Classement thématique série 1848–1945:
IX. LA QUESTION DES ZONES DE HAUTE-SAVOIE ET DU PAYS DE GEX
Imprimé dans
Documents Diplomatiques Suisses, vol. 7-II, doc. 388
volume linkBern 1984
Plus… |▼▶Emplacement
Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E7350#1000/1104#63* | |
Ancienne cote | CH-BAR E 7350(-)1000/1104 30 | |
Titre du dossier | Eidg. Politisches Departement (1914–1918) | |
Référence archives | 4.1. |
dodis.ch/44599 Le Chef du Département de l’Economie publique, E. Schulthess, au Chef du Département politique, G. Motta1
Mit Schreiben vom 9. August2 übermitteln Sie uns den Bericht unseres Geschäftsträgers3 in Paris über ein Gespräch mit Herrn Ministerpräsident Millerand in der Zonenfrage und bitten uns, die Frage zu prüfen, ob es möglich sei, das Zonenregime durch ein anderes langfristiges oder unbeschränktes Regime zu ersetzen, welches indessen zuliesse, dass Frankreich den Zollkordon an die politische Grenze verlegt.
Nach eingehender Besprechung mit dem Chef der Handelsabteilung, Herrn Dr. Eichmann, der der Kommission angehört, beehren wir uns, Ihnen im nachfolgenden unsere Meinung mitzuteilen:
I. Frankreich ist zweifellos berechtigt, in bezug auf die grosse savoyardische Zone das bisherige Regime zu ändern, und wir haben keinen Rechtstitel darauf, dass an Stelle des früheren Abkommens für die sogenannte grosse savoyardische Zone ein neues Abkommen auf bisheriger Basis abgeschlossen werde. Anders liegen die Dinge für das Pays de Gex, die kleine sardische Zone und die kleine Zone bei St. Gingolph. Wir wollen hier nicht definitiv Stellung zu der Frage nehmen, ob die Schweiz auf Grund vertraglicher Rechte einen Schiedsspruch anrufen solle oder nicht. Der Unterzeichnete hat schon Gelegenheit gehabt, auf die Schwierigkeiten aufmerksam zu machen, die sich speziell aus der Tatsache ergeben, dass das in Verbindung mit Art. 435 des Versailler Friedensvertrages abgeschlossene Abkommen heute schon zu Meinungsverschiedenheiten Anlass gibt, obwohl es von der Schweiz noch nicht einmal parlamentarisch endgültig genehmigt worden ist, geschweige denn dass unsere Ratifikation in Paris notifiziert worden wäre. Kann nun eine Ratifikation erfolgen, um nachher gleich das Begehren um Bestellung eines Schiedsgerichtes über die Auslegung des Vertrages zu stellen? Hierüber wird sich in erster Linie das politische Departement Rechenschaft zu geben haben, und der Bundesrat hat dann seinen Entschluss zu fassen.
II. Soviel ist heute sicher, dass Frankreich nur ein Abkommen schliessen will, durch welches seitens der Schweiz anerkannt wird, dass der Zollkordon an die politische Grenze verlegt wird. Ja noch mehr, die französische Regierung ist der Ansicht, dass sie von sich aus berechtigt sei, diese Massregel zu treffen. Sie wird also, auch wenn kein Abkommen zustande kommt, ohne Zweifel den Zollkordon an die Grenze verlegen. Im letztem Falle wären zweifellos die nötigen Verwahrungen anzubringen oder eventuell, wie oben erwähnt, ein Schiedsspruch anzurufen.
Welches müssten im erstem Falle, d.h. Diskussion eines Abkommens auf der Grundlage der Verlegung des Zollkordons an die Grenze, die Richtlinien eines Abkommens sein?
Die französische Regierung hat mit Note vom 26. April 1919 ein Projekt eingereicht4, auf das wir der Kürze halber einfach verweisen. Herr Millerand hat in dem Gespräch mit Herrn Schreiber von weitgehenden Konzessionen gesprochen. «Non seulement en tenant compte de la situation géographique et économique de Genève dans ses rapports avec la population voisine, mais encore en réglant dans le sens le plus amical toute une série de questions intéressant la Suisse en général ou d’autres parties de la Suisse, gares internationales de Bâle, de Pontarlier etc.» Herr Millerand wäre auch bereit, einen solchen Vertrag auf lange Dauer, eventuell auf unbeschränkte Dauer, abzuschliessen.
