dodis.ch/45249
Der schweizerische Gesandte in
Berlin,
H.Rüfenacht, an den Vorsteher des Politischen Departementes,
G. Motta1
Persönlich und vertraulich
Berlin, 1. Dezember 1926
Ich beehre mich, Ihnen mitzuteilen, dass mich gestern Abend Herr Staatssekretär von Schubert in ein vertrauliches Gespräch folgenden Inhaltes zog:
Die Deutsche Regierung habe ein Interesse daran, dass Russland an der vorbereitenden Konferenz vom März 1927 betreffend Abrüstung teilnehme, wäre es auch nur, damit es einmal Farbe bekennen müsse. Nun mache aber einerseits die Russische Regierung nach wie vor Schwierigkeiten wegen Genf als Sitzungsort, und andererseits sei der Generalsekretär des Völkerbundes aus grundsätzlichen und technischen Erwägungen einer Verlegung der Sitzung nach einem ändern Land abgeneigt. Es wäre deshalb doch erwünscht, wenn einmal der Streitfall zwischen der Schweiz und Russland beigelegt werden könnte. Deshalb habe auch seinerzeit die Deutsche Regierung eingewilligt, die Vermittlerrolle zu übernehmen und sei dann erstaunt und unangenehm berührt gewesen, als Russland unerwarteterweise die Verhandlungen über Frankreich geleitet habe2. Dabei seien diese dann erst noch erfolglos geblieben. Auf meine Bemerkung, dass der Bundesrat bis zur äussersten Grenze dessen, was sich noch mit der Würde der Schweiz vertrug, entgegengekommen sei, anerkannte dies Herr von Schubert. Er erklärte auch zu verstehen, dass es bei der heutigen Lage für beide beteiligten Länder schwierig sei, die Initiative zu neuen Verhandlungen zu ergreifen. Deshalb sei jetzt geplant, dass Japan seine guten Dienste anbieten werde, was anlässlich der bevorstehenden Sitzung des Völkerbundsrates geschehen solle und wovon er mich in Kenntnis setzen wollte.
Ich mache darauf aufmerksam, dass Herr von Schubert mir diese Mitteilung gemacht hat am Tage nach dem Besuch des Generalsekretärs des Völkerbundes bei der Deutschen Regierung und kurz vor Eintreffen des Herrn Tschitscherin in Berlin.