Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
1. Allemagne
1.6. Affaires de presse
Également: Motta s’entretient avec les rédacteurs en chef du Bund, de la Nationalzeitung et de la Neue Zürcher Zeitung de l’interdiction de leurs journaux en Allemagne. Annexe de 28.12.1934
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 11, doc. 52
volume linkBern 1989
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001C#1000/1534#2392* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(C)1000/1534 130 | |
Dossier title | Deutsch-schweiz. Pressebeziehungen, Allgemeines, I (1933–1934) | |
File reference archive | B.73.3.2 • Additional component: Deutschland |
dodis.ch/45973
Wie am Schlüsse meines gestrigen Berichtes angekündigt und durch mein Telegramm2 von gestern Abend bestätigt, habe ich am gestrigen spätem Nachmittag auf dringende Einladung Ministerialdirektors Koepke mit diesem eine Aussprache über die Zeitungsfrage geführt.
Herr Koepke empfing mich mit ungewohnt finsterer Miene, was zu seinem sonst jovialen Gesichte nicht recht passen will. Ich merkte beim ersten Worte, wie der Wind blasen sollte und schaltete mich demnach ein. Dr. Koepke erklärte sich von seinem Minister beauftragt, mir zu sagen, dass dieser die durch die schweizerischen Zeitungsverböte3 geschaffene Lage als recht ernst und für unsere Beziehungen höchst bedauerlich ansehe. Ich erwiderte, dass wir den jetzt bestehenden Zustand ganz gleich einschätzten.
Herr Koepke kam vorerst auf die seinem Mitarbeiter von mir am Sonntag Morgen gestellten Fragen über die Bekanntmachung des sechsmonatigen Verbotes zu sprechen.4 Ich präzisierte meine Fragestellung und die erhaltene, an Sie sofort weitergegebene Beantwortung. Dr. Koepke bestätigte mir, dass ich die Sache vollkommen richtig verstanden habe, er müsse aber bemerken, dass jener Erlass vom Auswärtigen Amte nicht vorgelegt worden sei, ansonst ihm eine andere Fassung gegeben worden wäre. Ich nahm davon Kenntnis mit dem Bemerken, dass das Propagandaministerium sich arg täusche, wenn es sich einbilde, mit solchen Mitteln mit uns vorwärts zu kommen. Hierauf Koepke: Das Auswärtige Amt habe mit dem Propagandaministerium nichts zu tun. Ich: Wohl aber wir, denn schliesslich ist das Propagandaministerium eine höchste Regierungsstelle. Damit war dieses Vorgefecht beendet. Es klang also deutscherseits, obwohl das Wort nicht ausgesprochen wurde, wie ein Bedauern über die Form der Veröffentlichung, die bereits Samstag Abend durch den Rundfunk bekannt gegeben wurde.
Nun, meinte Direktor Koepke, zur Sache. Freiherr von Neurath liesse mir sagen, dass die Reichsregierung den ihm zugeworfenen Fehdehandschuh aufzunehmen bereit sei. Es handle sich zugestandenermassen um eine reine Gegenmassnahme5, indem den verbotenen deutschen Zeitungen nichts vorgeworfen werden könne; und diese Massnahme treffe der Bundesrat im Augenblicke, wo Deutschland eine Verschwörung habe unterdrücken müssen und sich in schwierigen politischen Verhältnissen befinde. Die deutschen Behörden seien zu Massnahmen gegen die Auslandpresse wegen deren Verhalten gezwungen gewesen.6 Das waren die in ausgesprochenem Vorwurfstone vorgetragenen Gedankengänge.
Ich hatte den Vertreter des Auswärtigen Amtes ausreden lassen und setzte dann ruhig und bestimmt unsern Standpunkt auseinander, indem ich verschiedene Äusserungen Koepke’s, gestützt auf die vollständigen Akten, die er vor sich hatte, richtigstellte. Ich kannte sie ja leider auswendig, währenddem Direktor Koepke sich bisher nur beiläufig mit diesen Angelegenheiten zu befassen hatte. Als ich eine immerhin deutliche Anspielung auf den Fehdehandschuh machte, unterbrach mich Herr Koepke, indem er sagte, ich solle doch den Ausdruck nicht wörtlich nehmen, er habe ihn in seiner begreiflichen Aufregung gebraucht, seine Ausführungen seien auch ohne dieses schwerwiegende Wort verständlich. Ich erwiderte, dass ich sehr gerne davon Vormerk nehme, dass jenes Wort aus unserer Unterhaltung ausgemerzt werden soll.