Wir möchten nun vorerst der Meinung Ausdruck geben, dass von einer Verbindung der Zonenfrage mit ändern Dingen wie Bahnhof Basel, Pontarlier usw. entschieden abgesehen werden sollte. Ebenso könnten wir uns nicht entschliessen, eine Konvention von unbeschränkter Dauer zu befürworten, da wir uns erfahrungsgemäss an solche Verpflichtungen halten müssen, während die grösseren Nachbarn eher die Möglichkeit haben, sich ihren Pflichten zu entziehen. Wir erinnern auch an die Kritik, die gerade von Genf aus gegenüber den ewigen Verpflichtungen im Gotthardvertrage erhoben worden ist. Materiell ist für uns entscheidend, dass die wirtschaftliche Entwicklung nicht auf alle Zeiten hinaus überblickt werden kann, und daraus folgt, dass auch die Schweiz die Möglichkeit haben muss, nach Ablauf einer gewissen Zeitspanne das Abkommen aufzuheben.
Sieht man von diesen beiden Punkten ab, so hat Herr Millerand Herrn Schreiber über das, was Frankreich tun und zugestehen will, eigentlich gar nichts gesagt, denn über den Begriff «de larges concessions» kann man sehr verschiedener Ansicht sein.
III. Wir möchten daher die Frage aufwerfen, ob es nicht angemessen wäre, nachdem Frankreich unsere Propositionen5 zurückgewiesen hat, anderseits aber «de larges concessions» in Aussicht stellt, die französische Regierung zu ersuchen, sie möchte uns nähere Auskunft darüber geben, was sie darunter versteht. Man könnte in einer Note erklären, die Schweiz stehe auf dem Boden der bestehenden Verträge, sie wahre sich ihre Rechte hieraus, sei aber angesichts der Erklärung des Herrn Millerand vom Wunsche beseelt, auch ihrerseits das mögliche zu tun, um zu einer Übereinkunft zu kommen, und sie möchte deshalb bitten, ihr mitzuteilen, welche Konzessionen Frankreich dem schweizerischen Standpunkte zu machen geneigt sei. Daraufhin würde dann der Bundesrat in der Lage sein, sich zu entschliessen, ob er auf seinen Rechtsstandpunkt verzichtend zu Verhandlungen auf einer ändern Basis sich bereit erklären könnte. Für uns ist es ziemlich schwierig, positive Vorschläge zu machen. Unter anderm könnte eine Aufrechterhaltung der bisherigen Propositionen in Betracht kommen mit der Modifikation, dass der Zollcordon an die Grenze gebracht würde, dass aber anderseits die Schweiz ohne Beschränkung auf Kontigente nach den Zonengebieten exportieren könnte. Dieses System würde wohl Frankreich nötigen, einen zweiten Zollcordon an der bisherigen Zonengrenze aufrecht zu erhalten. Dies würde aber gerade dem Gedanken der Zollgebietseinheit Frankreichs widersprechen und würde zweifellos nicht akzeptiert. Wir finden aber auch, dass es nun, nach der Rückweisung unserer Vorschläge, Sache Frankreichs sei, positive Propositionen zu machen, da ja zweifellos das französische Projekt vom 26. April 1919 nicht als eine befriedigende Grundlage der Diskussionen angesehen werden kann.
