Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
1. Allemagne
1.1. Relations financières et commerciales
Pubblicato in
Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 11, doc. 75
volume linkBern 1989
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Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
Segnatura | CH-BAR#E1004.1#1000/9#13039* | |
Titolo dossier | Beschlussprotokoll(-e) 26.10.-30.10.1934 (1934–1934) |
dodis.ch/45996
CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 30 octobre 19341
1860. Verhandlungen mit Deutschland
Procès-verbal de la séance du 30 octobre 19341
Zur Berichterstattung und zur Einholung von Instruktionen erscheint Herr Minister Stucki. Er führt aus:
«Die Anlage A zum Abkommen vom 26. Juli 19342 regelt, gestützt auf die damals in Kraft befindliche deutsche Devisengesetzgebung, sehr einlässlich und präzis die Bezahlung von aus der Schweiz nach Deutschland gelieferten Waren.
Der grosse Vorteil jener Regelung bestand darin, dass für den deutschen Käufer schweizerischer Waren die Formalitäten auf ein Minimum beschränkt wurden, indem auf verschiedenen Wegen die Zahlungsgenehmigung entweder vom schweizerischen Exporteur direkt oder von seinem deutschen Vertreter oder sogar von deutschen Speditionsfirmen und Banken eingeholt werden konnte. Als Reichsbankpräsident Schacht in seinen Reden von Leipzig und Bad Eilsen eine grundlegende Änderung der deutschen Einfuhrpolitik und der damit in Zusammenhang stehenden Devisengesetzgebung ankündigte, glaubten wir als selbstverständlich voraussetzen zu können, dass die neuen Pläne der Schweiz gegenüber nicht verwirklicht würden, soweit sie mit dem bestehenden Abkommen im Widerspruch stünden. Es ist dies sowohl von Herrn Schacht selber als von der deutschen Regierung bestätigt worden3. Trotzdem sind am 4. September die zur Durchführung des Schacht-Planes bestimmten Verordnungen erlassen und am 24. September in Kraft gesetzt worden, ohne dass die sich aus dem Abrechnungsabkommen mit der Schweiz aufdrängenden Ausnahmen gemacht worden wären. Im Auftrag des Volkswirtschaftsdepartementes hat die Schweizerische Gesandtschaft in Berlin gegen die begangene schwere Vertragsverletzung energischen Protest eingelegt, ohne dass bis jetzt die Note überhaupt von deutscher Seite beantwortet worden wäre4. Im ausdrücklichen Aufträge des Bundesrates haben wir hierauf das vertraglich vorgesehene Schiedsgericht angerufen und versucht, in den Verhandlungen von Wiesbaden und Bern5 die deutsche Regierung dazu zu bringen, uns gegenüber wieder den vollen Vertragszustand herbeizuführen. Das Wesentliche im «Schacht-Plan» besteht nämlich darin, dass jedem Geschäftsabschluss zwecks Einfuhr fremder Waren vorgängig von der zuständigen deutschen Überwachungsstelle die Genehmigung in Form einer Devisenbescheinigung einzuholen ist und dass diese Genehmigung nur erteilt wird, wenn für den betreffenden Import ein wirtschaftliches Bedürfnis anerkannt wird und die nötigen Devisen gerade zur Verfügung stehen. Zudem müssen die Devisenbescheinigungen vom Importeur selber nachgesucht werden und auf ihn lauten.
In den bisherigen Verhandlungen hat sich die deutsche Delegation auf den Standpunkt gestellt, es sei vollkommen unmöglich, den ganzen Plan mit seiner gewaltigen administrativen Neuorganisation durch ein der Schweiz zu gewährendes Sonderregime zu durchlöchern. Statt den Vertragszustand wieder herzustellen wurde lediglich zugesagt, eine Reihe von Einzelerleichterungen autonom zu gewähren, die allerdings gegenüber dem jetzigen vollkommen unerträglichen Zustand wesentliche Verbesserungen bedeuten. Bis jetzt ist immerhin die entsprechende autonome deutsche Änderung nicht erfolgt.