Ich brauche hier nicht näher auf alles einzugehen, was ich zur Aufklärung der schweizerischen Stellungnahme ausgeführt habe. Betont habe ich, dass der Anstand bestand und zu einem Ausbruche reif war längst vor den Ereignissen des 30. Juni. Ich bat Direktor Koepke seinen Akten die Abschrift Ihres Telegrammes vom 15. Juni7 zu entnehmen, die ich am 16. dem Staatssekretär brachte und aus der sich ergab, dass neuen deutschen Massnahmen Gegenmassnahmen schweizerischerseits unmittelbar folgen würden. Das Auswärtige Amt sei also seit drei Wochen verständigt gewesen; seither seien mir gegen die bekanntgegebene Absicht des Bundesrates keinerlei Einwendungen wie die heutigen gemacht worden. Der Bundesrat habe weiterhin noch Verständnis und Geduld gezeigt, weil es sich bei den zahlreichen vorkommenden Beschlagnahmen und der Vorzensur um Eingriffe untergeordneter Stellen handeln mochte, die insbesondere vom Auswärtigen Amt nicht gebilligt schienen. Durch die ausdrückliche Zustimmung des Amtes, ohne irgendwie mit uns Fühlungsnahme gesucht zu haben, zu drei Zeitungsverboten am 4. Juli habe man dann bewussterweise die Sache auf die Spitze getrieben. Die Gegenmassnahme des Bundesrates könne also nicht unerwartet gekommen sein; man müsse sie auch im Auswärtigen Amte im Voraus mit in den Kauf genommen haben.
Was den Charakter der reinen Gegenmassnahmen anbetreffe, so sei dies so zu verstehen, dass der Bundesrat nie beabsichtigt habe, deutsche Zeitungen wegen ihres Inhaltes zu verbieten, weil er grundsätzlich gegen solche Massnahmen, vornehmlich im Verkehr mit einem befreundeten Nachbarlande sei. Also stehen tatsächlich auch die drei Verbote in keinem unmittelbaren Zusammenhange mit dem Inhalte der getroffenen Blätter. Unrichtig sei aber zu behaupten, dass wir nie Anlass gehabt hätten, was in deutschen Zeitungen geschrieben worden sei, zu beanstanden. Wenn das Propagandaministerium das noch behaupten wolle, so haben wir das weiter nicht ernst zu nehmen. Von Seiten des Auswärtigen Amtes könne das aber nicht aufrecht erhalten werden, weil es durch mehrere Besprechungen, die ich mit ihm geführt habe, widerlegt sei.
Ich erwähnte ferner, dass die deutschen Massnahmen unmissverständlich sich gegen die deutsch-schweizerische Presse als solche richteten, da viele ausländische Zeitungen, die noch ganz anders als die schweizerischen schrieben, nicht verboten worden seien.
Nach dieser gründlichen Auseinandersetzung fing dann Direktor Koepke an, andere Töne anzuschlagen. Er meinte insbesondere, wir seien doch schliesslich da, um zu versuchen, die verdorbene Lage möglichst wieder in Ordnung zu bringen. Ich bemerkte hierzu sofort, dass dies nun sein erstes Wort sei, mit dem ich völlig einig gehe. Ich stelle mich dem Auswärtigen Amte, wie stets, ganz zur Verfügung, um unsere Beziehungen, so viel an mir liegt, vor jeder Trübung zu bewahren. Ich sei sofort bereit, meiner Regierung jeden zweckdienlichen Vorschlag zu unterbreiten, der mir hier gemacht würde, um eine einigermassen zufriedenstellende Regelung zu erreichen. Hierzu erwiderte Direktor Koepke, dass er zu diesem Behufe keinerlei Auftrag besitze. Ich wiederholte aber mit Nachdruck meine Bereitwilligkeit und bat Dr. Koepke, dies dem Reichsaussenminister sagen zu wollen, wenn er ihm über unsere Unterhaltung Bericht erstatten werde.