IV. Rein intern möchten wir noch eine Bemerkung anschliessen über die uns möglich erscheinenden Lösungen.
Unseres Erachtens könnte ein Abkommen nicht angenommen werden, welches für den Export der Schweiz nach den französischen Zonen einen Unterschied zwischen schweizerischen Waren machen würde, m.a.W., es könnte nicht zugegeben werden, dass beispielsweise Waren nur nach den Zonen ausgeführt werden dürfen, wenn sie aus dem Kanton Genf oder aus den Grenzkantonen, also Genf, Waadt und Wallis, stammen. In einer solchen Beschränkung läge auch ein grosses Hindernis für den genferischen Handel. Gewisse Industrien bestehen in diesen Kantonen nicht, deren Produkte bis jetzt schon nach den Zonen ausgeführt worden sind, beispielsweise Schuhe, gewisse Maschinen, Textilwaren usw. Trotzdem hat gerade der genferische Handel ein Interesse, diese Dinge nach wie vor nach der Zone liefern zu können. Es wäre aber auch rein undenkbar, eine zuverlässige und billige Kontrolle durchführen zu können. Die kleine Schweiz muss darauf halten, namentlich im Hinblick auf ihre sprachliche Trennung, dass nicht ein Teil ihres Gebietes in ein solches Sonderverhältnis zu einem Nachbarstaat gebracht wird, welches indirekt eine Zurücksetzung des übrigen Teiles der Schweiz bedeuten würde. Wir sind auch überzeugt davon, dass ein Abkommen auf solcher Grundlage in den Kammern auf grossen Widerstand stossen würde.
Eine zweite Frage, die sofort auftaucht, ist diejenige der Kontingentierung. Der Vorsteher der Handelsabteilung macht auf Grund seiner Erfahrungen ganz speziell darauf aufmerksam, wie schwierig, ja unmöglich es wäre, die Ausfuhrmengen aus der Schweiz nach den Zonen zu kontigentieren. Auf wen müssen die Kontingente verteilt werden, da an dem Exporte für gewisse Dinge hauptsächlich der Genfer Handel, aber vielfach auch manche Branchen der schweizerischen Industrie interessiert sind? Wie sollen aus den Zonen noch Bestellungen erfolgen können, wie Abschlüsse möglich sein, wenn die Gewissheit nicht besteht, dass die Kontingente nicht erschöpft sind und die Einfuhr zulässig ist? Die Inkonvenienz könnte natürlich durch hohe Kontingente vermindert werden, aber solche werden kaum erhältlich sein, und Schwierigkeiten der Verteilung würden trotzdem entstehen. Möglich scheinen solche Kontingente eher für gewisse Arten von Lebensmitteln, die in kleinern Mengen die Zollstationen des Kantons Genf passieren würden, aber diese Art des Exportes nach den Zonen fällt für uns eben nicht in Betracht, da Genf das Konsum- und nicht Produktionsgebiet für solche Waren ist. Aus der Ablehnung der Kontingentierung folgt, wie oben schon angedeutet, nicht von unserm, aber vom französischen Standpunkte aus, die Notwendigkeit eines zweiten Zollcordons, den Frankreich sicherlich ablehnen wird.
Einfacher liegen die Dinge für den Import aus den Zonen nach Genf. Hier kann man auf der historischen Grundlage bleiben, dass die Produkte, vornehmlich die landwirtschaftlichen Produkte, der Zonen nach Genf eingeführt werden dürfen, anderseits aber auch ohne Not keinen französischen Ausfuhrverboten unterliegen dürfen. Diese Seite der Frage kann nach unserer Ansicht zur Befriedigung Genfs in der Hauptsache autonom durch uns erledigt werden, indem wir Zollfreiheit für die Produkte der savoyardischen Landwirtschaft und der des Pays de Gex einräumen. Es bleibt dann noch die Frage des Ausfuhrverbotes aus Frankreich. In dieser Beziehung enthält aber auch der Vertrag von Turin einen Vorbehalt, wonach die Ausfuhr nur im Falle von «disette» verboten werden kann. Den gleichen Schutz wird im wesentlichen eine allgemeine Bestimmung des Handelsvertrages für das gesamte französische Gebiet, der auch für diesen Grenzverkehr zur Anwendung käme, bieten. Deswegen brauchte aber nicht speziell ein Zonenübereinkommen angestrebt zu werden.
Die Dinge liegen also so, dass entweder ein neues Abkommen zustande kommt, oder dass Frankreich seinen Zollcordon auch sonst an die Grenze verlegt. Im letztem Falle werden wir den Konsumenteninteressen Genfs, was die Bodenprodukte der umgebenden französischen Gebiete betrifft, im wesentlichen auf autonomem Wege gerecht werden können. Anders verhält es sich mit den Interessen des genferischen Handels, der dann wohl dadurch Schaden erleiden könnte, dass Frankreich seine Grenzzölle an der genferischen Grenze erhebt, und mit dem Genfer Handel würden darunter auch viele Branchen der schweizerischen Industrie leiden, da im ganzen Industrieprodukte im Werte von ca. 25 Millionen Franken im Jahr in normalen Zeiten aus der Schweiz nach den Zonen exportiert worden sind. Das gleiche Quantum dieser Waren würde wohl heute den doppelten Wert ausmachen.
