Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
1. Allemagne
1.1. Relations commerciales
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 10, doc. 58
volume linkBern 1982
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E7110-02#1000/1065#120* | |
Old classification | CH-BAR E 7110-02(-)1000/1065 20 | |
Dossier title | Schweizerische Gesandtschaft, Berlin (1924–1935) | |
File reference archive | 8.2.b • Additional component: Deutschland |
dodis.ch/45600
Le Directeur de la Division du Commerce du Département de l’Economie publique, W. Stucki, au Ministre de Suisse à Berlin, H. Rüfenacht1
Anlässlich der Beratungen der Europa-Konferenz in Genf2 hatte der Unterzeichnete Gelegenheit, sowohl Herrn Minister Curtius darauf aufmerksam zu machen, dass die Entwicklung der schweizerisch-deutschen Handelsbeziehungen für die Schweiz untragbar werden, als auch diesen ganzen Fragenkomplex sehr einlässlich mit den Herren Ministerialdirektoren Ritter3 und Posse4 zu besprechen. [...]
Es wurde unserseits etwa folgendes ausgeführt:
Der schweizerisch-deutsche Handelsvertrag ist im Jahre 1926 abgeschlossen und auf 1. Januar 1927 in Kraft gesetzt worden4, weil er, nach den damaligen Wirtschaftsverhältnissen, einen billigen Ausgleich der gegenseitigen Interessen darstellte. Bewusst haben aber beide Parteien Wert darauf gelegt, ihn kurzfristig zu machen, so dass bei wesentlicher Veränderung der Wirtschaftsverhältnisse leicht die notwendige Handlungsfreiheit zurückgewonnen werden konnte. Während der Vertrag im Jahre 1927 für die Schweiz noch erträglich war (Einfuhr 536 Mill. Fr., Ausfuhr 386 Mill. Fr.), hat sich das Verhältnis von Jahr zu Jahr bedeutend verschlechtert. Wenn wir auch der Ansicht sind, dass die Schweiz immer mit einem starken Passivum zu rechnen hat, und wenn wir auch nicht meinen, bei jeder Verschlechterung der Verhältnisse sogleich an eine Revision oder an eine Kündigung denken zu müssen, so ist doch heute Tatsache, dass der Import aus Deutschland um volle 32% gegenüber 1927 zugenommen hat, der Export um 30% zurückgegangen ist. Das gegenwärtige Passivum für die Schweiz beträgt 434 Mill. Fr., die Einfuhr 260% der Ausfuhr.
Dieser Zustand wird für die Schweiz unerträglich. Um diese Sachlage zu verbessern, kann an zwei Wege gedacht werden:
Weitere wesentliche Erleichterungen für den schweizerischen Export nach Deutschland durch beträchtliche Herabsetzung der deutschen Zölle. Wir geben uns davon Rechenschaft, dass dieser Weg für Deutschland angesichts seiner Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit schwer gangbar sein dürfte, da wenige und geringe Zollherabsetzungen selbstverständlich das Bild kaum wesentlich ändern würden und wir deshalb sehr viele und sehr weitgehende Forderungen stellen müssten.
Der andere Weg ist der, dass sich die Schweiz gegenüber dem deutschen Import besser schützt, d. h. für viele Zollpositionen von Deutschland die Zurückgabe der seinerzeit gewährten Bindungen verlangt und die Zölle nachher wesentlich erhöht. Auch hier wären viele Schwierigkeiten zu überwinden, in erster Linie die, dass viele von den Deutschland gegenüber gebundenen Zölle durch die Schweiz auch ändern Staaten gegenüber festgelegt wurden. Man könnte vielleicht an eine Kombination der beiden Wege denken, wobei unser Ziel ja niemals darin bestehe, das Passivum der Handelsbilanz aufzuheben, sondern lediglich darin, es auf eine erträgliche Summe zu vermindern. Schweizerischerseits sei bis jetzt ein Entschluss nicht gefasst worden. Man habe, in erster Linie zur Aufklärung dieser wichtigsten Frage, auf den 9. März eine interne Wirtschaftskonferenz einberufen und wolle hören, was die schweizerischen Wirtschaftskreise denken.
In diesem Zusammenhang haben wir nun auch von den beiden hängigen Zollstreitigkeiten gesprochen und insbesondere darauf hingewiesen, dass es unverständlich sei, wie die deutsche Regierung durch unhaltbare und geradezu illoyale Anwendung des Handelsvertrags gerade diejenige schweizerische Gruppe, die sonst zweifellos für eine Aufrechterhaltung des Handelsvertrags eingetreten wäre, die Maschinenindustrie, derart vor den Kopf stosse.
Deutscherseits wurde die schwierige Lage der Schweiz ohne weiteres anerkannt und zugegeben, dass die Schweiz wohl verpflichtet sei, Abhilfe zu suchen. Man könne allerdings im gegenwärtigen Moment unmöglich daran denken, der Schweiz neue wesentliche Zollherabsetzungen zu gewähren, und auch eine deutsche Zustimmung zu schweizerischen Zollerhöhungen, die zu einem wesentlichen Rückgang der deutschen Ausfuhr nach der Schweiz führen müssten, sei nicht zu erwarten. Selbstverständlich wurde auch die Drohung wegen Erhöhung der deutschen Käsezölle ins Feld geführt. Man sei dagegen deutscherseits bereit, mit der Schweiz über die beiden Zollanstände auf dem Gebiet der Maschinen und eventuell über andere untergeordnete Punkte in Verhandlungen einzutreten, glaube aber, es wäre besser, die Entwicklung der Dinge noch etwas abzuwarten, bevor man schweizerischerseits wichtige Entschlüsse treffe. Wir haben demgegenüber geantwortet, dass wir nun lange genug gewartet hätten und sich die Sache im Laufe des Monats März entscheiden müsse. [...]
Wir wollten Sie wenigstens in grossen Zügen über diese Dinge unterrichten, damit Sie wissen, dass man in der Schweiz sehr ernsthaft an eine umfassende Revision des Handelsvertrags mit Deutschland, eventuell gar an dessen Kündigung, denkt, damit Sie dies auch in Berlin bei Gelegenheit hervorheben können. Wir fügen lediglich noch bei, dass uns Herr Curtius gesagt hatte: «Deutschland muss stark exportieren, um seine Schulden bezahlen zu können», worauf wir antworteten: «Man wird von der Schweiz kaum verlangen können, Tausende von Arbeitslosen zu unterstützen, damit Deutschland Drittstaaten gegenüber Schulden bezahlt, für die wir nicht verantwortlich sind. Wenn die Gläubigerländer den Import aus Deutschland durch hohe Zölle bekämpfen, so werden wir schliesslich das gleiche tun müssen, und zwar mit unendlich mehr Berechtigung als die U.S.A.5 usw.»
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