Was ist von dieser Ansprache, die noch etwas in der Luft hängt, zu halten? Ich beurteile sie folgendermassen. Das Auswärtige Amt ist sicherlich etwas erschrokken über das Vorgehen des Propagandaministeriums und möchte die schädigenden Folgen abzuwenden suchen. Das eine Ministerium kann aber das andere nicht offen desavouieren. Man wollte es deshalb mit einem Gegenstosse versuchen und den Bundesrat wegen seiner Gegenmassnahme in’s Unrecht versetzen.
Diese erste Übung sollte Direktor Koepke mit mir vornehmen und er glaubte, es mit einer Art Einschüchterungsversuch wagen zu können. Ich glaube sagen zu dürfen, dass er damit abgeprallt ist und es auch eingesehen hat. Dann kommt etwas unvermittelt der Gedanke der Verständigung. Ich war sicher, im Sinne des Bundesrates zu handeln, indem ich in dieser Hinsicht sofort zugriff, aber sehr deutlich zu verstehen gab, dass es an der deutschen Regierung sei, uns über die Art einer Einigung konkrete Vorschläge zu machen. Ich habe in diesem Zusammenhang selbstredend nicht verfehlt, zu bemerken, dass ich zwar über die genauen Absichten des Bundesrates infolge des sechsmonatigen Verbots noch nicht unterrichtet sei, aber für mich keinerlei Zweifel darüber bestehe, dass die neue deutsche Massnahme durch weitere schweizerische Gegenmassnahmen beantwortet würde, sofern in nützlicher Zeit eine Einigung nicht erzielt werden könnte.
Ich sah mich gestern Abend nach einiger Überlegung veranlasst, Ihnen telegraphisch nahezulegen, mit der Ergreifung von weiteren Gegenmassnahmen bis zum Eingang dieser meiner Berichterstattung zuzuwarten. Mein Vorschlag ginge nunmehr dahin, jene Massnahmen zurückzustellen bis Anfang nächster Woche, in der Meinung, dass dem Auswärtigen Amte damit Zeit gelassen würde, mit Einigungsvorschlägen an uns heranzutreten, wenn es dies für gut findet. Die Einladung hierzu ist meinerseits in klarer Weise erfolgt und ich gedenke somit nicht, ohne gegenteilige Weisungen Ihrerseits, eine weitere Initiative zu ergreifen. Geschieht bis dahin, d. h. vor Ablauf des vierzehntägigen schweizerischen Verbots, nichts, so würden selbstverständlich die drei Verbote verlängert; und ich frage mich, ob es nicht das Einfachste wäre, die Verbote unbefristet zu erklären. Sie brauchten dann gegebenenfalls nicht widerrufen zu werden, sondern als aufgehoben erklärt. Was die Ausdehnung betrifft, so muss sie freilich auch in Aussicht genommen werden. Vielleicht könnte sie aber vorläufig abgeschoben und in Reserve behalten werden, sei es für den Fall irgendwelcher neuer Eingriffe deutscherseits, sei es für den Fall, dass eine Regelung in absehbarer Zeit nicht werde zu bewerkstelligen sein. Mit diesem nicht zu überstürzten Vorgehen unsererseits könnte unter Umständen der mir gestern kundgegebenen, sagen wir grundsätzlichen Verständigungsbereitwilligkeit vielleicht Vorschub geleistet werden. Erfüllt sich diese Erwartung nicht, so kann das Versäumte immer noch nachgeholt werden. Aber wohlverstanden, ich bleibe unbedingt bei der Meinung, dass wir äusserst scharf reagieren müssen, sobald und solange hier eine Verständigung nicht erstrebt werden sollte. Dann wird es heissen, sie auf die Dauer zu erzwingen zum schliesslichen bessern gegenseitigen Einvernehmen.8
- 1
