Classement thématique série 1848–1945:
II. LES RELATIONS BILATERALES ET LA VIE DES ETATS
II.1. La situation générale
II.2.5. Les relations avec la SdN
Également: Exposé des vues de Tchitchérine au sujet de l’éventuelle entrée de l’Allemagne dans la SdN. Annexe de 21.9.1924
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 8, doc. 356
volume linkBern 1988
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2300#1000/716#109* | |
Old classification | CH-BAR E 2300(-)1000/716 60 | |
Dossier title | Berlin, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 25 (1924–1924) |
dodis.ch/44998
Als der Reichsaussenminister Dr. Stresemann, wie ich in meinem letzten Bericht Nr. 20 vom 25. September2 meldete, mir für den Fall der Zustimmung des Zentrums den baldigen Eintritt der Deutschnationalen in das Reichskabinett ankündigte und dabei das weitere Fernbleiben der Sozialdemokraten als selbstverständliche und gegebene Voraussetzung dafür hinstellte, wusste er noch nicht, oder er verschwieg es mir, dass der Reichskanzler auch diese Partei zur Mitarbeit einladen werde, oder er sah voraus, dass eine solche Einladung nur eine Geste ohne praktische Folge bleiben werde. Immerhin hat das geschickte Verhalten der sozialdemokratischen Unterhändler der Volkspartei und den Deutschnationalen das Spiel nicht leicht gemacht. Durch ihre Erklärung, ein Zusammenarbeiten mit den bürgerlichen Parteien nicht grundsätzlich abzulehnen, versetzten sie die Volkspartei und die Deutschnationalen in die Verlegenheit, entweder gegen ihr innerstes Gefühl die Hand zur Verständigung zu reichen, oder durch eine Ablehnung den Vorwurf der Krisenmacherei auf sich zu nehmen. Sie kennen die Entwicklung der Dinge aus der Presse. Die Aufstellung von Richtlinien für eine Volksgemeinschaft durch den Reichskanzler hat zu einem Frage- und Antwortspiel der Deutschnationalen und der Sozialdemokraten geführt, aus dem schliesslich die Unmöglichkeit eines gemeinsamen Eintrittes dieser beiden Parteien hervorging. Aber auch der erneute Versuch der Deutschen Volkspartei, nur den Eintritt der Deutschnationalen unter Ausschluss der Sozialdemokraten herbeizuführen, scheiterte am Widerstand des Zentrums und der Demokraten. So bleiben zur Zeit nur noch zwei Möglichkeiten: entweder akzeptiert die Deutsche Volkspartei den Vorschlag der Demokraten, dem sich wahrscheinlich das Zentrum anschliessen wird, nämlich die Beibehaltung des Kabinetts Marx in seiner bisherigen Zusammensetzung, oder sie tritt ihrerseits aus der Regierung aus, die dadurch eine derartige Schwächung ihrer ohnehin schmalen Basis erfahren würde, dass zur Auflösung des Reichstages und zu Neuwahlen geschritten werden müsste. Hat die Deutsche Volkspartei den Eintritt der Deutschnationalen nur beantragt, um ein diesbezüglich gegebenes Versprechen einzulösen, so darf sie sich ruhig darauf berufen, ihrerseits alles in ihren Kräften Liegende getan zu haben. Ist die Mitwirkung der Deutschnationalen aber ein wirklicher Wunsch der Volkspartei, so wird sie sich mit den ersteren beraten, ob dieser gemeinsame Wunsch besser erreicht wird durch die vorläufige Beibehaltung der gegenwärtigen Koalition und geduldiges Warten auf eine günstigere Gelegenheit, oder aber durch ein Ausscheiden aus der Regierung und damit durch die Reichstagsauflösung und den Appell an die Wähler. Kommt es zur Auflösung, so dürfte eine nicht unwesentliche Verschiebung der Stärkeverhältnisse der Parteien eintreten. Jetzt aber, bevor die Lösung der Krisis bekannt ist, Prophezeiungen für die Neuwahlen anzustellen, ist müssig und zum mindesten verfrüht. Immerhin darf als ziemlich sicher betrachtet werden, dass die Sozialdemokraten ihren Besitzstand vergrössern werden. Die etwas verbesserte wirtschaftliche Lage und die Leere der, wie man mir sagt, das nächste Mal von Moskau weniger ausgiebig gespiesenen Parteikasse der Kommunisten wird viele Angehörige dieser extremen Partei wieder den Sozialisten zuführen, die überdies einen Zuzug aus den Kreisen der Nationalsozialisten erhoffen und im Falle der Aufrechterhaltung der Agrarzollvorlage im Ruf nach billigem Brot eine zügige Wahlparole haben würden. Die Deutschnationalen können also, sofern sie nicht etwa wünschen, zwecks Sabotierung der Auslandspolitik in die Stellung der grollenden Opposition zurückgedrängt zu werden, die Auflösung nur wünschen, wenn sie auf mindestens gleiche Wahlerfolge wie die Sozialdemokraten rechnen können, was aber als ausgeschlossen betrachtet wird, da man ihr im Gegenteil schwere Verluste voraussagt.
