Classement thématique série 1848–1945:
XIV. LA QUESTION DE L'ÉMIGRATION
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 8, doc. 289
volume linkBern 1988
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2175#1000/132#232* | |
Old classification | CH-BAR E 2175(-)1000/132 21 | |
Dossier title | Grundsätzliches betreffend Haftung der Agenturen bei Rückspedititonen (1880–1941) |
dodis.ch/44931
Obwohl wir wissen, dass Sie durch wichtige Geschäfte aussergewöhnlich in Anspruch genommen werden, dürfen wir es doch nicht unterlassen, Ihnen über die Rückweisungen von Schweizern in den Vereinigten Staaten Bericht zu erstatten und Sie zu bitten, Verfügungen zu treffen, um schweizerische Auswanderer nach Möglichkeit vor schwerem Schaden zu bewahren.
Mit unserm Berichte vom 23. August 1921 haben wir Sie auf die Vorschriften der Vereinigten Staaten betr. die Kontingentierung der Einwanderung aufmerksam gemacht und Ihnen unser Kreisschreiben an sämtliche Agenturen in dieser Angelegenheit zur Kenntnisnahme unterbreitet. Seither haben wir uns fortwährend bemüht, die Agenturen über die Handhabung der neuen Einwanderungsvorschriften auf dem laufenden zu erhalten, und wir verweisen diesbezüglich auf den Auszug eines Schreibens unseres Konsulats in New York vom 4. Mai 1923, das wir in Abschrift den Agenturen sandten, sowie auf unsere Kreisschreiben vom 29. Mai, 1. August und 11. September 1923.2 Schliesslich haben wir die Agenturen mündlich und in Schreiben an sie ersucht, nichts zu unterlassen, um Rückweisungen zu vermeiden. Es gelang uns bisher auch, Beschwerden zwischen Zurückgewiesenen und Agenturen zu schlichten. Die Lage wird nun aber kritischer. Obwohl das Einwanderungsfiskaljahr erst am 30. Juni nächsthin zu Ende geht, können die amerikanischen Konsulate in der Schweiz schon jetzt in der Schweiz geborenen Personen keine Pässe mehr für die Reise nach der Union visieren (es dürfen 3750 in der Schweiz geborene Personen landen und rund 3500 solchen Personen sind schon die Pässe visiert worden; es wandern aber auch Schweizer aus ändern Ländern, besonders Canada und Mexiko nach der Union aus). Die Zahl der Rückweisungen ist grösser geworden und wird noch grösser werden, wenn wir nicht Mittel ergreifen, um dem Übelstand zu begegnen.
Den schwersten Stand in der in Rede stehenden Angelegenheit hatten wir mit der Agentur Zwilchenbart-Columbia, wie sie jetzt vielfach genannt wird. Mitte Juli befördert die Agentur Columbia eine Anzahl Landsleute mit dem Dampfer «Suffren» nach New York. Als die Auswanderer dort ankamen, war die Schweizerquote erreicht und 17 Personen wurden zurückgewiesen. Das Ehepaar Brandt (69 und 66 Jahre alt) blieb in Havre und konnte am 17. August neuerdings die Reise nach Amerika antreten. Die Agentur Columbia tat gar nichts für diese Leute. Das schweizerische Konsulat musste sich ihrer annehmen und die in Amerika lebenden Kinder sandten den Eltern Geld, um die Kosten des Unterhalts und der nochmaligen Überfahrt zu bezahlen. Die übrigen zurückgewiesenen Schweizer kamen nach Hause, und die Agentur Columbia verpflichtete sich schriftlich und mündlich, sie am 25. dies ohne Nachzahlungwieder nach New York zu befördern. Am 14. aber schrieb die Agentur den Auswanderern, sie müssten bis zum 17. morgens erklären, ob sie den Betrag von Fr. 816.50 pro Person über 10 Jahre für die zweite Beförderung bezahlen wollen, sonst wären sie gezwungen, die für sie reservierten Plätze der Schiffsgesellschaft zur Verfügung zu stellen. Für die Auswanderer handelte es sich also darum, der Agentur das Reisegeld nochmals zu bezahlen, oder bis zum Juli nächsthin auf die Auswanderung zu verzichten. [...]
Auf die einschlägigen Gesetzesvorschriften aufmerksam gemacht, erklärte die Agentur Columbia, sie habe, wenn sie Auswanderer befördere, sie einzig auf die bestehenden Aus- und Einwanderungsgesetze aufmerksam zu machen und soweit möglich zu kontrollieren, ob der Reisende denselben Genüge leiste oder nicht.
Der vorliegende Anstand wäre also erledigt. Die Agentur Columbia hat zugegebenermassen den Auswanderern mitgeteilt, sie müssen mit dem Dampfer «Suffren» am 17. Juli in Havre die Meerfahrt antreten und es stehe ihrer Landung in New York kein Hindernis im Wege. Die Auswanderer erlitten durch die RückWeisung empfindlichen Schaden, denn sie müssen die Reise bis zum Einschiffungshafen zweimal bezahlen, die Meerfahrt kommt sie das zweite Mal teurer zu stehen als das erste Mal, auch hatten sie 2 Monate lang für ihren Unterhalt zu sorgen. Die Agentur erlitt nicht nur keinen Rappen Schaden, sondern erzielte infolge der Rückweisung der Auswanderer einen doppelten Gewinn, indem sie die Provision für zwei Reisen erhielt. [...]
