Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
III. BILATERALE BEZIEHUNGEN
8. Frankreich
8.4. Stabilisierung der Währung
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 9, doc. 212
volume linkBern 1980
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E1004.1#1000/9#12177* | |
Dossier title | Beschlussprotokoll(-e) 19.08.-19.08.1926 (1926–1926) |
dodis.ch/45229
Protokoll der Sitzung des Bundesrates vom 19. August 19261
1342. Französische Anleihen
Der Vorsteher des Finanzdepartements teilt mit, er habe soeben eine Besprechung mit Herrn Dr.Jöhr, dem Direktor der schweizerischen Kreditanstalt, gehabt, der ihm auseinandersetzte, dass Frankreich in der Schweiz ein Anleihen von 60 Millionen Schweizer Franken zum Kurse von 94 aufnehmen möchte. Die Verhandlungen seien dem Abschlüsse nahe und der Anleihensvertrag solle noch heute abends in Paris seitens der Kreditanstalt unterzeichnet werden, falls der Bundesrat zu dieser Operation seine Zustimmung gebe.
Herr Musy fügt bei, die Sache sei ihm sehr unangenehm. Allerdings handle es sich um ein Finanzgeschäft rein privater Natur, zu welchem der Bundesrat keine Stellung zu nehmen habe, welches also die Bank auch gegen den Willen oder ohne Wissen des Bundesrates machen könne. Im Interesse der schweizerischen Volkswirtschaft wäre es wohl besser, wenn dieses Geschäft nicht vorgenommen würde, einmal weil dadurch dem schweizerischen Geldmarkt neuerdings grosse Beträge entzogen werden, und sodann weil er sich gegenwärtig noch fragen müsse, ob das Darleihen hinreichend sichergestellt sein werde. Wenn jedoch der Bundesrat eine ablehnende Stellung einnehme und dann die Kreditanstalt - die ja trotzdem machen kann, was sie will - unter Hinweis auf diese Stellungnahme erklärt, sie schliesse den Anleihensvertrag nicht ab, so werde der Bundesrat dadurch gegenüber der französischen Regierung in eine recht heikle Lage versetzt. Es sei noch beizufügen, dass Frankreich versucht habe, in Holland, England und Amerika ein grosses Anleihen aufzunehmen, dass aber England und Amerika erklärt hätten, es könne von einem solchen Anleihen nicht die Rede sein, solange Frankreich das Londoner bzw. Washingtoner Abkommen nicht ratifiziert habe.
In der Beratung wird von verschiedenen Seiten der Auffassung des Vorstehers des Finanzdepartements zugestimmt, dass der Bundesrat aus naheliegenden Gründen nicht «Nein» sagen dürfe, da eine solche Stellungnahme in Frankreich Missstimmung gegen die Schweiz erregen würde2. Anderseits sei es eine starke Zumutung an den Bundesrat, ihn gleichsam vor ein «fait accompli» zu stellen und von ihm zu verlangen, dass er sich innerhalb weniger Stunden in einer so wichtigen Sache äussere und seine Zustimmung in einer Angelegenheit gebe, in welcher die Kreditanstalt einer derartigen Zustimmung gar nicht bedürfe. Vielleicht wäre es am zweckmässigsten, der Kreditanstalt ausweichend zu antworten, und zu sagen, der Bundesrat sei nicht in der Lage, heute schon Stellung zu nehmen; die Zeit sei zu kurz bemessen; bevor er sich eine Meinung bilden könne über den ganzen Fragenkomplex und insbesondere über die Disponibilitäten, müsse er das Direktorium der Nationalbank anhören und dieses um ein Gutachten bitten. Ein Mitglied des Rates wirft auch die Frage auf, ob an die Zustimmung zur Darlehensgewährung nicht die Bedingung zu knüpfen wäre, dass für einen gewissen Betrag Aufträge an die Schweizerische Industrie erteilt werden sollen.
Der Vorsteher des Finanzdepartements weist noch darauf hin, dass wegen eines allfälligen weiteren Sinkens der französischen Valuta immerhin deshalb nichts zu befürchten wäre, weil das Anleihen und dessen Rückzahlung auf Schweizer Franken lauten sollen. Er hat morgen nachmittag in Zürich - wohin er sich in einer anderen Angelegenheit begeben muss - eine Konferenz mit dem Direktorium der Nationalbank und wird bei diesem Anlasse auch die Frage des französischen Anleihens besprechen.
Es wird daher beschlossen:
Der schweizerischen Kreditanstalt kann heute noch kein endgültiger Bescheid erteilt werden. Der Vorsteher des Finanzdepartements wird morgen nachmittag die Angelegenheit mit dem Direktorium der Nationalbank besprechen. Sollte dieses ihm beruhigende Mitteilungen machen, so ist Herr Musy ermächtigt, dem von der Kreditanstalt in Aussicht genommenen Darlehensgeschäft im Namen des Bundesrates zuzustimmen3.
- 2
- In seinem Politischen Bericht Nr. 2 vom 19.3.1928 schrieb der schweizerische Gesandte in Paris, Dunant: [...]/ En ce qui concerne la situation financière de la France, j’ajouterai que M. Poincaré s’est beaucoup loué vis-à-vis de moi du concours que lui a apporté la Société de Crédit Suisse pour les différents emprunts qu’il a été obligé de faire au cours des deux dernières années; il m’assure qu’actuellement il n’envisage plus la nécessité de faire encore appel à une collaboration de ce genre. (E 2300Paris, Archiv-Nr. 81).↩
- 3
- Vgl. Nr. 213.↩