Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
III. BILATERALE BEZIEHUNGEN
6. Deutschland
6.2. Schiedsvertragsverhandlungen
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 9, doc. 32
volume linkBern 1980
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001C#1000/1537#7* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(C)1000/1537 1 | |
Dossier title | Deutschland (1925–1936) | |
File reference archive | B.14.4 • Additional component: Deutschland |
dodis.ch/45049
Der schweizerische Gesandte in Berlin, H.Rüfenacht, an den Vorsteher des Politischen Departementes, G. Motta1
Vorgestern, Samstag, besuchte mich der französische Botschafter, um sich bei mir über eine Frage des deutsch-schweizerischen Schiedsvertrages zu erkundigen. Der deutsche Sicherheitsvorschlag, führte er aus, biete zwar Frankreich nichts Neues. Immerhin sei das deutsche Anerbieten, die Unterschrift zum Versaillervertrag im Sinne des endgültigen Verzichts auf Elsass-Lothringen nochmals und freiwillig zu geben, nicht ohne Wert, wenn man an dessen Loyalität glauben dürfe. Während nun aber der Versaillervertrag ein Ganzes und Unteilbares bilde, mache die Deutsche Regierung bekanntlich insofern einen Unterschied, als sie hinsichtlich der deutsch-polnischen Grenze eine endgültige Anerkennung ablehne und sich nur verpflichten wolle, keine gewalttätige Änderung herbeizuführen, im übrigen aber einen Schiedsvertrag mit Polen proponiere. Damit habe allerdings Deutschland bis heute nichts anderes erreicht, als einen Zusammenschluss sonst feindlicher Parteien in Polen zur Abwehr der deutschen Bestrebungen. England scheine jedoch nicht abgeneigt zu sein, den deutschen Vorschlag zu unterstützen. Die Französische Regierung werde deshalb, wenn sie auch, wie gesagt, grundsätzlich auf dem Boden der Einheitlichkeit und Unantastbarkeit des Versaillervertrages stehe, die deutsche Anregung betreffend Polen prüfen müssen, was ihr insofern etwas erleichtert werde, als die Abtretung von Elsass-Lothringen im Vertrage selbst als dessen Bestandteil stipuliert wurde und deshalb undiskutierbar sei, während die deutsch-polnische Grenze zum Teil erst nach dem Friedensschluss durch besondere Instanzen festgesetzt worden sei.
Nun habe die Deutsche Regierung vorgeschlagen, mit Polen einen Schiedsvertrag nach dem Muster des deutsch-schweizerischen abzuschliessen2.
Dieser letztere weise nun aber eine Lücke auf, indem Art. 4 gerade die schiedsgerichtliche Erledigung von Gebietsfragen ausschliesse, bzw. einer Partei erlaube, die Zuständigkeit des Schiedsgerichts zu deren Beurteilung abzulehnen. Herr de Margerie liess durchblicken, dass nach der Ansicht seiner Regierung die Deutsche Regierung diese Lücke absichtlich benützen bzw. herbeiführen wolle, einmal, weil sie wisse, dass ein Schiedsgericht die auf dem Vertrag beruhende Grenzfestsetzung nicht umstossen werde und sodann, um sich die Möglichkeit offen zu halten, auf anderem als schiedsgerichtlichem Wege eine Reintegrierung polnischer Gebietsteile herbeizuführen. Nun habe allerdings Stresemann dem französischen Botschafter erklärt, Deutschland denke nicht daran, wegen der deutsch-polnischen Grenze je einen neuen Krieg anzufangen, und was das Schiedsgericht betreffe, so schlage Deutschland ein solches eben gerade vor, um die aus der gegenwärtigen Lage möglichen Reibungen zu beseitigen. De Margerie bemerkte aber, es gebe noch andere Kampfmittel als den Krieg, Pressionen, Schikanen und dergl., die schliesslich zum Kriege führen können, eine Eventualität, die für Frankreich im Hinblick auf seinen Garantie-Pakt mit Polen von besonderer Bedeutung sei. Da sich nun die Deutsche Regierung auf den deutsch-schweizerischen Schiedsvertrag als Beispiel seiner [sic] modernen Vertragspraxis berufe, so interessiere er, de Margerie, sich für die schweizerische Auffassung von dieser Praxis. Er habe gehört, dass die Schweiz, nachdem sie mit Italien und soeben auch mit Frankreich einen weitergehenden Vertrag abgeschlossen habe, auch an die Deutsche Regierung zwecks Erweiterung des bestehenden Vertrages nach der gleichen Richtung herangetreten sei. Ich glaubte, Herrn de Margerie wahrheitsgetreu sagen zu dürfen, dass die Schweizerische Gesandtschaft in Deutschland einen bezüglichen Auftrag nicht erhalten habe, wodurch allerdings nicht ausgeschlossen sei, dass dahinzielende Eröffnungen an die Deutsche Gesandtschaft in Bern gemacht worden seien. Da de Margerie bemerkte, dies sei seines Wissens nicht der Fall, so nehme ich an, dass seine Information bei mir nur eine Nachkontrolle bedeutete.
Ich ersuche Sie um gefällige Weisung, ob ich dieses Gespräch auf sich beruhen lassen oder Herrn de Margerie bei Gelegenheit mitteilen soll, dass eine Erweiterung des schweizerisch-deutschen Schiedsvertrages zur Zeit nicht angestrebt worden sei3.