Wollen wir auch diesen Interessen, die immerhin wiederum im wesentlichen in Genf liegen, sei es, dass es sich um genferische Produkte handelt, sei es, dass der genferische Handel als Vermittler auftritt, gerecht werden, so müsste ein Abkommen angestrebt werden. Ein solches hätte indessen nur dann einen Wert, wenn keine Kontingentierung gefordert oder hohe Kontingente zugestanden würden, und der Vorteil dürfte nicht mit Opfern erkauft werden, die in einer Scheidung des schweizerischen Zollgebietes im Hinblick auf den Export nach der Zone liegen. Es ist doch auch zu beachten, dass die Erhebung der Grenzzölle kaum auf eine Unterdrückung des gesamten Exportes nach der Zone herausläuft; ein Teil der Waren wird weiter ausgeführt werden könnem und eben die französischen Zölle zu tragen haben. Einzelne Positionen, allerdings keine wichtigen, sind ja zollfrei oder nur mässig belastet.
Wir gelangen also zum Schlüsse, dass an ein Abkommen, welches die bisherigen Verträge ersetzen würde, die Anforderung gestellt werden müsste, dass:
1. alle Waren schweizerischen Ursprunges (dieser Begriff wäre noch näher zu umschreiben), ohne Rücksicht auf ihren Herstellungsort in der Schweiz, für den Export nach der Zone gleich behandelt werden müssten. Diese Forderung liegt, wie bereits ausgeführt, auch im Interesse des genferischen Handels, der durch ein gegenteiliges Verfahren in seinen Absatzmöglichkeiten gewaltig beschränkt würde.
2. Es müsste der freie Export so organisiert werden, dass Handel und Industrie in ihrer Bewegungsfreiheit nicht behindert würden.
3. Anderseits würden wir für Zonenprodukte, insbesondere für solche der Landwirtschaft, die gleichen Vergünstigungen zu gewähren haben, wobei immerhin beispielsweise für Weine naturgemäss eine Kontigentierung gefordert würde.
Wir müssen uns Vorbehalten, diese letztem Meinungsäusserungen noch mit Sachverständigen und Interessenten zu besprechen und darauf zurückzukommen. Wir wollten indessen mit unserer Antwort nicht zögern, weil wir davon ausgehen, dass man zunächst Frankreich bitten sollte, die Konzessionen, die es machen will, näher zu bezeichnen. Erst dann dürfte der Moment gekommen sein, auch unsererseits mit Propositionen heranzutreten. Dabei ist es selbstverständlich, dass der zollfreie Import aus den Zonen nach der Schweiz unsere allgemeinen wirtschaftlichen Interessen nicht verletzen und nicht geeignet sein darf, unsere Position gegenüber Frankreich zu schwächen.
Wir werden prüfen, ob es uns möglich sein wird, nach Besprechung mit Sachverständigen, Vorschläge auf der neuen Basis aufzustellen, welche den schweizerischen Interessen entsprechen, und werden Sie darüber verständigen.
Gleichzeitig mit dem Schritte, der im Hinblick auf die in Aussicht gestellten Konzessionen Frankreichs zu tun wäre, sollte auch der Wunsch ausgesprochen werden, dass nicht nach Ablauf eines Monats, also mit 1. September, der französische Zollcordon an die Grenze verlegt werde.
- 1
- Lettre (Copie): EVD Zentrale 1914-1918/29-30no 3292 Zonenfrage. Paraphe: KW.↩
- 2
- Non reproduite.↩
- 3
- Cf. no 381.↩
- 4
- Non reproduit, cf. E 2 Archiv-Nr. 1646. Ce projet a été publié in: Affaire des zones franches de la Haute- Savoie et du Pays de Gex. Mémoire présenté au nom du Gouvernement de la République française, Paris (Imprimerie nationale 1928), pp. 126 ss. Voir aussi DDS 7/1, no 367.↩
Tags
Zones franches de Haute-Savoie et du Pays de Gex