Die Folgen der Ankündigung und Inkraftsetzung des «Schacht-Planes» haben nun im Warenverkehr Deutschlands mit dem Auslande, auch der Schweiz, zu ganz ausserordentlichen Verhältnissen geführt: Die deutschen Exporteure wie die ausländischen Exporteure rechneten damit, dass auf den 24. September für die Wareneinfuhr fast unüberwindliche Schwierigkeiten geschaffen würden, was dazu führte, dass in den ersten drei Wochen September der Import fremder Waren nach Deutschland ganz gewaltig und in durchaus anormaler Weise anschwoll6, was nicht nur auf die deutsche Handelsbilanz im allgemeinen, sondern auch auf die Bilanzen mit den einzelnen Ländern selbstverständlich von grösstem Einfluss sein musste. Diese gewaltige Störung des Warenverkehrs hat sich denn auch selbstverständlich in ausschlaggebender Weise auf die von Deutschland mit ändern Ländern abgeschlossenen Verrechnungsabkommen ausgewirkt und deren Spiel entweder verunmöglicht oder doch zum mindesten auf das Schwerste gestört. Eine solche schwere Störung ergibt sich auch für das schweizerisch-deutsche Verrechnungsabkommen, was von der deutschen Regierung zum Vorwand genommen wurde, um gemäss Art. 6 des Abkommens Revisionsverhandlungen zu fordern, sodass ab 1. November die im erwähnten Artikel festgesetzten Fristen zu laufen beginnen.
Bei Abschluss des schweizerisch-deutschen Verrechnungsabkommens setzte man sich beidseitig zum Ziele, zunächst den schweizerischen Warenexport nach Deutschland in ungefähr bisherigem Ausmasse, den Fremdenverkehr und die minimale Verzinsung der schweizerischen lang- und mittelfristigen Forderungen zu finanzieren. Man ging gestützt auf die bestehenden Erfahrungen davon aus, dass hiefür ein Betrag von monatlich ca. Fr. 24 Millionen erforderlich sei. Dann sollten der Reichsbank Fr. 5 Millionen zur Verfügung gestellt werden, worauf die Zuwendungen an den Amortisationsfonds und für aus der Schweiz gelieferte Transitwaren hätten berücksichtigt werden sollen. Die Rechnung beruhte also auf der Annahme eines monatlichen schweizerischen Exportes von ca. Fr. 14 Millionen und von Erfordernissen für den Fremdenverkehr von ca. Fr. 3 Millionen monatlich. Der Import deutscher Waren wurde auf 33 bis 35 Millionen monatlich geschätzt. Infolge der oben geschilderten Verhältnisse ist der schweizerische Warenexport nach Deutschland im September auf über Fr. 20 Millionen angestiegen und auch der Fremdenverkehr beanspruchte bedeutend grössere Beträge als vorgesehen war. Gleichzeitig ging aber die Einfuhr aus Deutschland trotz unsern Erleichterungsmassnahmen auf ca. Fr. 30 Millionen zurück. Die bisherigen Ergebnisse des Verrechnungsabkommens sind demgemäss folgende:
Bei der Schweizerischen Nationalbank wurden, zur Hauptsache für den Import deutscher Waren, zur Verfügung gestellt: Fr. 82,5 Millionen
Daraus sind bezahlt worden:
Für nach Deutschland exportierte Waren Reiseverkehr
Lebensunterhalt, Unterstützungen etc.
Fr. 48,4 Millionen
Fr. 14,3 Millionen
Fr. 3,4 Millionen
Provisionen, Entschädigung für ideelle Leistungen etc. Fr. 3,2 Millionen Transitwaren Post
Pendenzen, Härtefälle, Diverses ca.
Für Verzinsung von KapitalforderungenFr. 3,3 Millionen
Fr. 1,6 Millionen
Fr. 5 Millionen
Fr. 1,5 Millionen
Die Interessen des Warenexportes und des Fremdenverkehrs sind also bis jetzt in überreichlicher, die Interessen der Finanz in unzureichender Weise berücksichtigt worden. Dazu kommt nun namentlich noch, dass bei dieser Situation bis jetzt der Deutschen Reichsbank keinerlei freie Devisen zur Verfügung gestellt werden konnten.