Das amerikanische Passvisum ermöglicht einer Person, die Reise nach Amerika anzutreten, gibt ihr aber keineswegs auch das Recht, dort zu landen. Die Einwanderungsbehörden behalten sich von Fall zu Fall das Recht vor, zu prüfen, ob ein Einwanderer landen dürfe oder zurückzuweisen sei. Hierüber sind die Agenturen längst informiert worden. Wenn die Schiffsgesellschaften mehr Personen nach der Union bringen als auf Grund des Quotengesetzes dort landen dürfen, so haben sie für jede zu viel nach der Union gebrachte Person beim «Collector of Customs» (Zollbeamten) eine Summe in der Höhe des vom Auswanderer bezahlten Passagebetrages nebst einer Busse zu deponieren, und wenn sie innert zwei Monaten nicht den Nachweis leisten können, dass sie berechtigt waren, den Reisenden nach der Union zu bringen, so wird der hinterlegte Passagebetrag dem Auswanderer zurückbezahlt. Um sich nun selbst vor Schaden zu schützen, haben die Nordatlantischen Schiffgesellschaften in den verschiedenen Ländern Registrierbureaus eingerichtet. Das Registrierbureau in Basel nimmt die Anmeldungen der Agenturen entgegen, erkundigt sich beim Hauptbureau in Brüssel nach dem Stand der Einwanderung und verabfolgt hierauf den Agenturen für die von ihnen angemeldeten Auswanderer, welche die Reise antreten können, Registrierkarten. Eine solche Karte ist also ein Ausweis dafür, dass auf Grund der Erkundigung der Vertretung der Nordatlantischen Schiffsgesellschaften der Inhaber der Karte in der Union landen könne und die Schiffsgesellschaft, die ihm eine Fahrkarte durch Vermittlung der Agentur verabfolgte, ihn zur Beförderung übernehme. Irgendwelchen amtlichen Charakter haben die Registrierbureaus nicht und von ihnen ausgestellte Karten werden von den amerikanischen Einwanderungsbehörden vollständig ignoriert. Es ist keineswegs leicht, festzustellen, ob ein Auswanderer der Monats- oder Jahresquote wegen noch ungehindert in der Union landen dürfe, denn es ist schon vorgekommen, dass die Quote infolge von Einwanderungen aus Canada und Mexiko erreicht wurde, während Auswanderer sich auf der Fahrt nach Amerika befanden. Nach unserm Dafürhalten gibt es für Agenturen von dem Augenblicke an, in dem die Quote beinahe erreicht ist, nur ein Mittel, um die Auswanderer vor Schaden zu bewahren, sie entweder nicht zu befördern oder sich eine schriftliche Erklärung geben zu lassen, dass sie auf das Risiko aufmerksam gemacht worden sind, der Quote wegen nicht landen zu können. Gewissenhafte Agenturen haben dies auf unser Anraten hin bereits getan, andere aber zogen daraus Nutzen, indem sie den gewissenhaften Agenturen die Leute wegnahmen und vorgaben, sie sicher befördern zu können.
Rechtlich scheint uns die Angelegenheit durchaus klar zu sein. Das Auswanderungsgesetz verbietet in Artikel 11, Ziffer 4, den Agenten, Personen zu befördern, denen das Gesetz des Einwanderungslandes den Eintritt untersagt. Diese Vorschrift ist bestimmt und sieht keine Ausnahme vor. Das amerikanische Gesetz betr. die Einschränkung der Einwanderung vom 19. Mai 1921 verbietet in der Schweiz geborenen Personen (abgesehen von bestimmten Ausnahmen) den Eintritt in die Union, sobald die Monats- oder Jahresquote für solche Personen erschöpft ist. Diese Vorschrift wird mit äusserster Strenge gehandhabt. Befördert also eine Agentur eine in der Schweiz geborene Person nach den Vereinigten Staaten, die des Quotengesetzes wegen dort nicht mehr aufgenommen wird, so liegt seitens der Agentur unbestreitbar eine Gesetzesübertretung vor. Wollte man von diesem Standpunkt abweichen, so könnten die Agenturen nach Belieben Personen befördern, auch wenn die Quote erreicht ist, ja sie könnten auch Krüppel, Kranke und Kinder spedieren und geltend machen, wie die Agentur Columbia es tut, sie hätten sie auf die Aus- und Einwanderungsvorschriften aufmerksam gemacht. In der Praxis wird selbstverständlich die Behörde von Fall zu Fall prüfen, ob die Gesetzesverletzung Massnahmen gegen die Agentur rechtfertigt oder ob es sich ihrerseits in keiner Weise um einen Dolus handle. Der Auswanderer hat es nicht mit der Schiffsgesellschaft oder den amerikanischen Einwanderungsbehörden oder den Registrierbureaus zu tun, sondern einzig mit der Agentur, die ihn zur Beförderung übernommen hat. Die Agentur muss sich vergewissern, ob sie einen Auswanderer befördern darf oder nicht. Übernimmt sie aber die Beförderung, so ist sie für dieselbe den Behörden und dem Auswanderer gegenüber verantwortlich. Lässt sie sich von einem Registrierbureau oder einer Schiffsgesellschaft unzutreffende Angaben machen, so kann sie dieselben zur Rechenschaft ziehen und es darf nicht der unschuldige Auswanderer allein darunter leiden. Diesen Standpunkt hat auch, wie uns schien, Herr Bundesrat Häberlin als berechtigt anerkannt und in der Annahme, dass Sie unsere Auffassung teilen, gestatten wir uns, Ihnen den Entwurf zu einem Kreisschreiben an sämtliche Auswanderungsagenturen mit der Bitte zu unterbreiten, demselben Ihre Zustimmung zu geben.
Der Auswanderungsagentur Columbia dürfte mitgeteilt werden, dass ihr Verhalten gegenüber den mit der «Suffren» beförderten und zurückgewiesenen Auswanderern nicht gebilligt werde und die Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften von allen Agenturen verlangt werden müsse.
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