Classement thématique série 1848–1945:
I. LA SUISSE ET LA SOCIÉTÉ DES NATIONS
I.4. Le relèvement économique de l'Autriche
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 8, Dok. 63
volume linkBern 1988
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
Signatur | CH-BAR#E7350#1000/1104#332* | |
Dossiertitel | Protokolle, Berichte und Korrespondenz betr. Hilfe an Österreich pro 1920/1921 (1920–1921) | |
Aktenzeichen Archiv | 5.4.15 |
dodis.ch/44705 Le Chef du Département de l’Economie publique, E. Schulthess, au Ministre de Suisse à Paris, A. Dunant1
Relèvement de l’Autriche.
Wir verdanken Ihnen bestens Ihre ausführlichen Mitteilungen2 über diese Angelegenheit und möchten zu Ihrer Information Ihnen mitteilen, was bisher auf diplomatischem Wege direkt an uns gelangt ist.
Mit Datum vom 3. März übermittelte uns die britische Gesandtschaft in Bern beiliegende Note3, worin die Schweiz eingeladen wurde, zu erklären, ob sie mit einem Verzicht auf das Pfandrecht gemäss Wortlaut der Obligation einverstanden sei.
Da wir zu diesem Zeitpunkt weder durch Sie noch durch Pressemeldungen irgendwie von den beabsichtigten Schritten unterrichtet waren und die Note weitere Einzelheiten nicht gab, konnten wir uns selbstverständlich gar kein Bild machen über die genaue Absicht und die Tragweite der verlangten Erklärung. Wir beantragten deshalb dem Bundesrat, der englischen Gesandtschaft mitzuteilen, dass die Schweiz nicht in der Lage sei, in diesem Augenblick eine bestimmte Erklärung in Aussicht zu stellen und dass sie vielmehr glaube, die Angelegenheit sollte der C.I.C.R.E. unterbreitet werden.
Erst nach Ihrer Mitteilung wurde uns mit Datum vom 4. April auch die Erklärung des Obersten Rates4 an die österreichische Delegation zur Kenntnis gebracht.
Durch die Erklärung wird für die Gläubigerstaaten Österreichs folgendes verlangt:
1. Aufschiebung des Rückzahlungstermins auf einen Zeitpunkt nach dem 1. Januar 1925, wobei nach Ihren Mitteilungen eine Aufschiebung um 15 Jahre vorgesehen ist.
2. Verzicht auf das I. Pfandrecht auf das österreichische Staatsvermögen und die österreichischen Staatseinnahmen zugunsten der gemäss Projekt Ter Meulen auszugebenden Bons, wobei die Pfandrechtsstellung, wie sie jetzt zwischen Crédits de relèvement, frais d’occupation et réparations besteht, nicht alteriert wurde.
Wir können durchaus die Argumentation des Obersten Rates verstehen, wenn er sich sagt, dass eine endgültige Wiederaufrichtung Österreichs nur durch weitere Lieferungen möglich ist, und dass nach baldiger Erschöpfung der offiziellen Kredite dies nur auf privater Basis erfolgen könne. Um aber solche Lieferungen zu ermöglichen, muss dem Privathandel und der Privatindustrie eine Sicherheit gegeben werden. Dieser Sicherheitsleistung stehen die bestehenden ersten Hypotheken im Wege. Deshalb das Verlangen, dass die Inhaber dieser Garantien auf ihren Rang verzichten zugunsten der privaten Lieferungen.
So berechtigt diese Argumentation an und für sich ist, so schwer wird für die Schweiz eine Zustimmung sein. Auf jeden Fall ist in der Angelegenheit noch bedeutende Aufklärung nötig.
1. Am ehesten wird man sich allgemein und wohl auch seitens der Schweiz mit einer Aufschiebung der Rückzahlung um eine bestimmte Frist einverstanden erklären können, denn es dürfte von Österreich wohl niemand erwarten, dass es die grossen eingegangenen Rückzahlungsverpflichtungen am 1. Januar 1925 einlösen kann. Dabei glauben wir aber voraussetzen zu müssen, dass die Zinsenleistung, von der nirgends gesprochen ist, nicht tangiert wird, dass also die Zinsenzahlungen Österreichs gemäss Wortlaut der Obligationen erfolgen.
2. Was den Verzicht auf die Rangstellung anbetrifft, so befindet sich die Schweiz, wie Sie richtig bemerken, in einer durchaus besondern Stellung: Sie hat alle ihre Kredite Österreich zugewendet und diese Kredite heute bis zum Betrag von 25 Millionen Fr., inclusive 1 Million für Kriegsgefangenen-Heimtransport, erschöpft. Die ändern Staaten haben wohl im Verhältnis zu ihrer Finanzkraft nicht in gleichem Masse speziell zum Wiederaufbau Österreichs beigetragen. Ein Verzicht trifft also die Schweiz in unverhältnismässig stärkerem Masse.
Wir halten dafür, dass vorgängig einer Anschliessung des Bundesrates noch eine Reihe von Fragen abgeklärt werden sollten und möchten Sie ersuchen, dies zu tun.
1. Was haben neben der Schweiz die ändern Staaten speziell für Österreich an Crédits de relèvement gegeben?
2. Sind die Kredite der ändern Staaten erschöpft, oder sollen sie dann in dieser Weise nicht mehr in Anspruch genommen werden oder eventuell durch private Lieferungen abgelöst werden, die ein besseres Pfandrecht besitzen?
3. Wie gedenkt man es mit den übrigen Staaten zu halten, die auch Crédits de relèvement erhalten haben und für die das Projekt Ter Meulen auch angewendet werden soll?
Mit Interesse haben wir auch Ihre Äusserungen vernommen über die Diskussionen in der Kommission selber. Die Argumentation von Sir William Goode hat ja vieles für sich: Entweder hat man nicht mehr die 1. Hypothek und erhält dafür einen bessern Schuldner, oder aber man hat die 1. Hypothek eines zahlungsunfähigen Schuldners. Aber die ganze Zukunft des österreichischen Staates ist ja eine äusserst ungewisse und über die Aussichten künftiger Prosperität wird schwer etwas vorauszusagen sein. Eine Konsolidierung der staatlichen Verhältnisse, sei es durch einen wirtschaftlichen Zusammenschluss einiger Donau-Staaten oder durch eine Annäherung Österreichs an Deutschland, könnte ja wieder die Verhältnisse vollständig ändern; aber wir sind mit Ihnen der Ansicht, dass auf solche Möglichkeiten heute ja nicht hingedeutet werden kann.
Wir halten dafür, dass wir auf Grundlage der uns bekannten Tatsachen dem Bundesrat noch keinen Antrag in irgendwelchem Sinne unterbreiten können, und wir wären Ihnen deshalb für die Beantwortung der gestellten Fragen zu Dank verpflichtet. Es wäre vor allem speziell mit Rücksicht auf die besondere Lage der Schweiz die Frage zu prüfen, ob nicht eventuell wenigstens für einen Teil des schweizerischen Guthabens die bisherige Rangstellung bewahrt werden könnte. Denn so, wie sich das Projekt darstellt, wir betonen das nochmals, wird kaum einem Land verhältnismässig ein ebenso grosses Opfer zugemutet, wie unserem Lande.