Es ist nun selbstverständlich, dass, so begrüssenswert es an sich wäre wenn der schweizerische Export auf dieser anormalen Höhe gehalten werden könnte, dies nur möglich wäre unter Schädigung anderer schweizerischer und namentlich auch der deutschen Interessen. Dieser anormale Export liegt insbesondere vor für baumwollene Garne und Zwirne, und wir haben bereits mit der deutschen Delegation eine Lösung in Aussicht genommen, die diesen Export zwar in seinem normalen Masse sichert, aber ihm die weitere Ausnützung der bisherigen Spekulationskonjunktur verunmöglicht. Selbstverständlich sind dagegen bereits von Seiten der beteiligten schweizerischen Industrien heftigste Proteste bei uns eingelangt7. Wir glauben aber nicht, dass der Bundesrat wird zulassen können, dass gewisse schweizerische Kreise von einer ganz ausserordentlichen Konjunktur unerwarteten überreichlichen Nutzen ziehen und dass dafür andere schweizerische Kreise in ihren Erwartungen, die sie gestützt auf das Verrechnungsabkommen in guten Treuen haben mussten, auf das schwerste enttäuscht werden. Es ist zudem notwendig geworden, den Export von der Schweiz aus in dem Sinne zu überwachen, dass nicht fremde Waren, die nur wenig oder gar nur zum Schein in der Schweiz bearbeitet wurden, unter schweizerischer Flagge nach Deutschland verkauft werden und das Verrechnungsabkommen belasten.
Mit Bezug auf den Fremdenverkehr liegt zweifellos ebenfalls eine missbräuchliche Verwendung der von der Schweiz für ihre eigenen Interessen erzielten Vertragsvorteile vor: Es ist offenbar in ziemlich grossem Ausmasse vorgekommen, dass sich Deutsche schweizerische Reiseschecks aushändigen liessen, auf der Durchreise das Geld abhoben und es dann, umgewechselt in französische Franken, Lire oder österreichische Schillings, in jenen Ländern verbrauchten. Wir haben mit dem schweizerischen Fremdenverkehrsverband und den zuständigen Stellen eingehend alle Massnahmen besprochen, die geeignet wären, diese Missbräuche zu beseitigen oder doch stark einzudämmen, ohne gleichzeitig den wirklich deutsch-schweizerischen Fremdenverkehr zu schädigen. Die einzig mögliche Lösung dieser schwierigen Frage geht dahin, dass die Auszahlung der Schecks nicht auf einmal, sondern nur in gewissen Staffelungen vorgenommen werden kann.
Wir haben oben darauf hingewiesen, dass die Einfuhr deutscher Waren in die Schweiz wesentlich abgenommen und hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. Die Gründe für diese mit bezug auf das Verrechnungsabkommen äusserst unerwünschte Erscheinung liegen darin, dass
1. in Deutschland offenbar eine allgemeine Exportmüdigkeit herrscht,
2. die Abneigung weiter schweizerischer Kreise gegen deutsche Waren gerade infolge der von Deutschland begangenen Vertragsverletzung zunimmt,
3. die deutschen Preise stark steigende Tendenz aufweisen und endlich
4. zahlreiche deutsche Firmen schon heute erklären, mangels der nötigen Rohstoffe die Lieferung nach der Schweiz einstellen zu müssen.
Es ist natürlich ausserordentlich schwierig, gegen diese Umstände anzukämpfen, und es kann erst dann mit einem neuen Ansteigen der Einfuhr aus Deutschland gerechnet werden, wenn endlich einmal eine ruhige Entwicklung im Warenverkehr gesichert ist und nicht von deutscher Seite stets neue umwälzende Eingriffe vorgenommen werden.
