Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
III. BILATERALE BEZIEHUNGEN
25. Tschechoslowakei
25.1. Handelsvertragsverhandlungen
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 9, doc. 135
volume linkBern 1980
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E7110-02#1000/1065#491* | |
Old classification | CH-BAR E 7110-02(-)1000/1065 118 | |
Dossier title | Handelsvertrag mit der Tschechoslowakei (1925–1925) | |
File reference archive | 8.2.1 • Additional component: Tschechoslowakei |
dodis.ch/45152
Der Vorsteher der Handelsabteilung des Volksmrtschaftsdepartementes, W. Stucki, an den schweizerischen Generalkonsul in Prag, G. F. Déteindre1
Wie Ihnen bekannt ist, sind die im Sommer dieses Jahres unterbrochenen Verhandlungen über einen schweizerisch-tschechoslowakischen Handelsvertrag am
9. Dezember in Bern wieder aufgenommen worden2.
[...]3
Die schweizerische Delegation setzte sich aus den gleichen Personen zusammen, wie zur Zeit der ersten Verhandlungsperiode.
Schon zu Beginn der Verhandlungen wurde von schweizerischer Seite der tschechoslowakischen Delegation die sich für die Schweiz ergebende Situation ausführlich auseinandergesetzt Die schweizerischen Unterhändler wiesen insbesondere daraufhin, dass der bisherige Handelsverkehr zwischen der Tschechoslowakei und der Schweiz für letztere ein überaus ungünstiges Bild zeige, indem z.B. einer schweizerischen Einfuhr aus der Tschechoslowakei im Jahre 1924 im Werte von 83 Millionen Franken eine Ausfuhr im Werte von bloss 37,9 Millionen gegenüberstehe. Da dieser gewaltige Unterschied nicht in den natürlichen Verhältnissen der beiden Wirtschaftsgebiete begründet liege, sondern, wie eine genaue Prüfung ergeben, nur in den übertrieben hohen Zollansätzen des tschechoslowakischen Tarifes seine eigentliche Ursache haben könne, so gehe das Bestreben der schweizerischen Regierung dahin, durch die Handelsvertragsverhandlungen mit der Tschechoslowakei eine Grundlage zu schaffen, die einen Ausgleich dieses gewaltigen Passivums in der Handelsbilanz herbeizuführen geeignet wäre.
Die von der tschechoslowakischen Delegation in der Folge abgegebenen Erklärungen zu den einzelnen schweizerischen Begehren bedeuteten aber für die schweizerischen Unterhändler eine grosse Enttäuschung. Im grossen und ganzen wurde nur das bestätigt, was man schon im Sommer in Prag erklärt hatte. In mehreren Fällen wurden die damaligen Zugeständnisse sogar wieder zurückgenommen oder eingeschränkt und dafür andererseits nur ganz unbedeutende weitere Konzessionen angeboten. Angesichts dieses mangelnden Entgegenkommens von tschechoslowakischer Seite machte die schweizerische Delegation die tschechoslowakischen Unterhändler darauf aufmerksam, dass sie keine Möglichkeit sehe, wie sie ihr Ziel, die Beseitigung des Passivums in der Handelsbilanz, erreichen könnte. Wenn es nicht gelinge, bei den schweizerischen Begehren solche Erleichterungen zu erhalten, die das in Aussicht genommene Ziel - Ausgleich der Passivität durch grössere schweizerische Exporte - erwarten Hessen, so wäre die Schweiz gezwungen, ihren Zweck auf anderem Wege zu erreichen, und zwar durch eine Erschwerung der tschechoslowakischen Einfuhr nach der Schweiz, mittelst des neuen provisorischen Zolltarifs. Schweizerischerseits sei man aber bereit, wenn die Tschechoslowakei ausreichende Konzessionen mache, auf die Anwendung dieses neuen Tarifs zu verzichten und den heutigen Zustand zu garantieren.
