Classement thématique série 1848–1945:
XIV. LA QUESTION DE L'ÉMIGRATION
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 8, doc. 327
volume linkBern 1988
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E1004.1#1000/9#11941* | |
Dossier title | Beschlussprotokoll(-e) 28.03.-28.03.1924 (1924–1924) |
dodis.ch/44969 CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 28 mars 19241 680. Auswanderung nach Brasilien
Procès-verbal de la séance du 28 mars 19241
Im Sommer vorigen Jahres hat die Vereinigung für Innenkolonisation und industrielle Landwirtschaft in Zürich den Antrag gestellt, es möchte ihr zur Förderung der kolonisatorischen Auswanderung nach Brasilien ein Kredit von Fr. 200000 bewilligt werden. Das Departement konnte auf diesen Antrag nicht eintreten. Da ihm aber bekannt war, dass das Areal der von Hamburg aus geleiteten hanseatischen Kolonisationsgesellschaft im Staate Santa Catarina in Süd-Brasilien sich zu kolonisatorischer Betätigung besonders eignet, beauftragte es mit Schreiben vom 15. August 19232 den Gesandten in Rio de Janeiro, Herrn Gertsch, sich nach dem genannten Gebiet (Hauptsitz: Hammonia) zu begeben und die Verhältnisse und Bedingungen zu prüfen, unter welchen die Ansiedlung von Schweizerbürgern auf dortigen Landlosen erfolgen könnte. Herr Gertsch ist dem ihm erteilten Aufträge im November abhin nachgekommen und hat über die Ergebnisse seiner Orientierungsreise einen umfassenden, gründlichen Bericht erstattet.
Laut diesem Berichte verfügt die hanseatische Kolonisationsgesellschaft über ein Siedlungsgebiet von 170000 ha. Sie hat innert 25 Jahren rund 3000 (zumeist deutsche) Familien auf Landlosen von durchschnittlich 28 ha angesiedelt. Für weitere 3000 Familien ist noch Terrain verfügbar. Jeder Neusiedler geht mit der Gesellschaft einen Vertrag ein, worin die gegenseitigen Rechte und Pflichten genau umschrieben sind. Kaufpreis und Anzahlung bestimmen sich jeweilen nach den gegebenen Verhältnissen. Zur Zeit beträgt der Mindestbetrag der Anzahlung 100 Milreis (nach heutigem Kurse 72 Fr., statt normal 165 Fr.). Der Preis der Grundstücke ohne Haus schwankt von 700–900 Milreis, je nach Lage und Grösse. Die zwei ersten Jahre sind zinsfrei. Vom dritten Jahre an wird gegenwärtig auf der ausstehenden Kaufsumme ein Zins von 7% berechnet. Die Höhe der jährlichen Abzahlungen wird dem freien Ermessen des Kolonisten überlassen. Für die Restschuld ist das Grundstück hypothekarisch verhaftet. Material zum Bau einfacher Wohnstäten ist vorhanden. Lebensmittel sind an Ort und Stelle erhältlich. Werkzeuge, Küchengeschirr und Bettzeug sollte der Auswanderer aus der Heimat mitnehmen. Produkte der Milchwirtschaft und Schweinezucht finden leicht Absatz. Hammonia, der Sitz der Verwaltung des hanseatischen Areals, befindet sich, in Luftlinie gemessen, 85 Km von der Meeresküste entfernt und ist mit dem Hafenorte Itajaky durch eine Bahnlinie mit anschliessender Flussdampfschiffahrt verbunden. Nach Ansicht des Herrn Gertsch sollten die Auswanderer nicht in grössern Gruppen eintreffen, sondern familienweise, um leichter Unterkunft zu finden.
Die grösste Schwierigkeit besteht für den Ansiedler darin, bis zur ersten Ernte durchzukommen; besitzt er keine Mittel, um den Unterhalt bis dahin zu bestreiten, so bedarf er vorübergehender Hilfe, um nicht von vornherein zu scheitern. Im Anschlüsse an den Bericht des Herrn Gertsch nimmt das Departement daher in Aussicht, dass der Bund der schweizer. Gesandtschaft in Rio de Janeiro eine Summe von 1000 bis höchstens 2000 Fr. für jede unbemittelte Kolonistenfamilie zur Verfügung stelle. Die Gesandtschaft würde diese Summe durch das Konsulat in Curitiba, oder durch einen von ihr zu ernennenden Vertrauensmann, nötigenfalls in Raten, dem hülfsbedürftigen Ansiedler zur Bestreitung der Anzahlung und der Kosten für die notwendigen Anschaffungen aushändigen lassen. Über die Verwendung der ihr zur Verfügung gestellten Gelder hätte die Gesandtschaft genaue Rechnung zu führen.
