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Documents Diplomatiques Suisses, vol. 10, doc. 301
volume linkBern 1982
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E2001C#1000/1534#3090* | |
Ancienne cote | CH-BAR E 2001(C)1000/1534 176 | |
Titre du dossier | Durchführung der mit versch. Ländern getroffenen Devisenabkommen, I (1932–1935) | |
Référence archives | C.42.10 |
dodis.ch/45843
Le Directoire de la Banque nationale au Chef du Département de l’Economie publique, E. Schulthess1
[...]
Die Besprechungen an der Wirtschaftskonferenz in Londonla hinsichtlich der Regelung der zwischenstaatlichen privaten Verschuldung und der Abtragung der Finanzforderungen werden voraussichtlich negativ verlaufen. Es hat sich bis jetzt gezeigt, dass die Bestrebungen, eine Behebung oder zum mindesten doch eine Milderung der auf dem Gebiete der zwischenstaatlichen Schuldenregelung herrschenden Schwierigkeiten und Missstände auf den Wege plurilateraler Abmachungen zu erreichen, vorderhand und wahrscheinlich für längere Zeit keine Aussicht auf Erfolg haben. Damit findet die in der Instruktion des Bundesrates an seine Delegation2 enthaltene grundsätzliche Auffassung allgemein Anerkennung, dass anstelle einer generellen und schematischen Regelung der internationalen Privatschulden der Weg der individuellen Schuldenregelung zwischen Gläubiger und Schuldner zu beschreiten sei. Dieses Ergebnis der bezüglichen Verhandlungen gibt uns zur Feststellung Anlass, dass die namentlich für die Schweiz in höchstem Masse unbefriedigende Situation in bezug auf die Abtragung der schweizerischen Finanzforderungen an das Ausland andauert und sich sogar zufolge des ungünstigen Ausganges der Weltwirtschaftskonferenz und der inzwischen eingetretenen Transfermassnahmen Deutschlands3 im Grunde nicht unwesentlich verschlimmert hat.
Wenn darauf hingewiesen wird, dass ein Teil der schweizerischen Finanzforderungen der Vorzüge der Stillhalteabkommen4 mit Deutschland und Ungarn teilhaftig wird, so ist demgegenüber im Rahmen unserer Betrachtung sogleich auf die Schwierigkeit aufmerksam zu machen, dass gemäss den deutschen Transfermassnahmen die Überweisung der in den Stillhalteabkommen festgelegten Rückzahlungsquoten aus deutschen Stillhaltekrediten bis zum Ablauf der Abkommen nicht mehr erfolgt, und dass im ungarischen Stillhalteabkommen5 eine Transferierung weder der Zinsen noch der Tilgungsraten vorgesehen ist. Die Erfassung mehrerer Gläubigerstaaten in diesen Stillhalteabmachungen hat nun zur Folge, dass hierdurch für die Dauer der Stillhalteabkommen, d.h. bis Ende Februar, bzw. 15. März 1934, eine Berücksichtigung dieser Forderungen in allfälligen bilateralen Vereinbarungen zur Schuldabtragung mit den betreffenden Schuldnerstaaten nicht in Frage kommen kann, weil die Vertragsbedingungen eine Vorzugsbehandlung einzelner beteiligter Staaten in der Frage der Kapitalrückzahlung ausdrücklich verbieten.
In Erwägung dieser Schwierigkeiten gibt die Entwicklung der Sachlage berechtigterweise zu ernsten Bedenken Anlass; denn gerade heute kommt unter dem Eindruck des weiterhin ungünstigen Standes der Handelsbilanz den Erträgnissen aus dem Kapitalverkehr im Rahmen der schweizerischen Zahlungsbilanz ganz besondere Bedeutung zu. Wie sehr der Rückgang der Kapitalerträgnisse im Verein mit der Verminderung anderweitiger Einkünfte in der Zahlungsbilanz dazu angetan ist, deren Status zu verschlechtern, dürfte aus der beiliegenden Aufstellung6 über die Entwicklung der schweizerischen Zahlungsbilanz von 1928 bis 1932 hervorgehen. Wohl kann es sich in diesen Angaben um blosse Schätzungen handeln; doch vermögen diese gleichwohl gewisse Anhaltspunkte über die Bewegung der schweizerischen Wirtschaft zu vermitteln.
Die dargelegten Umstände lassen die zwingende Notwendigkeit erkennen, dass die schweizerischen Finanzforderungen an das Ausland als wichtiger Teil des Nationalvermögens zum Schaden der gesamten Volkswirtschaft nicht mehr länger einem unbestimmten Schicksal überlassen werden dürfen und dass deshalb zu deren Abtragung, unbekümmert um die jetzige Sonderstellung der Stillhalteforderungen, versucht werden muss, auf dem Wege bilateraler Abmachungen an eine für die Schweiz befriedigende Lösung dieses Problems heranzutreten. Nach unserer Auffassung rückt damit die Frage der Abtragung ausländischer Finanzschulden an die Schweiz mehr und mehr in den Rahmen des schweizerischen Warenverkehrs mit dem Ausland, in dem Sinne, als schweizerische Finanzforderungen letzten Endes nur durch Warenbezüge aus den betreffenden Schuldnerstaaten beglichen werden können.
