivent être appliquées au cas où une nouvelle interdiction de journaux serait prononcée: [...] Haben schon die in den letzten Monaten von den deutschen Behörden erneut ausgesprochenen Verbote gegen verschiedene gemässigte schweizerische Zeitungen oder Zeitschriften bei uns unliebsames Aufsehen erregt, so wäre zweifellos ein Verbot der «Basler Nachrichten» geeignet, dem latenten Zeitungskonflikt eine neue Schärfe zu geben. Wir könnten schon mit Rücksicht auf unsere Landsleute in Deutschland ein solches Verbot kaum stillschweigend hinnehmen und sähen uns genötigt, dem Bundesrat neue Gegenmassnahmen vorzuschlagen. Andererseits hätte ein solches Verbot zweifellos zur Folge, der Agitation gegen die nationalsozialistischen Gruppen in der Schweiz neue Nahrung zu geben, sodass ein Verbot des «Reichsdeutschen» und eine Wegweisung Gustloffs, so sehr wir solche Massnahmen unsererseits bedauern würden, sich kaum mehr vermeiden Hessen. Wir fragen uns deshalb, ob es nicht angezeigt sei, dass Sie einen Schritt an hoher Stelle im Auswärtigen Amt unternehmen, um auf die verhängnisvollen Folgen eines Verbots der «Basler Nachrichten» hinzuweisen, das dazu angetan wäre, allen unsern Bemühungen um ein gutes Verhältnis zu Deutschland zum Trotz die Lage neuerdings zu verschärfen, namentlich in der oben erwähnten Richtung.[...] (Lettre du 5 juin 1935 in E 2001 (C) 4/131).