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Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 10, doc. 179
volume linkBern 1982
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001C#1000/1534#1931* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(C)1000/1534 101 | |
Dossier title | Zeitungskampagne Schweiz - Italien (1932–1936) | |
File reference archive | B.46.18 • Additional component: Italien |
dodis.ch/45721
Le Chef du Département de Justice et Police, H. Häberlin, au Chef du Département politique, G. Motta1
Mit Schreiben vom 10/13. Juni2 teilten Sie uns mit, dass der italienische Gesandte Ihre Aufmerksamkeit auf die ungehörige Sprache der «Libéra Stampa» vom 7. Juni 1932 bei Anlass der Entdeckung des Attentats des Sbardellotto auf den Ministerpräsidenten Mussolini hingewiesen hat.[...]3
Es ist zweifellos, dass die Beziehungen zwischen der Schweiz und Italien durch Hetzartikel, wie den genannten, und durch die scharfe Tonart der «Libéra Stampa», insbesondere durch die Aufforderung, den Faszisten die distintivi mit Gewalt zu entreissen, gefährdet werden. Wir haben Herrn Staatsratspräsident Cattori bei seinem Besuche vom 28. Juni hierauf aufmerksam gemacht und ihn ersucht, soweit es ihm möglich ist, auf eine Milderung der Sprache hinzuwirken. Sollte sich die Lage zuspitzen, so könnte die Regierung des Kantons Tessin durch den Bundesrat auf die Verhetzung aufmerksam gemacht und um Abhülfe ersucht werden. Es würde nichts entgegenstehen, dass der Bundesrat die «Libéra Stampa» direkt verwarnt und darauf aufmerksam macht, dass er in die Lage kommen könnte, gestützt auf Art. 102, Z. 84 Massnahmen zu ergreifen. Andererseits sollte aber der italienische Gesandte ersucht werden, dahin zu wirken, dass die Faszisten in der Abhaltung öffentlicher Feiern grössere Zurückhaltung beachten. Es wird sich auch Gelegenheit bieten, die Frage zu prüfen, ob nicht das Tragen der distintivi allgemein oder im Kanton Tessin verboten werden sollte.
Was insbesondere die von Ihnen vorgeschlagene Beschlagnahme einzelner Nummern der «Libéra Stampa» anbetrifft, so möchten wir darauf hinweisen, dass wir nach wie vor Zweifel an der Verfassungsmässigkeit einer solchen Massnahme in ruhigen Zeiten haben und sie auch nicht als zweckmässig ansehen. Eine Vorzensur ist nach dem Grundsatz der Pressefreiheit (Art. 55 BV) nicht statthaft. Ist das Zeitungsblatt einmal ausgegeben, so ist die Beschlagnahme einzelner Nummern in den Ablagen ohne Wirkung. Zwischen der Kenntnisnahme eines anfechtbaren Artikels, dem Beschluss des Bundesrates und dessen Ausführung geht so viel Zeit verloren, dass die Beschlagnahme jede Wirkung verliert.
Wir behalten uns vor, bei Gelegenheit zu prüfen, ob nicht eine Änderung der Verfassung in dem Sinne wünschenswert wäre, dass dem Bundesrat, insbesondere in Erfüllung seiner völkerrechtlichen Verpflichtungen, Kompetenzen zu Massnahmen gegen Ausschreitungen der Presse und zum Erlass von Strafsanktionen gegen die Umgehung seiner Massnahmen gegeben werden sollten.
- 1
- Lettre (Copie): E 2001 (C)4/101.↩
- 2
- Cf. no 175.↩
- 3
- Häberlin reprend les thèmes de la lettre de Motta du 10 juin 1932 et passe en revue quelques affaires de presse touchant aux relations de la Suisse avec l’étranger dont le Conseil fédéral avait dû s’occuper dans le passé (notamment l’affaire Tonello, cf. DDS vol.9, nos 118, dodis.ch/45135 et 179, dodis.ch/45196).↩
- 4
- Cf. no 175, n.4.↩
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Press and media Political Movements in Switzerland