In der Aussenpolitik steht im Vordergrund des Interesses der Eintritt Deutschlands in den Völkerbund. In unterrichteten Kreisen glaubt man, dass die Regierung den bezüglichen Antrag stellen wird. Allerdings bestehen ja diesbezüglich noch gewisse Hemmungen. Vorerst ist die öffentliche Meinung wenig vorbereitet, und wenn auch die grosse pazifistische Kundgebung im Reichstagssaal anlässlich der Friedenskonferenz, die mit Loebes Aufforderung «Hinein in den Völkerbund!» schloss, auch auf unbeteiligte Zuhörer, zu denen ich zählte, nicht ohne Eindruck blieb, so hat sie doch in weiten Kreisen ein lautes Echo nicht ausgelöst. Das Auftreten des französischen Professors Basch in Potsdam rief sogar starken nationalistischen Gegenkundgebungen. Überdies besteht eine gewisse Gefahr, dass bei einer allfälligen Auflösung des Reichstages in der darauffolgenden Wahlcampagne das Fernbleiben vom Völkerbund zur deutschnationalen Parole gemacht wird. Nansen, der zur Zeit hier weilt, hat sich deshalb durch einen Vermittler an die Leitung dieser Partei gewandt mit der Bitte, dies zu unterlassen. Denn er würde es auch im Falle des Beitritts bedauern, wenn sich, wenigstens in den Augen der Welt, ein starker Prozentsatz von Wählern gegen den Völkerbund ausgesprochen hätte. Wie ich höre, soll die deutschnationale Parteileitung bereit sein, den Völkerbund aus dem Spiel zu lassen, sofern die Sozialdemokraten ihrerseits darauf verzichten, den Beitritt zu ihm als Wahlparole zu benützen.
Wichtiger als die gefühlsmässigen sind die sachlichen Bedenken, die die Regierung zu überwinden haben wird, und die namentlich in der geographischen Lage und in den Beziehungen zu Russland sowie in der Rücksichtnahme auf die Regierung dieses Landes bestehen. Ich verweise in dieser Beziehung auf den heiligenden Artikel «Russland gegen Völkerbund» von Prof. Stein in Nr. 271 der «B. Z. am Mittag» vom 2. ds., in dem u. a. auf einen Brief von Tschitscherin vom 21. September 1924 Bezug genommen wird, worin der russische Aussenminister vom Beitritt Deutschlands, angeblich in dessen eigenem Interesse, abrät und diesen zudem als dem Rapallovertrag zuwiderlaufend bezeichnet. Ich konnte mir eine Abschrift dieses interessanten Dokumentes, dessen Wortlaut auf besonderen Wunsch nicht veröffentlicht wurde, verschaffen und lege sie dem vorliegenden Bericht bei.3 Von der Authentizität der Abschrift hatte ich Gelegenheit, mich durch Einsichtnahme in das Original zu überzeugen. Auf einen Artikel der offiziösen «Iswestja», der sich mit dem erwähnten Artikel «Russland gegen Völkerbund» befasst und erklärt, dass die Sowjet-Union jeden Beitritt zum Völkerbund in dessen gegenwärtiger Form ablehne und dass infolgedessen auch von einem gleichzeitigen Beitritt zusammen mit Deutschland nicht die Rede sein könne, antwortet «Diplomaticus» in der «B.Z. am Mittag» Nr. 279 vom 10. ds. mit einem Artikel «Tschitscherin und der Völkerbund», den ich beilege.4 Der mit Sperrdruck hervorgehobene Satz betreffend die Schweiz beruht auf meiner Unterredung mit dem Verfasser des Artikels, von der ich Ihnen heute in meinem Sonderbericht betreffend Russland"' Kenntnis gab.
Zum Schluss notiere ich noch eine Äusserung aus Kreisen der Freunde des Beitritts zum Völkerbund, wonach der deutsche Gesandte in Bern seine Gegnerschaft gegen den letzteren nicht aufgegeben habe, sondern seinen Einfluss gegen denselben weiterhin in Berlin geltend zu machen versuche.5
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League of Nations Questions concerning the Accession to International Organizations