- Lettre: E 2001 (C) 4/130. Remarques manuscrites de G. Motta: Ich bin einverstanden, dass wir jedenfalls bis nächste Woche zuwarten. 11.7.34. Heute dem Bundesrat den Inhalt mitgeteilt. 13.7.34.↩
- 2
- Non reproduit.↩
- 3
- En rétorsion aux nombreuses saisies de journaux suisses et à la nouvelle interdiction de /ö Neue Zürcher Zeitung et de la National-Zeitung, le Conseil fédéral décide le 6 juillet 1934 à son tour d’interdire les journaux allemands suivants: Völkischer Beobachter, Angriff et Berliner Börsenzeitung.↩
- 4
- Cf. la lettre de P. Dinichert à G. Motta du 9 juillet 1934 in E 2001 (C) 4/130.↩
- 5
- A propos de l’interdiction des journaux suisses en Allemagne, cf. DDS vol. 10, rubrique II. 1.5: Allemagne, affaires de presse.↩
- 6
- Il s’agit des événements du 30 juin 1934. A ce sujet J. Baumann écrit à G. Motta le 6 juillet:
[...] Die gesamte Schweizer Presse verurteilt die ungeheuerliche Blutjustiz der deutschen Regierung. Unsere öffentliche Meinung würde es nicht verstehen, dass ein Blatt wegen einer Anschuldigung gemassregelt wird, für die die angegriffene ausländische Regierung selbst Anhaltspunkte schafft, auf die sich der Beleidiger in einem Strafverfahren stützen könnte.[...] (E 2001 (C) 3/98).↩
- 7
- Dans sa lettre du 16 juin qui fait suite au télégramme du 15 juin 1934, G. Motta écrit:
[...]Es kann... den schweizerischen Zeitungen unmöglich zugemutet werden, aus Furcht vor Beschlagnahmen, die ihr von ihren Korrespondenten in Österreich zugehenden Meldungen zu unterdrücken, solange nicht klar erwiesen ist, dass sie falsch sind. Eine andere Haltung wäre eine unwürdige Preisgabe ihrer Unabhängigkeit und auch eine unangebrachte Haltung gegenüber Österreich. Eher müssen Beschlagnahmen in Kauf genommen werden. Die Beschlagnahmen haben sich aber in den letzten Tagen so gehäuft, dass sie von der schweizerischen öffentlichen Meinung als unerträglich empfunden werden. Wenn sie nicht aufhören, würde sich deshalb der Bundesrat zu seinem Bedauern zu Gegenmassnahmen gezwungen sehen. Wir telegraphierten Ihnen deshalb gestern: «Erkläret Aussenamt, dass weitere Verbote oder Beschlagnahmungen erster Schweizerzeitungen Gegenmassnahmen für Bundesrat unvermeidlich machen würden. Brieffolge.» Wir nehmen in Aussicht, auch mit Herrn Minister von Weizsäcker im gleichen Sinne Rücksprache zu nehmen.[...] (E 2001 (C) 4/130).↩
- 8
- Le 12 juillet 1934 G. Motta répond à P. Dinichert:
[...] Es ist klar, dass eine weitere Verschärfung des Zeitungskonfliktes, die allerdings befürchtet werden muss, tunlichst vermieden werden sollte. Durch einen Wettlauf mit Verboten würden die schweizerischen Interessen viel stärker betroffen als die deutschen, da nach neuen Erhebungen die Einfuhr deutscher Zeitungen überraschend gering ist. Sobald das vollständige Ergebnis dieser Erhebungen vorliegt, werden wir Sie davon verständigen. Wir halten jedenfalls dafür, dass schweizerischerseits alles, was eine Verschärfung herbeiführen könnte, vermieden werden sollte und dass wir gut tun, uns auf die unbedingt notwendige Abwehr zu beschränken. Die Tatsache, dass die Presse, wie immer, wenn sie in eigener Sache schreibt, in der Heftigkeit des Ausdruckes und in der Bedeutung, die sie der Angelegenheit geben möchte, übers Ziel↩
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