Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
11. France
11.1. Relations commerciales
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 11, doc. 5
volume linkBern 1989
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E1004.1#1000/9#12956* | |
Dossier title | Beschlussprotokoll(-e) 19.01.-23.01.1934 (1934–1934) |
dodis.ch/45926
CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 23 janvier 19341
141. Handelsvertragsverhandlungen mit Frankreich
Procès-verbal de la séance du 23 janvier 19341
[...]2Die Verhandlungen waren und sind dadurch ausserordentlich erschwert, dass über landwirtschaftliche Produkte einerseits und industrielle Produkte andererseits getrennt mit zwei verschiedenen Ministern gesprochen werden musste. Es fehlt bei der gegenwärtigen französischen Regierung jede einheitliche Führung in der Handelspolitik, die im Grunde ziemlich ziellos von den allen möglichen Einflüssen zugänglichen parlamentarischen Kommissionen gemacht wird. Diese Zersplitterung und Verwirrung hat denn auch gerade in der allerletzten Zeit Frankreich zu schweren handelspolitischen Konflikten mit Deutschland, England und Italien geführt, was sich glücklicherweise für unsere Besprechungen nicht ungünstig auswirkte.
In der Frage der «liberté tarifaire»3 haben die französischen Minister wie auch einzelne Mitglieder der Zollkommission der Kammer, mit denen unser Delegierter Fühlung aufnehmen konnte, die Berechtigung des schweizerischen Standpunktes durchaus anerkannt. Für die Mehrheit der Mitglieder der Zollkommission und des Parlaments besteht aber vorläufig dieses Schlagwort weiter, zum grössten Nachteil des französischen Exports, dem selbstverständlich andere Staaten die nötigen Zollgarantien auch nicht gewähren wollen, wenn Frankreich nicht Gegenrecht hält.
Unter dem Drucke der allgemeinen Situation und unserer Argumente hat aber die französische Regierung mit ausdrücklicher Zustimmung der Zollkommission der Kammer, die zu diesem Zwecke extra einberufen wurde, einen wesentlichen Schritt im Sinne unserer Forderungen gemacht: Der französische Vorschlag wurde, soweit es sich um den Export industrieller Produkte aus der Schweiz nach Frankreich handelt, dahin präzisiert und erweitert, dass:
a) für die kontingentierten Positionen die im Handelsvertrag festgelegten Zölle auf mindestens sechs Monate gebunden werden und
b) für die nichtkontingentierten Positionen eine solche Bindung für drei Monate offeriert wird.
Wenn man bedenkt, dass Frankreich gegenwärtig allen übrigen Staaten, mit Ausnahme von Belgien, Zollbindungen nur auf die Dauer von vierzehn Tagen, Belgien auf die Dauer eines Monats, gewährt hat, so bedeutet dieser Vorschlag ein wesentliches Entgegenkommen gegenüber der Schweiz. Unsere weitergehende Forderung, auch für die nicht kontingentierten Positionen eine Bindung auf sechs Monate einzugehen, ist von der Zollkommission der Kammer und von der Regierung mit aller Bestimmtheit abgelehnt worden.
In Übereinstimmung mit der schweizerischen Delegation sind wir der Ansicht, dass der französische Vorschlag grundsätzlich als Basis für die bevorstehenden Verhandlungen angenommen werden kann und dass auf dieser Grundlage ein Abkommen auch für uns annehmbar ist, namentlich wenn es gelingt, in der Frage der Durchführung der Kontingentierungsmassnahmen die nötigen Sicherungen für unsern Export zu erhalten.
Was diese letztere Frage anbelangt, so möchten wir daran erinnern, dass nach dem Abkommen vom Juni 19324 die Schweiz die ihr eingeräumten Kontingente für industrielle Produkte selber verwaltet, dass gestützt auf Kontingentsbescheinigungen, die die Handelsabteilung dem schweizerischen Exporteur ausstellt, die französische Zollverwaltung die Einfuhr zulässt und dass durch das System der «Bons de commande» den speziellen Verhältnissen für die Maschinenindustrie in befriedigender Weise Rechnung getragen werden konnte. In Frankreich macht sich nun begreiflicherweise das Bestreben geltend, die Verwaltung dieser Kontingente selber in die Hand zu bekommen und nicht mehr den Exportstaaten zu überlassen. So ist für die erwähnten, am 30. Dezember 19335 neu kontingentierten Positionen die Kontingentsverwaltung von Frankreich beansprucht worden. Da wir selber dieses System von Anfang an durchgeführt haben und weiter durchführen, war es recht delikat, dagegen anzukämpfen. Schon die Erfahrungen, die seit dem 1. Januar 1934 gemacht worden sind, zeigen aber mit aller Deutlichkeit, dass die französische Verwaltung selber nicht in der Lage ist, eine solche Kontingentierung ohne ganz wesentliche Schädigungen für den Import durchzuführen. Herr Minister Stucki hat denn auch mit allem Nachdruck verlangt, dass auch für diese neu kontingentierten Waren, jedenfalls soweit sie im alten Handelsvertrag zu unsern Gunsten gebunden sind, die Schweiz die Verwaltung erhalte. Mit Rücksicht auf die Rückwirkungen gegenüber ändern Ländern hat Frankreich diese Forderung zunächst abgelehnt; schliesslich wurde sie aber doch zugestanden für das ganze Gebiet der Maschinenindustrie und für einige andere Positionen, bei denen die Schweiz ganz besonders interessiert ist. Details sollen den kommenden Verhandlungen überlassen werden.
