Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
III. BILATERALE BEZIEHUNGEN
8. Frankreich
8.3. Zonenfrage und Schiedsvertrag
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 9, doc. 309
volume linkBern 1980
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E1004.1#1000/9#12248* | |
Dossier title | Beschlussprotokoll(-e) 14.05.-17.05.1927 (1927–1927) |
dodis.ch/45326
Protokoll der Sitzung des Bundesrates vom 17. Mai. 19271
772. Handelsbeziehungen mit Frankreich
Der Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements teilt mit, er sei tagszuvor in Genf gewesen, um mit der schweizer. Delegation der Wirtschaftskonferenz zu konferieren und auch mit 2 massgebenden französischen Delegierten noch speziell die Ordnung der schweizerisch-französischen Handelsbeziehungen zu besprechen.
Er macht kurz zusammengefasst die folgenden Mitteilungen:
1. Die Wirtschaftskonferenz verläuft relativ befriedigend. Frankreich hatte die Tendenz, sich durch die Resolutionen gleichsam einen Freibrief für seinen Zolltarif ausstellen zu lassen und tendierte mit aller Macht dahin, seinen Vertreter Serruys zum Berichterstatter der wichtigsten Kommission, derjenigen für Handelsund Zollsachen, ernennen zu lassen. Der Widerstand gegen die französischen Tendenzen war indessen in der ganzen Konferenz sehr gross und es kam dies auch dadurch zum Ausdruck, dass zwei andere Berichterstatter, ein Amerikaner und ein Belgier, gewählt wurden. - Auch sachlich drang die französische Ansicht nicht durch, und es hat namentlich auch Herr Dubois zweimal, zuerst in der Plenarversammlung, dann in der Handelskommission, sich mit Energie gegen den übermässigen französischen Protektionismus ausgesprochen.
Die Resolutionen, die die Konferenz fassen wird, werden also jedenfalls die französischen Tendenzen nicht decken, und es ist nicht ausgeschlossen, dass diese Konferenz auch in Frankreich einen gewissen Eindruck macht und den bereits vorhandenen Widerstand gegen das Zolltarifgesetz ermutigt2.
In der industriellen Kommission wurde namentlich die Frage der Kartellbildung erörtert. Die Schweiz vertrat mit Recht die Auffassung, dass mit grösster Vorsicht vorzugehen sei. Es müsse verhindert werden, dass die Roh- und Hilfsstoffe verteuert würden. Etwas wichtiges wird vermutlich auf diesem Gebiete nicht herauskommen.
Auf dem Gebiete der Landwirtschaft ist die Lage noch nicht vollständig abgeklärt.
2. Die Besprechung mit den Herren Loucheur und Serruys, die französische Delegierte an der Wirtschaftskonferenz sind, wurde seinerzeit durch Herrn Loucheur in Bern angeregt. In Genf kam Herr Loucheur auf die Idee zurück und Herr Dubois lud dann die beiden genannten Franzosen, sowie den Chef des Volkswirtschaftsdepartements und Herrn Stucki zum Nachtessen ein. In letzter Stunde wurde auch Herr Botschafter Hennessy gebeten, anwesend zu sein, da er sich in Genf befand.
Nach dem Nachtessen fand im Salon des Herrn Dubois eine ergiebige Aussprache statt, in der zunächst Serruys den französischen Standpunkt ausführlich darlegte. Bemerkenswert ist, dass er dabei die Ansätze der französischen Minimalkolonne nun nicht mehr als definitiv bezeichnete, sondern ohne weiteres zugestand, dass hierauf noch erhebliche Konzessionen gemacht werden könnten und sollten. Der Tarif richte sich, sagte Herr Serruys, namentlich gegen Deutschland, mit dem Frankreich sich ein erträgliches Regime erzwingen wolle. Es müsse nämlich insbesondere für das Eisass sorgen, das für seine Industrieprodukte speziell auch der chemischen Industrie auf einen wesentlichen Absatz in Deutschland angewiesen sei. Der Schweiz könnten Konzessionen gemacht werden auf den Artikeln, die sie hauptsächlich interessieren, für die Waren aber, die für die Verhandlungen mit Deutschland wichtig seien, müsse Frankreich seine Waffe für die Verhandlungen mit diesem Lande aufsparen.
Der Chef des Volkswirtschaftsdepartements hat dann, unterstützt von den Herren Dubois und Stucki, den schweizerischen Standpunkt in sehr entschiedener Weise auseinandergesetzt. Er wies auf den Stand der Handelsbilanz hin und auf die Tatsache, dass durch die Inkraftsetzung des französischen Zolltarifs unser Export nach Frankreich auf ein Minimum zurückginge. Die Schweiz könne sich nicht nur mit Worten vertrösten lassen, sie müsse grundlegende Konzessionen auf der Minimalkolonne verlangen, und zwar werde es nicht angehen, dass man ihr beispielsweise nur für die Uhrenindustrie etwas biete und sie für die chemische und Maschinenindustrie auf die Konzessionen vertröste, die Frankreich später
Deutschland zu machen bereit sei und die dann auf dem Wege der Meistbegünstigung der Schweiz auch zugute kämen. Die Schweiz verfolge ihre Interessen allein.
Wenn sie zufällig sich in Beziehung auf einzelne Zollpositionen mit den deutschen decken, so sei das eine Tatsache, die nicht aus der Welt geschafft werden könne und die eben darauf zurückzuführen sei, dass sowohl Deutschland wie die
Schweiz eine bedeutende chemische und Maschinenindustrie besässen.
Man einigte sich dann schliesslich dahin, dass die Verhandlungen Ende Mai beginnen sollten, aber von der schweizerischen Seite wurde kein Zweifel darüber gelassen, dass wir unsere Interessen energisch zu vertreten gezwungen seien. Von französischer Seite wurde alles mögliche Entgegenkommen in Aussicht gestellt und man trennte sich mit der Feststellung, dass beidseitig der beste Wille und auch die bestimmte Hoffnung bestehe, sich zu einigen.
Von diesen Mitteilungen wird am Protokoll Notiz genommen.
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