Die tschechoslowakische Delegation wies demgegenüber darauf hin, dass ohne eigentliche Zugeständnisse auf dem heutigen schweizerischen Gebrauchstarif auch von der Tschechoslowakei nicht grössere Konzessionen erwartet werden dürften. Es gehe nicht an, dass nur die eine Seite Konzessionen mache und dafür ihrerseits nichts neues erhalte. Von schweizerischer Seite wurde dagegen eingewendet, dass man bei der Betrachtung nicht vom heutigen Gebrauchstarif ausgehen dürfe, sondern vom neuen provisorischen Zolltarif4. Im Gegensatz zu der heute allgemein üblichen Gepflogenheit habe die Schweiz den neuen Tarif nicht in Kraft gesetzt, um dann erst während den Verhandlungen darauf Konzessionen zu machen, sondern sie zeige den Tarif nur und gewähre bei genügenden Zugeständnissen ihres Verhandlungspartners den ganzen gegenwärtigen Zustand, also im Grunde erheblich mehr, als wenn auf dem bereits in Kraft gesetzten Tarif gewisse Reduktionen eingeräumt würden, die stets nur einen Teil der eingetretenen Erhöhungen zu umfassen pflegen. Wenn natürlich die Zugeständnisse des Vertragsgegners ungenügend seien, so wäre die Schweiz gezwungen, ihm gegenüber das bisherige Vertragsverhältnis zu kündigen und für seine Waren den neuen Zolltarif zur Anwendung zu bringen.
Auf Wunsch der tschechoslowakischen Unterhändler hat die schweizerische Delegation dann gleichwohl noch detailliert zu den tschechoslowakischen Begehren Stellung genommen. Doch hat sie dabei nur bestätigt, was vorher schon allgemein erklärt worden war, dass eine Ermässigung unter die heute geltenden Ansätze des schweizerischen Gebrauchstarifs durchwegs abgelehnt werde und auch eine Bindung derselben nur teilweise und nur dann gewährt werden könne, wenn die Konzessionen der Gegenseite genügend seien, um das erstrebte Ziel - Ausgleich der Handelsbilanz - zu erreichen. Die schweizerische Delegation hat diesen Standpunkt insbesondere vertreten bei dem tschechoslowakischen Begehren betr. die Zuckereinfuhr. Ebenso konnten keinerlei Zugeständnisse gemacht werden bei den die Tschechoslowakei ebenfalls in starkem Masse interessierenden Artikeln: Gerste und Malz, und zwar hier namentlich auch mit Rücksicht auf das Projekt des Bundesrates betr. eine fiskalische Belastung der Bierproduktion. Bekanntlich ist eine Erhöhung des Malz- und Gerstenzolles vorgesehen, wobei eine Abwälzung auf die Konsumenten vermieden werden soll, die Belastung also einzig die schweizerischen Bierbrauer zu tragen hätten. Da aber eine Entscheidung in dieser Frage noch nicht getroffen wurde, konnten keinerlei bestimmte Angaben oder gar Zusicherungen gegeben werden.
Angesichts dieser zahlreichen Schwierigkeiten nahmen die Verhandlungen einen überaus schleppenden Verlauf. Es gelang denn auch nicht, zu irgendwie nennenswerten positiven Ergebnissen zu gelangen. Da die schweizerische Delegation die Gegenseite nicht darüber im Zweifel liess, dass die Schweiz ihre Konsequenzen in dem bereits angedeuteten Sinne ziehen müsste, wenn die von tschechoslowakischer Seite abgegebenen Erklärungen zu den schweizerischen Begehren nicht eine grundlegende Revidierung erfahren würden, ergab sich die Notwendigkeit, die Verhandlungen neuerdings zu unterbrechen, um den tschechoslowakischen Unterhändlern die Möglichkeit zu bieten, mit ihrer Regierung Rücksprache zu nehmen und neue Instruktionen einzuholen.
Was die Fortsetzung der Verhandlungen anbetrifft, so ist von schweizerischer Seite der Wunsch ausgedrückt worden, dass dieselben ungefähr am 10. Februar 1926 wieder aufgenommen werden möchten. Wegen der im Januar in Berlin beginnenden schweizerisch-deutschen Handelsvertragsverhandlungen ist eine frühere Wiederaufnahme leider nicht möglich. Die schweizerische Delegation hat aber mit allem Nachdruck darauf hingewiesen, dass sich die Schweiz mit einer weiteren Hinausschiebung der ganzen Vertragsregelung nicht abfmden könnte.
Die tschechoslowakische Delegation ist gestern Abend von hier abgereist.
Wir wollten nicht unterlassen, Sie über die ganze Angelegenheit zu unterrichten. Vielleicht wäre es ganz nützlich, wenn Sie Ihrerseits in den dortigen Kreisen darauf hinweisen könnten, dass man schweizerischerseits über das mangelnde Entgegenkommen der Tschechoslowakei in diesen Verhandlungen sehr enttäuscht sei, und dass die schweizerische Regierung die feste Absicht habe, die erhöhten Zölle des neuen provisorischen Zolltarifs vom 5. November. 1925 der Tschechoslowakei gegenüber zur Anwendung zu bringen, sofern deren Konzessionen nicht derart seien, dass ein gewisser Ausgleich des schweizerischen Passivums in der gegenseitigen Handelsbilanz erwartet werden könne.
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