Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
XI. ÜBERWACHUNG VON ANARCHISTEN
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 9, doc. 30
volume linkBern 1980
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001B#1000/1506#8* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(B)1000/1506 1 | |
Dossier title | Gegenseitige Unterstützung in der Überwachung von Anarchisten, Kommunisten und subversiven Elementen (Verhandlungen mit Frankreich und Italien) (1925–1925) | |
File reference archive | A.14.03.1 |
dodis.ch/45047 Der Vorsteher des Justiz- und Polizeidepartementes, H. Häberlin, an den schweizerischen Gesandten in Paris, A. Dunant1
In der letzten Zeit haben hier auf Initiative der Französischen Botschaft Besprechungen stattgefunden, über die wir Sie für alle Fälle auf dem Laufenden halten möchten, falls dies nicht bereits durch das Politische Departement geschehen ist.
Herr Legationsrat Puaux kam vor Monatsfrist zu uns mit der Anregung, es möchte mit Frankreich eine Vereinbarung getroffen werden, dass man sich gegenseitig in der Überwachung von Anarchisten, Kommunisten und ändern subversiven Elementen unterstützen möchte, vor allem durch rechtzeitige Mitteilung2
. Wir traten auf diese Anregung grundsätzlich ein, immerhin in der Meinung, dass es sich nicht um eine formelle Konvention, sondern nur um eine Verständigung über die in der administrativen Praxis zu befolgenden Richtlinien handeln solle. Diese Auffassung ist auch vom Politischen Departement vertreten und vom Bundesrate gutgeheissen worden. Wir erinnerten daran, dass vor dem Kriege bereits ein solcher modus vivendi bestanden habe. Im Jahre 1898 hat eine internationale Konferenz zur Bekämpfung der anarchistischen Propaganda in Rom solche Richtlinien festgelegt, denen die Schweiz, ohne sich vertraglich zu binden, tatsächlich beigetreten ist. Sie hat damals als Zentralstelle die Bundesanwaltschaft bezeichnet und durch diese seither den direkten Verkehr mit ausländischen Zentralen unterhalten, unter anderem mit der Direction de la Sûreté in Paris. Diese direkte Verbindung ist dann im Kriege unterbrochen und durch den diplomatischen Verkehr via Ambassade und Auswärtiges Amt ersetzt worden.
Wir sind nun durchaus einverstanden, dass ein beidseitiges Interesse an der Überwachung und rechtzeitigen Meldung subversiver Elemente besteht. Aber ebenso möchten wir Wert darauf legen, dass vor allem wieder der direkte Kontakt zwischen Bundesanwaltschaft und Sûreté hergestellt wird. Einmal deshalb, weil durch dieses abgekürzte Verfahren grössere Garantie für rechtzeitiges und nützliches Einschreiten geboten wird; sodann aber auch, weil diese Wiederherstellung des früheren Zustandes einen natürlichen Anlass bietet, um mit der Kriegserscheinung abzufahren, dass die Ambassade, ihr Militârattaché oder noch andere Organe einen Vorwand zur Einmischung in unsere innern polizeilichen und auch politischen Verhältnisse erhalten. Wir haben natürlich unser Begehren nach direktem Verkehr mit dem erstgenannten Motiv der Beschleunigung begründet, mussten aber gleich bemerken, dass Herr Puaux auf diesem Ohr nicht gut zu hören schien. Er bemerkte, seine Instruktionen gehen nicht nach dieser Richtung, und fragte, ob wir das zur Bedingung machen würden, worauf wir vorderhand ausweichend antworteten. Wir sprachen die Erwartung aus, dass auch der französischen Regierung das abgekürzte Verfahren sowieso konvenieren dürfte. Wir durften dies Herrn Puaux umso eher antworten, als er bei seiner Anfrage sogar angeregt hatte, dass unsere kantonalen Polizeistellen ermächtigt werden sollten, direkte Auskünfte nach Frankreich zu erteilen und solche von dort entgegen zu nehmen.
Das haben wir dann freilich als Regel aus konstitutionellen Gründen und um den Anfängen bzw. den Fortsetzungen zu wehren, abgelehnt, dabei immerhin zusichernd, dass die Bundesanwaltschaft es sich angelegen sein lassen werde, die kantonalen Stellen stets sofort telegraphisch zu informieren, wo solches geboten sei.
Herr Puaux hat letzter Tage bei uns nachgefragt, ob wir von Paris Bericht hätten in dieser schwebenden Frage. Wir verneinten das mit dem Bemerken, dass wir bis jetzt nur mit der Ambassade darüber verhandelt hätten und daher von dieser Bericht erwarten. Er will noch keinen solchen erhalten haben. Wir hielten es deshalb für angezeigt, Sie zu orientieren für den Fall, als dort die Rede auf diese Frage käme, ohne dass wir im übrigen den eingeschlagenen Weg zu verlassen wünschen. Herr Puaux fragte beim letzten Besuche an, ob wir geneigt wären, Verzeichnisse unserer beidseitigen Kommunisten auszutauschen. Das ist uns nun nicht sympathisch; wir konnten auch wahrheitsgemäss antworten, dass wir wohl nur wenig Personen zu melden hätten, die der Auslandspropaganda zum vornherein verdächtig wären. Wir erwähnen dieses Gespräch hauptsächlich deshalb, weil es die Vermutung nahelegt, dass die Ambassade doch in der letzten Zeit in dieser Frage nochmals neue Instruktionen erhalten habe3.
Tags
Political Movements in Switzerland
Anarchism Communist movement France (Politics)