dodis.ch/45321
Der schweizerische Gesandte in
Berlin,
H.Rüfenacht, an den Direktor der Handelsabteilung des Volkswirtschaftsdepartementes,
W. Stucki 1
Wie zu erwarten war, haben sich nach der Unterzeichnung des schweizerischrussischen Protokolls vom 14. ds. Mts.2 zahlreiche Schweizerfirmen an die Gesandtschaft gewendet, um Mittel und Wege in Erfahrung zu bringen, wie sie am besten die Handelsbeziehungen mit Russland wieder aufnehmen könnten. Einige Firmen gehen so weit, die Vermittlung der Gesandtschaft für die Befürwortung ihrer Offerten bei der hiesigen Handelsvertretung der Sowjet-Union zu erbitten.
Derartigen Ansuchen gegenüber nehme ich nun folgenden Standpunkt ein und gedenke, ihn auch beizubehalten, solange mir keine abweichenden Instruktionen Ihrerseits zugehen:
1. Solange die diplomatischen Beziehungen zwischen der Schweiz und der Sowjetunion noch nicht aufgenommen sind, kann ein direkter Verkehr zwischen der Gesandtschaft und der Handelsvertretung nicht in Frage kommen3. Die Gesandtschaft darf sich keine Schritte gestatten, die von russischer Seite irgendwie als Präjudiz für die spätere de jure-Anerkennung der Sowjet-Regierung aufgefasst werden könnten.
2. Abgesehen von diesen politischen und völkerrechtlichen Rücksichten muss der Verkehr zwischen schweizerischen Firmen und der Handelsvertretung der Sowjets als rein privater Geschäftsverkehr betrachtet werden4, in welchen die Schweizerische Gesandtschaft als Amtsstelle nicht direkt vermittelnd eingreifen darf. Es muss der Initiative der einzelnen schweizerischen Firmen überlassen bleiben, sich mit der Handelsvertretung in Verbindung zu setzen und bei ihr den Abschluss ihrer Geschäfte zu betreiben. Die Gesandtschaft muss sich darauf beschränken, den schweizerischen Firmen mit Auskünften und Wegleitungen zur Seite zu stehen. So macht sie den schweizerischen Firmen nähere Angaben über die Adresse und die Organisation der Handelsvertretung und mahnt sie zur Vorsicht bei der Aufstellung ihrer Abschlussbedingungen.
Nach meiner Ansicht sind diejenigen schweizerischen Firmen am besten gestellt, mit der Handelsvertretung in nähere Beziehungen zu kommen, die in Berlin Filialen oder ständige Vertreter unterhalten. Die Sowjet-russische Handelsvertretung ist nämlich als einzige russische Einkaufsstelle in Deutschland ausserordentlich stark umworben, und deshalb können es sich deren Beamten erlauben, beim Abschluss von Geschäften die verschiedenen Lieferanten gegeneinander auszuspielen und bei der Aufstellung der Kaufbedingungen eine ausserordentliche Zähigkeit und Pedanterie zu entwickeln. Es gibt deutsche Firmen, die sozusagen täglich mit der Sowjetvertretung verhandeln, um mit ihr im Geschäft bleiben zu können. Ausnahmefälle Vorbehalten, dürfte deshalb die persönliche Anwesenheit des Lieferanten oder dessen Vertreters in Berlin zum Abschluss von Geschäften mit der hiesigen Handelsvertretung unumgänglich nötig sein. Eine Ausnahme bilden natürlich diejenigen Fälle, wo die Sowjetunion auf den Einkauf in der Schweiz angewiesen ist, wie dies z. B. bei gewissen Ersatzteilen für Maschinen der Fall ist.