Unruhen in Österreich
Pubblicato in
Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 9, doc. 517
volume linkBern 1980
Dettagli… |▼▶Collocazione
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E2001C#1000/1531#1585* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 2001(C)1000/1531 81 | |
Titolo dossier | Ausbruch von Unruhen in Österreich (1929–1929) | |
Riferimento archivio | B.73.3 • Componente aggiuntiva: Oesterreich |
dodis.ch/45534
Ihr geschätztes Schreiben vom 16. d.M.2 ist mir heute Morgen zugekommen. Nach einer Unterredung, die ich mit dem Bundeskanzler gegen Mittag hatte, kann ich Ihnen folgendes mitteilen:
Der Kanzler lässt für das Angebot, allenfalls die Waffenausfuhr aus der Schweiz nach Österreich zu verbieten, bestens danken. Er erbittet sich aber diese Massnahme nicht. Er scheint sie nicht für nötig zu halten. Der österreichischen Regierung sei von einer Waffen- oder Munition- oder Kriegsmaterialeinfuhr aus dem Ausland nichts bekannt.
Zur Lage selbst erklärt Herr Schober, er sehe den Dingen nach wie vor mit aller Zuversicht entgegen. Im Wesentlichen werde das Regierungsprojekt der Verfassungsreform von der sozialistischen Opposition angenommen. Auszunehmen seien die Frage der künftigen Stellung Wiens und das Recht auf Notverordnungen. Wien soll seinen Namen als Gemeinde und Land behalten können. Aber da, wo bisher der Instanzenzug beim Bürgermeister als Landeshauptmann endete, werde für die Zukunft ein Rekursrecht an den zuständigen Bundesminister eingeführt. Was das Recht auf den Erlass von Notverordnungen anbetreffe, werde nach einer Formel gesucht, die dem Parlament, etwa durch seinen Hauptausschuss, eine Mitwirkung sichere.
Heute und morgen fanden abschliessende Beratungen der Regierung mit den Majoritätsparteien statt. Am Mittwoch schliesse voraussichtlich der Unterausschuss für die Verfassungsreform seine Arbeit ab, und das Verfassungswerk gelange an den Hauptausschuss des Nationalrates, von wo es zu Beginn der kommenden Woche an das Plenum und zur endgültigen Verabschiedung gelange.
Ausser den parlamentarischen Arbeiten nehmen den Kanzler die Verhandlungen mit dem Heimatschutz in Anspruch. Schober betrachtet es als seine Aufgabe, auch den Heimwehren die Notwendigkeit ihrer künftigen Abrüstung beizubringen, die Zug um Zug mit der Abrüstung des sozialdemokratischen Schutzbundes erfolgen müsse. Allerdings kann der Regierungschef da nur langsam und schrittweise vorgehen, denn um die Sozialisten ihrerseits zum Nachgeben zu zwingen, ist ihm die Existenz der Heimwehren noch vonnöten.
In diesem Zusammenhange erwähnte der Kanzler den kürzlich erfolgten Besuch der Heimwehrführer aus der Steiermark. Die Herren hätten ihm erklärt, die Verfassungsreform müsse schneller und radikaler durchgeführt werden, sonst bestehe die Gefahr eines Marsches ihrer Formationen auf Wien. Sie könnten ihre Leute nicht mehr zurückhalten. «Dann seids ihr keine Führer», soll der Kanzler geantwortet haben. Und als die Herren weiter versuchten, in ihn zu dringen, und mit dem Anmarsch der Steirer gleichsam zu drohen, schnitt er die Unterhaltung ab und machte dem Besuch ein Ende: «Und wenn sie schliesslich kommen, so lassts halt laufen». Aber die Regierung werde mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln gegen sie einschreiten müssen, was ihm sehr leid täte. Dieser Auftritt ist so ganz im Verborgenen nicht geblieben. Er bildet mit ändern Erscheinungen die Ursache zu der in letzter Zeit wahrnehmbar gewordenen Nervosität ängstlicher Gemüter. Die sozialistische Opposition weiss übrigens die taktischen und agitatorischen Möglichkeiten auch auf diesen Gebieten unleugbar geschickt auszunützen. Die Abhebungen auf Banken und Sparkassen und die daraus resultierende Beunruhigung der Wirtschaft seien periodisch mit der defaitistischen Propaganda in ihrer Presse bemerkbar gewesen. Jetzt stelle man ein bemerkenswertes Ausspielen der persönlichen Beziehungen der österreichischen Sozialdemokratie in der internationalen Presse fest. Der besonders sich bemerkbar machende Einfluss in London wird hier den Beziehungen zur dortigen Arbeiterund jetzigen Regierungspartei zugeschrieben, die insbesondere auch Dr. Friedrich Adler in mehrjährigem Aufenthalt in England geknüpft habe. Im Begriffe, diese Zeilen abzuschliessen, erfahre ich, dass die Heimwehrführer dem Bundeskanzler ihren Besuch angezeigt haben sollen mit der Intention, sich vor ihm mit der Erklärung festzulegen, dass die Heimwehrführung fortan nur im Einverständnis mit der Bundesregierung vorzugehen gedenke. Das feste Auftreten Schobers scheint auch hier seinen Zweck erreicht zu haben.
Tags