Seit dem Inkrafttreten des Verrechnungsabkommens kann schweizerischerseits nicht, wie früher, auf deutsche Vertragsverletzungen mit Repressalien auf dem Gebiete des Warenimportes geantwortet werden, da hierdurch nur das Verrechnungsabkommen noch mehr gestört und wichtige schweizerische Interessen noch stärker verletzt würden. Unter diesen Umständen wird anlässlich der kommenden Verhandlungen nichts anderes übrig bleiben als sich mit der gegebenen Sachlage unter schärfstem Protest abzufinden und zu versuchen, die in Deutschland getroffene Neuordnung soweit als irgendwie möglich den schweizerischen Interessen anzupassen. Es ist in der Tat aussichtslos, darauf bestehen zu wollen, dass Deutschland die getroffene Neuregelung der Einfuhrpolitik und Devisenbewirtschaftung einzig der Schweiz gegenüber grundlegend ändere, weil dies technisch gar nicht durchführbar erscheint. Anlässlich dieser Verhandlungen werden im weitern zahllose auf allen Gebieten entstandene Divergenzen über Einzelfragen zur Abklärung gebracht werden müssen. Ferner, und das wird die Hauptsache sein, wird man Mittel und Wege zu finden haben, um das gestörte Gleichgewicht im Verrechnungsabkommen wieder herzustellen, d.h. namentlich die schweizerische Ausfuhr auf ihren normalen Stand zurückzudämmen und die Bezüge deutscher Waren nach Möglichkeit zu steigern. Da seit dem 24. September der Export unserer Waren nach Deutschland stark zurückgegangen ist, so wird sich dies, so bedauerlich es vom Standpunkt der Volkswirtschaft aus ist, für das Gleichgewicht im Clearing günstig auswirken. Die schweizerische Delegation wird deshalb den Standpunkt vertreten, es sei nicht nötig, am Abkommen grundlegende Veränderungen vorzunehmen. Demgegenüber ist zu erwarten, dass die deutsche Regierung mit grösstem Nachdruck verlangen wird, durch Ausscheidung eines bestimmten Prozentsatzes die der Reichsbank zugesagten freien Devisen unter allen Umständen sicherzustellen. Da Deutschland eine solche Regelung in seinen übrigen Verrechnungsabkommen, namentlich mit Frankreich, erreicht hat, so wird man sich schweizerischerseits einem solchen Begehren – wenn unbedingt nötig – nicht endgültig verschliessen können.
Da die Verhandlungen ausserordentlich schwierig und vielgestaltig sein werden, ist es nötig, die gleichen Experten wiederum beizuziehen, die bei Abschluss des Verrechnungsabkommens bereits mitgewirkt hatten, nämlich die Herren Direktor Schnorf (Nationalbank), Dr.Jöhr (Bankiervereinigung), Dr. Hornberger (Handels- und Industrie-Verein), Dr. Koenig (Rentenanstalt), Legationsrat Dr.Vieli. Es scheint auch angezeigt zu sein, diesen Herren, wie früher, eine Tagesentschädigung von Fr 30.– zukommen zu lassen, wobei die Hotelzimmer vom Bunde zu bezahlen wären.»
Der Rat nimmt von der Lage der Dinge Kenntnis und erteilt dem schweizerischen Unterhändler, Herrn Minister Stucki, die erforderlichen Instruktionen im Sinne seiner obigen Ausführungen. Er genehmigt ferner den vorgelegten Entwurf zu einem Communiqué.
- 1
- E 1004 1/348. Absent: Schulthess.↩
- 2
- Cf. no 53, n. 13.↩
- 3
- Cf. nos 59, 66 et 68.↩
- 4
- Cf. no 68 + A et no 73, n. 5.↩
- 5
- Cf. nos 68 et 73.↩
- 6
- Cf. le rapport du Comité Allemagne de lAssociation suisse des banquiers: Die Ausfuhr von der Schweiz nach Deutschland betrug: Januar–Juni durchschnittlich Fr. 13200000 Juli August September Oktober November Fr. 13 900000 Fr. 14900000 Fr. 20500000 Fr. 14200000 Fr. 19400000 Bei der Schweizerischen Verrechnungsstelle, welche die Anmeldung der Exportförderungen verlangt, sind auf das letzte Datum Forderungen für 63 Millionen Franken angemeldet worden, während schon für 67,6 Millionen Franken solche Forderungen bezahlt wurden. Der schweizerische Export möchte also aus dem Verrechnungsabkommen Fr. 130,6 Millionen herausholen, was ungefähr 90% der Gesamtausfuhr von der Schweiz nach Deutschland seit Januar 1934, die auf 142–143 Millionen Fr. geschätzt wird, ausmacht. Das lässt auf Missbräuche schliessen [...] ( E 2001 (C) 4/148).↩
- 7
- Non reproduit. Cf. E 7110 1/49.↩
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