dodis.ch/45257 Aufzeichnung des Sekretärs in der Abteilung für Auswärtiges,
K. Stucki1 NOTIZ
Es spricht vor Herr Dr. Erich Weinzinger, österreichischer Honorarkonsul in Addis-Ababa, Abessinien.
Herr Weinzinger berichtet, er halte sich seit 18 Jahren in Abessinien auf und habe ursprünglich der österreichisch-ungarischen Konsularkarriere angehört. Seinerzeit sei er Erzieher Seiner Kaiserlichen Hoheit, des Ras Tafari gewesen und sei noch heute mit ihm befreundet. Er betreibe gegenwärtig in Abessinien eine Kaffee-Plantage und sei gleichzeitig Vertreter deutscher Unternehmungen. Im März nächsthin werde er als europäischer Berater in äbessinische Dienste treten.
Herr W. berichtet sodann, seinen Einfluss beim Ras Tafari sei darauf gerichtet, die Beziehungen Abessiniens zu den kleineren neutralen europäischen Mächten nach Möglichkeit zu festigen und zu diesem Zwecke den Abschluss möglichst zahlreicher Handels- und Niederlassungsverträge zwischen Abessinien und diesen Staaten anzuregen. Er komme soeben von Wien, wo er den in Abschrift beigeschlossenen abessinisch-österreichischen Handelsvertrag dem Bundespräsidenten zur Unterschrift vorgelegt habe. Der Vertrag sei wegen der besonderen staatsrechtlichen abessinischen Verhältnisse, wiewohl auf fünf Jahre fest abgeschlossen, nicht mit Ratifikationsvorbehalt versehen, und daher werde im österreichischen Bundesgesetzblatt vermutlich nur die materiell wichtige Bestimmung des Artikels 1 veröffentlicht werden. Dies umsomehr, als der Vertrag formell in zwei Punkten anstössig sei, insofern 1.) als Abessinien im französischen Text das Alternat nicht habe zugestehen wollen, 2.) als der Vertrag nicht einwandfrei datiert sei.
Herr Weinzinger betonte, sein Schritt sei rein privater Natur, wiewohl er wisse, dass Ras Tafari dem Abschluss eines Meistbegünstigungsvertrages mit der Schweiz durchaus günstig gesinnt sei. Er stellte einen offiziellen schriftlichen Schritt der abessinischen Regierung in dieser Richtung in Aussicht für den Fall, dass schweizerischerseits angenommen werde, es könne auf diese Weise rascher zu einem Abschluss gelangt werden.
Ich erwiderte Herrn Weinzinger, ich werde meinem Chef von seinen Mitteilungen Kenntnis geben und danke ihm auf alle Fälle für seine Bemühungen. Es sei mir indessen nicht möglich, mich zu einer Angelegenheit zu äussern, die materiell in die Zuständigkeit verschiedener Bundesdepartemente falle und für deren Behandlung nur der Gesamtbundesrat zuständig sei. Es könne jedoch angenommen werden, dass der Bundesrat etwaigen abessinischen Eröffnungen eine gute Aufnahme bereiten werde. Immerhin müsse ich ihn ganz privat darauf aufmerksam machen, dass einem Abschluss auf fünf Jahre schweizerischerseits verfassungsrechtliche Bedenken entgegenstehen, sofern kein Ratifikationsvorbehalt angebracht werde. Diese Schwierigkeit Hesse sich dadurch umgehen, dass ein provisorisches, stillschweigend zu verlängerndes Abkommen von einjähriger Geltungsdauer abgeschlossen würde. Sodann wies ich darauf hin, dass die Verhandlungen und der Abschluss am zweckmässigsten anlässlich der Genfer Völkerbundsversammlung, zu der ja eine abessinische Delegation zu erscheinen pflege, erfolgen würden. Herr Weinzinger sagte, er werde diese unverbindlichen Äusserungen nach seiner Rückkehr in Addis-Ababa zuständigen Ortes bekannt geben.