dodis.ch/44473
Aide-mémoire du Département de l’Economie publique
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NOTIZ
Vertraulich
Bern, 1.März 1920
Heute besuchte mich Herr Dr. Köcher, Legationsrat der deutschen Gesandtschaft in Bern, um mir, gestützt auf einen telegraphischen Auftrag der deutschen Regierung, folgende Mitteilungen zu machen:
Die Aufnahme neuer Verhandlungen mit Deutschland betreffend Abschluss eines Kohlenvertrages sei vor Mitte März unmöglich. Der Grund liege darin, dass die Entente bei der deutschen Regierung gegen das deutsch-holländische Abkommen Einsprache erhoben und dessen Durchführung, als im Widerspruch mit dem Friedensvertrag stehend, untersagt habe. Gegenwärtig seien nun zwischen Holland und Frankreich Verhandlungen im Gange, da Holland die Initiative ergriffen habe, bei der Entente auf Fallenlassen dieser Einsprache zu dringen. Man hofft in Berlin, diese Schritte Hollands würden von Erfolg begleitet sein. Deutschland selber habe sich in dieser Angelegenheit nicht an die Entente gewendet. Es könne aber, nachdem dieser Einspruch erfolgt sei und noch zu Recht bestehe, nicht Verhandlungen mit einem ändern neutralen Lande anknüpfen, da es sonst die Stimmung der Entente noch mehr reizen und das Resultat der holländischen Demarche präjudizieren würde. Die Aufnahme der Verhandlungen könne also erst erfolgen, wenn die Entente ihren Einspruch habe fallen lassen. Dieses Resultat sei aber nicht vor Mitte dieses Monats zu erwarten.
Herr Dr. Köcher liess durchblicken, es wäre vielleicht angezeigt, wenn die Schweiz in ähnlicher Weise wie Holland mit Paris Fühlung nehmen und ebenfalls dahin arbeiten würde, dass die Entente grundsätzlich die Zustimmung gibt, dass Deutschland an neutrale Staaten Kohlen liefere.
Da nach diesen Mitteilungen nicht damit gerechnet werden kann, dass ein neuer Vertrag mit Deutschland vor dem 1. April in Kraft tritt, so scheint mir nun doch der Moment gekommen zu sein, dass die Kohlengenossenschaft ihre neuen Preislisten publiziere. Die Nachteile der Ungewissheit über die Kohlenpreise dürften diejenigen der Publikation beim heutigen Stand der Dinge wahrscheinlich überbieten.