[...]
Wie mehrfach erwähnt, beziehen sich die bisher gemachten Ausführungen nur auf unsern Export industrieller Artikel, nicht aber auf landwirtschaftliche Produkte. Mit Bezug auf letztere, namentlich Käse, hat bekanntlich Frankreich schon auf den 1. Januar 1934 die Kontingentsverwaltung selber in die Hand genommen und will auf den 1. Februar unter allen Umständen die «liberté tarifaire». Im Hinblick auf die ausserordentlich grosse Bedeutung unseres Käseexports nach Frankreich ist hier der Konflikt bedeutend wichtiger und schärfer. Das französische Landwirtschaftsministerium steht unter einem ungeheuren Druck der französischen Milch- und Käseproduzenten, welche verlangen, dass der Käsezoll auf den 1. Februar stark erhöht, das der Schweiz bisher eingeräumte Kontingent wesentlich vermindert und an der Selbstverwaltung des Kontingents durch Frankreich unter allen Umständen festgehalten werde. Dazu kommt, dass aus Budgetgründen für die Einfuhrbewilligungen eine sehr hohe «taxe sur les licences d’importation» eingeführt werden soll6. Alle diese Postulate stehen in direktem Widerspruch mit unsern wichtigen Ausfuhrinteressen für Käse. Die Tatsache, dass ab l.d.Mts. die französischen Einfuhrbewilligungen in Paris ausgegeben werden sollen, hat bereits dazu geführt, dass bis zur Stunde, infolge der unbeschreiblichen Unordnung in den betreffenden Bureaux in Paris, entgegen allen uns gemachten Versprechungen noch keinerlei Einfuhrbewilligungen für den Monat Januar ausgegeben worden sind. Damit ist unser ganzer Käseexport nach Frankreich ins Stocken geraten, was sich angesichts der allgemeinen Lage auf unserem Käse- und Milchmarkt zu einer Katastrophe gestalten kann. Unter diesen Umständen hat Herr Minister Stucki dem französischen Landwirtschaftsminister folgendes erklärt: Die Schweiz hat bis jetzt bedeutend mehr französische landwirtschaftliche Produkte eingeführt, als sie solche nach Frankreich ausführen konnte. Sie ist bereit, das gegenwärtige Einfuhrregime beizubehalten, aber nur unter der Bedingung, dass ihre bisherigen Ausfuhrmöglichkeiten für Käse und kondensierte Milch nach Frankreich in keiner Weise verschlechtert werden. Sie kann weder der Kontingentsverwaltung durch Frankreich, noch einer Zollerhöhung, noch einer Verminderung des Kontingents zustimmen. Sollte Frankreich eine Einfuhrbewilligungstaxe erheben, so müsste die Schweiz die französischen landwirtschaftlichen Produkte mit einer entsprechenden Sondertaxe belegen, aus deren Ertrag den Exporteuren die französische Gebühr zurückerstattet würde. Sollte Frankreich den weitgehenden schweizerischen Vorschlag nicht annehmen wollen, so müsste die Schweiz schärfste Abwehrmassnahmen gegen alle französischen Landwirtschaftsprodukte, inklusive Wein und Holz, ergreifen. Die schweizerische Landwirtschaft ist infolge der französischen Massnahmen und Absichten äusserst beunruhigt, was bereits durch die Interpellation Moser-Schär7 zum Ausdruck gebracht wurde. Der Bundesrat ist aber auch fest entschlossen, mit allen Mitteln die bisherige Käseausfuhr nach Frankreich, die infolge der von der Schweiz verlangten höhern Preise für die französische Milch- und Käsewirtschaft keine wesentliche Bedrohung darstellt, aufrecht zu erhalten. [...]