Von der Ausrichtung von Reisebeiträgen auf Rechnung des polit. Departementes wäre dagegen Umgang zu nehmen. Die Überfahrt nach Brasilien ist verhältnismässig billig, und es bleibt den Interessenten im übrigen freigestellt, gemäss den bestehenden Vorschriften mit einem Gesuche um Gewährung eines Reisebeitrages an den Vorstand der Wohngemeinde zu gelangen, der die Weiterbehandlung derartiger Unterstützungsgesuche im Wege der Arbeitsämter veranlasst.
Die Frage, ob sich die Gegend von Hammonia in klimatischer Beziehung für schweizerische Kolonisten eignet, ist durchaus zu bejahen. Das Gebiet liegt unter dem 27. Grad. südl. Breite und hat in Höhen von (wenigstens) 250 m über M. ein gemässigtes Klima, das für schweizerische Kolonisten, die aus milderen Gegenden unseres Landes stammen, sich besser eignen dürfte als Kanada mit seinem äusserst harten Winter. Es habe sich auch bereits eine Anzahl Schweizerfamilien dort angesiedelt, die tüchtig arbeitend gut vorwärts gekommen sind, sofern sie anfänglich die Mittel besassen, bis zur ersten oder zweiten Ernte durchzuhalten.
Im Hinblick auf die Fortdauer der wirtschaftlichen Krisis und auf die sehr zahlreichen Erkundigungen nach Auswanderungszielen, die stetsfort beim Auswanderungsamt einlangen, hält das Departement dafür, es rechtfertige sich, dass der Bund mittellosen schweizerischen Auswandererfamilien, die in Süd-Brasilien ein Landlos zu kolonisatorischer Besiedlung erwerben, behufs Überwindung der schwierigen Zeitperiode bis zur ersten oder zweiten Ernte eine einmalige Unterstützung von je 1000 bis 2000 Fr. zur Verfügung stelle und diese Beträge durch Vermittlung der Gesandtschaft in Brasilien oder des Schweiz. Konsulates in Curitiba und allfälliger Vertrauensmänner, je nach Bedarf ausrichten lasse. Zur Dekkung dieser Ausgaben kann der verbleibende Überschuss auf dem zur Förderung der Auswanderung nach Kanada bewilligten Kredite von Fr. 500000 (Bundesratsbeschluss vom 28. März I923)3 verwendet werden, welcher Überschuss laut der Rechnungsaufstellung im heutigen Antrag des Departementes betr. den Abschluss der Kanadaaktion rund Fr. 139 000 beträgt.
In seinem Mitbericht bemerkt das Volkswirtschaftsdepartement zur Frage der Ausrichtung von Reisebeiträgen an die Auswanderer, dass die Verantwortlichkeit für die Durchführung des Auswanderungsprojektes nur an einer einzigen Stelle liegen könne, wenn Doppelspurigkeiten vermieden werden sollen; das eidg. Arbeitsamt müsse sich daher in jedem einzelnen Fall Vorbehalten, Reiseunterstützungen im Sinne des Art. 9, Abs. 3, des Bundesratsbeschlusses vom 29. Oktober 1919 betr. Arbeitslosenunterstützung4 nur dann zu gewähren, wenn das eidgen. Auswanderungsamt zustimme.
Das politische Departement stimmt in seiner Vernehmlassung vom 26. März dieser Auffassung zu.
Auf Grund der Vorlagen wird beschlossen:
Das politische Departement wird ermächtigt, den Überschuss von (mindestens) Fr. 139 000 auf dem am 28. März 1923 für die Förderung der Auswanderung nach Kanada bewilligten Kredite von Fr. 500000 dazu zu verwenden, schweizerischen Kolonisten, die sich in Süd-Brasilien ansiedeln, bei Bedarf zur Überwindung der Schwierigkeiten bis zur ersten oder zweiten Ernte eine Unterstützung von je 1000 bis 2000 Fr. zukommen zu lassen.