Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
XII. VISAAUFHEBUNG
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 9, doc. 433
volume linkBern 1980
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001C#1000/1534#1819* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(C)1000/1534 89 | |
Dossier title | Visaaufhebung, Allgemeines (1924–1936) | |
File reference archive | B.44.1.01 • Additional component: A Allgemeines |
dodis.ch/45450
Der Vorsteher des Politischen Departementes, G. Motta, an den Vorsteher des Justiz- und Polizeidepartementes, H. Häberlin1
Wir beehren uns, den Empfang Ihres Schreibens vom 10. d.M.2 zu bestätigen, dessen Inhalt wir eingehend geprüft haben. Wie wir schon mit unserer Zuschrift vom 9. August d.J.3 dargelegt haben, können auch wir eine Massnahme, die, wie die allgemeine Abschaffung der noch bestehenden Einreisevisa, eine Erleichterung der Freizügigkeit und des Reiseverkehrs zur Folge haben wird, nur begrüssen. Wir haben dabei insbesondere auch unsere Landsleute im Ausland im Sinne, die namentlich, soweit sie in Kleinstaaten, wie z.B. den baltischen Staaten, niedergelassen sind und aus beruflichen Gründen zu häufigen Geschäftsreisen in die Nachbarstaaten sich zu begeben haben, über die Notwendigkeit der jeweiligen Beschaffung eines Einreisevisums öfters Klagen an unsere dortigen Vertretungen gerichtet haben. Dabei hegen wir kaum Bedenken, dass durch die Aufhebung des Visums die Einreise von Sovietrussen oder Staatenloser gefördert würde, da gerade die Oststaaten zum grossen Teil hinsichtlich der Zulassung solcher äusserst zurückhaltend sind4. Ebenso glauben wir nicht, dass durch die Abschaffung des Visums eine Überflutung durch Angehörige solcher Oststaaten selbst zu befürchten sei, da in Anbetracht der relativ grossen Entfernungen und der nicht unbedeutenden Reisekosten ein beträchtlicherer Zudrang kaum zu erwarten sein wird, vorausgesetzt, dass durch die Massnahmen, welche Sie im Interesse des Schutzes des einheimischen Arbeitsmarktes vorschlagen, der Zugang zu den Erwerbsmöglichkeiten in der Schweiz weiter eingeschränkt bleibt5.
Wir können ebenfalls Ihrem Vorschlag einer Aufhebung der Grenzkontrolle beistimmen6. Wir würden es indessen für gut finden, wenn gleichzeitig den kantonalen Polizeidirektionen bestimmte Vorschläge über die im Innern des Landes durchzuführende Kontrolle gemacht würden, da wir glauben, dass das an Stelle der bisherigen Grenzkontrolle tretende Verfahren einer weitern Abklärung und nähern Präzisierung bedarf.
Wir sind auch mit Ihrer Anregung einverstanden, in die Regelung der zukünftigen Verhältnisse mit den verschiedenen Staaten das Obligatorium der Einholung einer Zusicherung des Aufenthalts zum Zwecke des Stellenantritts aufzunehmen, das eine weitere Ausgestaltung des bisher mit Deutschland geltenden Systems, welches sich im allgemeinen bewährt hat, darstellen würde. Bei unserm Vorschläge, den Arbeitgeber zur Einholung der Bewilligung zu verpflichten, hatten wir namentlich im Auge, die Einreise von Ausländern nach der Schweiz, welche in der Folge eine Stelle nicht erhalten können und nur mit Schwierigkeiten wieder wegzuschaffen sind, nach Möglichkeit zu vermeiden. Bei dem von Ihnen vorgeschlagenen Systeme dürften aber solche Zustände sich kaum einstellen, wenn gleichzeitig der Arbeitgeber verpflichtet wird, einem Ausländer die Anstellung zu verweigern, der sich nicht im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung zum Zwecke des Stellenantritts befindet. Der nach der Schweiz eingereiste Arbeitnehmer, der eine Zusicherung nicht besitzt und sie in der Folge auch nicht beschaffen kann, hat wohl keinen Grund, sich darüber zu beklagen, dass er zur Erwerbsarbeit nicht zugelassen wird, weil er die Reise auf eigenes Risiko unternommen hat.
Das von Ihnen vorgeschlagene System entspräche somit dem in die Vereinbarung über die Aufhebung des Sichtvermerkzwangs zwischen dem deutschen Reich und dem Königreich Italien aufgenommenen. Dabei wäre bei den Verhandlungen mit Italien besonders Gewicht darauf zu legen, dass schweizerischen Hotelangestellten, sowie Angestellten von schweizerischen Firmen und solchen Geschäften, die mit der Schweiz in Verbindung stehen, diese Zusicherung ohne weiteres erteilt werden kann, da sie heute schon in der Kompetenz der Konsulate liegt. Noch abzuklären wäre indessen, in welchen Fällen nach der erwähnten Vereinbarung (Art. 3, Absatz 2) die Zusicherung der Bewilligung zum Stellenantritt überhaupt nicht verlangt wird.
- 1
- Schreiben (Kopie): E 2001 (C) 4/89. Paraphe: RN.↩
- 2
- Nicht ermittelt.↩
- 3
- Nicht ermittelt.↩
- 4
- Anmerkung des Verfassers: Eine einlässliche Prüfung der besondern Verhältnisse jedes einzelnen Oststaates müsste allerdings für den Zeitpunkt, in dem die Verhandlungen über die Aufhebung des Visums mit ihm aufgenommen werden, noch Vorbehalten werden.↩
- 5
- Vgl. dazu die grundsätzlichen Ausführungen des Chefs der Zentralstelle für Fremdenpolizei, H. Rothmund, zur Visafrage, an der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren am 14.9.1925 in Freiburg (E 4001 (A) 1/26).↩
- 6
- In diesem Sinne beschloss der Bundesrat am 18.1.1929: Das Passvisum ist für die Angehörigen aller von der Schweiz anerkannten Staaten aufzuheben; für die europäischen Länder soweit Gegenrecht gewährt wird (E 1004 1/314, Nr. 127).↩