Die Lage ist, mit Bezug auf die Ausfuhr von Käse und kondensierter Milch nach Frankreich, also gegenwärtig noch unabgeklärt und ernst. Minister Stucki hat unter diesen Umständen alles denkbar mögliche gemacht, dass durch Vermittlung der schweizerischen Handelskammer in Paris und durch die zuständigen schweizerischen Konsulate in der französischen Presse und durch direkte Fühlung mit den Parlamentariern derjenigen französischen Gegenden, die bisher Wein, Gemüse, Obst und andere Landwirtschaftsprodukte nach der Schweiz lieferten, die Gegenkräfte mobilisiert werden. Wenn auch leider nicht zu verkennen ist, dass der parlamentarische Einfluss der Milch- und Käseproduzenten wesentlich grösser ist, als derjenige der Wein-, Gemüse- und Obstbauern, so dürfte doch eine solche Aktion die Regierung zu einer wesentlichen Annäherung an den schweizerischen Standpunkt führen. Jedenfalls wird es unbedingt notwendig sein, dass wir auf den 1. Februar und so lange, bis eine befriedigende Regelung erzielt ist, die Einfuhr französischer Landwirtschaftsprodukte auf das äusserste einschränken. Die nötigen Weisungen an die Sektion für Einfuhr sind bereits erteilt worden.
Es erhebt sich nun selbstverständlich die Frage, ob wir uns, gestützt auf die eingangs gemachten Darlegungen, mit Frankreich über eine Regelung des industriellen Warenaustausches selbst dann verständigen können und wollen, wenn auf landwirtschaftlichem Gebiet eine Art Kriegszustand eintreten müsste. Mit Rücksicht darauf, dass die Bilanz im Austausch landwirtschaftlicher Produkte verhältnismässig für die Schweiz noch stärker passiv ist, als die allgemeine Handelsbilanz, und im Hinblick darauf, dass es äusserst bedauerlich wäre, wenn nicht wenigstens unser wichtiger industrieller Export nach Frankreich gesichert werden könnte, sind wir der Ansicht, dass eine industrielle Verständigung unter allen Umständen angestrebt werden muss. Man könnte sich höchstens fragen, ob nicht unsere in der starken Einfuhr landwirtschaftlicher Produkte aus Frankreich liegende Waffe auch zu Gunsten unseres industriellen Exports verwendet werden sollte. Wir glauben aber, auch ohne dies zu einer befriedigenden Regelung für die Industrie zu kommen und möchten deshalb jene Waffe ausschliesslich für den so ungemein wichtigen Export unserer Milchprodukte nach Frankreich reservieren. Das französische Handelsministerium steht auf dem gleichen Standpunkt und wird von der französischen Regierung zu erreichen suchen, dass man sich industriell verständigt, auch wenn dies landwirtschaftlich nicht möglich sein sollte. [...]
Gestützt auf diese Ausführungen wird
beschlossen:
[...]
2. Das Volkswirtschaftsdepartement wird ermächtigt, der französischen Regierung mitzuteilen, dass er mit der Entsendung einer Delegation nach Bern zur Regelung der neu eingetretenen Schwierigkeiten einverstanden sei.
3. Die schweizerische Delegation wird unter allen Umständen daran festhalten:
a. dass als Grundlage für die Kontingentierung von Schweiz. Käse die Ausfuhr vom Jahre 1933 genommen werde;
b. dass die Verwaltung der Kontingente für landwirtschaftliche Produkte der Schweiz zuerkannt werde.
- 1
- E 1004 1/344.↩
- 2
- Les négociations franco-suisses ouvertes à Berne en novembre 1933, après la dénonciation par la France de la convention de commerce de 1929 (cf. DDS vol. 10, nos 200, dodis.ch/45742 et 360, dodis.ch/45902) n’ont pas abouti. W. Stucki vient donc de mener à Paris des conversations directes, notamment avec les Ministères du Commerce et de l’Agriculture.↩
- 3
- Cf. DDS vol. 10, no 157, dodis.ch/45699.↩
- 4
- Cf. DDS vol. 10, no 177, dodis.ch/45719.↩
- 5
- 150 positions nouvelles sont contingentées par le décret gouvernemental, dont 25 touchent la convention de commerce franco-suisse.↩
- 6
- Cf. DDS vol. 10, no 96 dodis.ch/45638.↩
- 7
- Alors président de l’Union suisse des paysans. Les 4 et 9 janvier, cette association a fait connaître par lettres circonstanciées sa position à la Division du Commerce du Département de l’Economie publique (E 7110 1/57).↩
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