Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 9, doc. 260
volume linkBern 1980
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001C#1000/1531#1092* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(C)1000/1531 59 | |
Dossier title | Aufzeichnungen über den Besuch des Herrn Ministers Pignatti bei Herrn Bundesrat Häberlin 1927 (1927–1927) | |
File reference archive | B.46.015 • Additional component: Italien |
dodis.ch/45277
Aufzeichnung des Vorstehers des Justiz- und Polizeidepartementes, H.Häberlin1
AUFZEICHNUNG ÜBER DEN BESUCH DES HERRN MINISTER PIGNATTI, VOM 22. FEBRUAR 1927
Der italienische Gesandte will unsere Aufmerksamkeit lenken auf die Bulletins der II. sozialistischen Internationale, die vom Sekretär Dr. Adler in Zürich herausgegeben und in verschiedenen Blättern auszugsweise wiedergegeben werden; sie enthielten namentlich unwahre und übertriebene Angaben über die Behandlung der confmati. Er weist ferner hin auf einen Artikel in der Libera Stampa vom 21. Februar 1927, gezeichnet von Francesco Frola, ex-deputato italiano. Endlich beklagt er sich, dass ein Korrespondent in Lugano nach auswärts, speziell an den Daily Herald in London, aufpeitschende Artikel sende, die vor allem von Kriegsrüstungen Italiens sprächen und angeblich positive Tatsachen über Herstellung von Kriegsmaterial und dergleichen anführten. Konklusion: Gegen Auslassungen von Schweizern in der schweizerischen Presse hält die Gesandtschaft ihre Bemerkungen zurück. Gegen Ausländer erwartet sie die Anwendung derjenigen Mittel, welche Ausschreitungen verhindern können, speziell Verwarnung.
Antwort: Wir nehmen Notiz von den Mitteilungen. Gegen formal injuriöse Presseerzeugnisse haben wir stets in der gewünschten Form reagiert; es steht übrigens auch die Klage nach Bundesstrafrecht offen. - Wir haben bereits via Nationalrat Grimm nach Zürich wissen lassen, dass wir die Bildung von Agitationszellen gegen Italien in der Schweiz nicht dulden würden; Grimm hat das Bestehen solcher in Abrede gestellt und auch als für seine Partei unerwünscht bezeichnet. (Pignatti: Auch wir behaupten keine solche Zellenbildung in Zürich).
Was die falschen Angaben über Kriegsrüstungen anbelangt, so sehen wir dem Nachweis entgegen, dass sie aus der Schweiz stammen; wir wollen uns überlegen, wie solchen Hetzereien, wenn deren Unrichtigkeit dar getan ist, vorgebeugt werden kann. - Was die Schilderungen über das Los der confinati anbelangt, so müssen wir uns äusserste Zurückhaltung auferlegen, da wir schon Berichte von absolut nicht böswilligen Unparteiischen gesehen haben, welche bestätigten, dass derartige politische Internierte als Verbrecher, z. B. mit Handschellen, behandelt wurden. (Pignatti: Das Benehmen vieler solcher politischer Gegner war nach unserer Anschauung ein verbrecherisches). Wir glauben nicht, dass ein Prozess oder auch nur ein Versuch des administrativen Einschreitens gegen solche Darstellungen ein nützliches Resultat für die Bestrebungen nach einem ungetrübten Einvernehmen ergeben würde.
Pignatti: Haben Sie Beobachtungen gemacht über provokatorisches Benehmen der Fascisten, abgesehen etwa vom Vorfälle in Genf, der aber z.B. von Ferrata missbilligt wurde?
Antwort: Ich habe zur Zeit keine Klagen anzubringen. Bei diesem Anlasse bitte ich aber Excellenz, einmal an Herrn Signori die Frage zu stellen, ob er bei jenem Vorfall in Genf anwesend war oder nicht.
Pignatti: Ist seitens des Departements sonst eine Klage vorhanden, von der ich Notiz nehmen könnte?
A ntwort: Es bleibt immer noch unsere generelle Klage, dass die Weisung Mussolinis an die italienische Vertretung in der Schweiz, wonach die Einholung der vorausgehenden Zustimmung zur Visumserteilung in Rom nicht mehr nötig sein soll, von den italienischen Konsulaten ignoriert wurde und die Konsulate eigne Politik treiben. Erst kürzlich hat wieder ein Schweizer durch die hiedurch verursachte Verzögerung eine gute Stelle verloren.
Pignatti: Es ist richtig, dass alle Konsulate sofort gegen die Weisung Mussolinis vom Herbste 1926 vorstellig geworden sind.
Antwort: Es handelt sich um eine Weisung, die, wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, schon am 11. September 1925 von Mussolini erlassen wurde. Sie wurde mir damals von Excellenz Garbasso vorgelesen. Für uns ist vor allem die Erscheinung neu, dass ein Befehl des Duce missachtet werde von seinen Beamten; diese ganz singuläre Erscheinung musste uns befremden.
Pignatti: Mir ist nur eine Weisung von 1926 gegenwärtig. Übrigens habe ich bereits in einzelnen Fällen, wie demjenigen von Gertrud Hochuli, eingegriffen. Es handelt sich wohl in der Hauptsache um das Konsulat in Basel. Die kantonalen Behörden sollten unsern Konsulaten gelegentlich auch etwas larger entgegenkommen. Ich untersage immerhin auch jede konsularische Politik auf eigene Faust.
- 1
- (Copie): E 2001 (C) 1/59.↩