Unter dem Gesichtspunkt einer entsprechenden Regelung der schweizerischen Handelsbeziehungen mit dem Ausland ist deshalb die Abänderung der bestehenden Clearingverträge mit ausländischen Staaten - wir denken zunächst an Ungarn - sowie allenfalls der Abschluss neuer Clearingverträge mit weitgehendster Berücksichtigung der Finanzforderungen ins Auge zu fassen. Tatsächlich drängt sich die Erkenntnis auf, dass zur Regelung der ausländischen Schuldverpflichtungen an die Schweiz die Handelspolitik unseres Landes aufs engste mit den Massnahmen zur Aufrechterhaltung des zwischenstaatlichen Zahlungsverkehrs verknüpft werden muss. Es scheint uns deshalb, dass kommende Handelsvertragsverhandlungen und Clearingabmachungen dem Gedanken der Abtragung schweizerischer Finanzforderungen Rechnung zu tragen haben. Alsdann dürfte es unumgänglich sein, den Einfuhrhandel, nach den dargelegten Gesichtspunkten über die Berücksichtigung der Finanzforderungen, unter Umständen in neue Kanäle zu leiten, um die Importe vornehmlich jenen Ländern zugute kommen zu lassen, die der Schweiz gegenüber bedeutende Kapitalverpflichtungen aufzuweisen haben. Dieser Weg dürfte sich umso eher als gangbar erweisen, als die Finanzgläubiger die Geneigtheit bekunden, auf ihren Forderungen einen gewissen Einschlag zuzugestehen, falls deren Realisierung auf dem Wege des Importes ausländischer Waren in die Schweiz erzielt werden kann. Diese Möglichkeit verdient Beachtung, denn gerade durch solche Zugeständnisse seitens der Gläubiger lassen sich umso leichter Importe aus Ländern nach der Schweiz bewerkstelligen, die sonst nicht oder nur in unbedeutendem Masse nach der Schweiz exportieren.
Zur Durchführung einer derartigen Forderungsabtragung ist es notwendig, genaue Erhebungen über die schweizerischen Finanzforderungen an solche, in Betracht kommende Länder vorzunehmen. Eine möglichst genaue Feststellung der eigentlichen schweizerischen Interessen einerseits und der Ausländern zustehenden Ansprüche anderseits kann unseres Erachtens nicht umgangen werden. Wir sind uns dabei allerdings bewusst, dass eine solche Ausscheidung der Forderungen und Interessen mit gewissen Schwierigkeiten verbunden sein dürfte. Ohne diesbezüglich heute schon auf Einzelheiten eintreten zu wollen, möchten wir zur vorläufigen Orientierung lediglich auf die Überlegungen und grundsätzlichen Ansichten hinweisen, die in Bezug auf diese Forderungsausscheidung bei Anlass der Vorbereitungen der Enquête über die schweizerischen Interessen in Deutschland7 als Basis zur Feststellung des schweizerischen Titelbesitzes und der schweizerischen Forderungen dienten. Diese Grundsätze sind im Entwurf zum Bundesratsbeschluss über die Durchführung von Erhebungen betreffend die schweizerischen Gläubigerinteressen in Deutschland, sowie in den Leitsätzen und Bemerkungen zu den Erhebungsformularen enthalten, welche Vorlagen dem eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement seinerzeit übermittelt worden sind.
Da eine solche Clearingregelung mit Einschluss der Finanzforderungen primäre Interessen der schweizerischen Handelspolitik berühren würde, dürfte es in organisatorischer Hinsicht als zweckmässig erscheinen, einen in diesem Sinne ausgebauten Clearingverkehr im Interesse einer technisch reibungslosen und den Direktiven der zuständigen Behörden untergeordneten Durchführung direkt dem eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement anzugliedern.
Es wäre für uns von grossem Wert, Ihre Ansicht, hochgeachteter Herr Bundespräsident, zu diesen Darlegungen vernehmen zu können8.
- 1
- Lettre (Copie): E 2001 (C) 4/176. Signé par G. Bachmann et E. Weber. la. La conférence allait être ajournée sine die le 27 juillet suivant.↩
- 2
- Cf. no 281.↩
- 3
- Cf. no 286, n. 6.↩
- 4
- Cf. no 286, n. 8.↩
- 5
- Le Gouvernement hongrois avait décidé, le 22 décembre 1931, un moratoire des transferts qui affectait l’ensemble du service de la dette extérieure hongroise. Voir dans le présent volume les documents consacrés aux relations avec la Hongrie.↩
- 6
- Non reproduit.↩
- 7
- Cf. no 117, A.↩
- 8
- Bachmann avait transmis au Chef du Département politique une copie de la lettre à Schulthess du 17 juillet. Le 20, Motta communiquait à son collègue Schulthess son point de vue sur les propositions de la Banque nationale: [...]... nous partageons entièrement les vues de la Banque nationale et... nous souscrivons en même temps aux méthodes et aux mesures qu’elle préconise. Nous reconnaissons aussi qu’une application plus généralisée du système de compensations aux créances financières toucherait au premier chef les intérêts de notre politique commerciale et, pour cette raison, qu'il serait indiqué de placer sous votre autorité immédiate l'organisation technique préposée à la direction des opérations. Nous nous permettons d’ajouter toutefois que la protection des intérêts financiers suisses à l’étranger étant du ressort de Département politique, celui-ci devrait être consulté sur toute question de principe et appelé à délibérer sur toute mesure d’ordre général (E 2001 (C) 4/176).↩
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Conférence économique et monétaire de Londres (1933)